Im Jahr 2019 hat der Leipziger Stadtrat beschlossen, bis 2040 Klimaneutralität erreichen zu wollen. Als kommunales Unternehmen im Eigentum der Stadt Leipzig sind die Leipziger Stadtwerke ein zentraler Akteur bei der Umsetzung dieses Ziels. Ein Interview mit dem kaufmännischen Geschäftsführer der Stadtwerke Leipzig und dem Sprecher der Geschäftsführung der Leipziger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft, Karsten Rogall, in der Zeitung für kommunale Wirtschaft (ZfK) hatte in Leipzig für einige Irritationen gesorgt.

Die Leipziger Zeitung versuchte daraufhin mit einem weiteren Interview, Klarheit in die Diskussion zu bringen. Als Leser trug das neue Interview bei mir jedoch nicht zur Auflösung der „Irritationen“ bei. Besonders schwer fällt es mir, die energiewirtschaftlichen Ungenauigkeiten und die Einseitigkeit unkommentiert zu lassen.

Mit diesem Gastbeitrag möchte ich daher einige Aussagen des Interviews mit Herrn Rogall unter die Lupe nehmen, einordnen und korrigieren. Aufgrund der Vielzahl an Aussagen konzentriere ich mich in diesem Beitrag auf die Aussagen zu Kosten des „Ausbaus der Erneuerbaren, Marktversagen, negative Preise am Strommarkt, Wirtschaftlichkeit sowie Daseinsfürsorge“. Die Themen „Abregelung von Erneuerbaren, Netzausbau und Wärmewende“ werde ich in einem weiteren Beitrag behandeln.

Die Kernbotschaften meines Beitrags sind:

Die Risiken einer Nicht-Förderung von Erneuerbaren übersteigen die EEG-Förderkosten bei Weitem, wie die Kosten der Gaspreiskrise zeigen.

Die EEG-Förderung von Erneuerbaren senkt den Börsenstrompreis, welches bei der Bewertung der EEG-Förderkosten zu berücksichtigen ist.

Aussagen zur Haushaltsbelastung und Wirtschaftlichkeit sind in vielen Punkten widersprüchlich und mindestens einseitig, wie die Position zur Förderung von Gaskraftwerken zeigt.

Negative Preise sind kein „Indiz für ein Marktversagen am Strommarkt“, sondern zeigen lediglich, dass unflexible Stromerzeugung besteht, welche auch zu erheblichen Anteilen auf einen unflexiblen, fossilen Kraftwerkspark zurückzuführen ist.

Der weitere zügige Ausbau von Erneuerbaren sorgt für langfristig stabile Strompreise und erhöht die Sicherheit und Widerstandsfähigkeit der Energieversorgung in einer weltweit unsicheren politischen Lage.

Die Förderung und der weitere zügige Ausbau der Erneuerbaren Energien ist entsprechend ein wichtiger Teil der Daseinsfürsorge, und sollte somit auch im Interesse kommunaler Unternehmen sein, welche die Daseinsfürsorge für sich beanspruchen.

Kosten des erneuerbaren Ausbaus und fossile Subventionen

Karsten Rogall bezeichnet die Förderkosten der Erneuerbaren Energien (EE) für den Staatshaushalt als nicht tragbar und fordert daher, die Förderung für Erneuerbare Energien zu beenden. Dabei unterschlägt er nicht nur die preisdämpfenden Effekte am Strommarkt, sondern lässt auch die deutlich höheren Kosten außer Acht, die uns durch die Gaspreiskrise der vergangenen Jahre entstanden sind.

Karsten Rogall.Karsten Rogall. Foto: L-Gruppe

Die Förderkosten des EE-Ausbaus (EEG-Förderkosten) ergeben sich vereinfacht aus den Differenzkosten zwischen den garantierten Erlösen und den am Spotmarkt erzielbaren Marktwerten. Bis zum 1. Januar 2023 wurden diese Kosten über die EEG-Umlage an die Endverbraucher weitergegeben und werden seitdem aus dem Haushalt finanziert.

Während Herr Rogall 2022 die Abschaffung der EEG-Umlage mit den Worten „Die vorgezogene Abschaffung der EEG-Umlage ist vollkommen richtig […]“ (Pressemitteilung, VKU vom 25.2.2022) besonders begrüßte, sind diese Kosten für ihn nun nicht mehr tragbar, weshalb aus seiner Sicht die Förderung gestoppt werden sollte. Dieser Logik folgend müssten vorerst einige andere haushaltsbelastende Positionen sofort gestoppt werden.

Nach einer Kurzanalyse im Forschungsprojekt Ariadne aus dem Jahr 2024 bewegen sich die Einnahmeverluste des Haushalts aufgrund fossiler Subventionen im Verkehr auf 11,3 bis 14,8 Milliarden Euro pro Jahr. Ein Betrag, der sich mit der Erhöhung der Pendlerpauschale noch deutlich vergrößert haben dürfte. Dabei sind mindernde Effekte auf die Einnahmenhöhe bei Abschaffung der Regelungen bereits berücksichtigt.

Ebenso hat die Gaspreiskrise im Kontext des Ukrainekriegs die Risiken der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen klar gezeigt. Allein die Gas- und Strompreisbremse hat den Haushalt mit dem Fünffachen der jährlichen EEG-Förderkosten belastet. Dabei sind weitere indirekte Kosten, wie z.B. die Auswirkungen auf die Wirtschaft und Inflation, noch nicht berücksichtigt. Ein früherer und stärkerer Ausbau von Erneuerbaren Energien hätte die Kosten der Gaspreiskrise deutlich senken können.

Auch die aktuell vorgeschlagenen Maßnahmen der Bundesregierung werden nicht erwähnt. Beispiele sind die Übernahme der Gasspeicherumlage, die mit 3,4 Milliarden Euro zu Buche schlägt, oder die Förderkosten für neue Gaskraftwerke, die nach aktuellen Schätzungen deutlich über 20 Milliarden Euro betragen werden.

Subventionen übersteigen EEG-Förderkosten

Die obige knappe Auflistung zeigt bereits, dass anderweitige Subventionen und Risiken die EEG-Förderkosten deutlich übersteigen, ohne dabei einen positiven Beitrag für die Zukunft zu bringen. Der Forderung eines Förderstopps für Erneuerbare aufgrund einer Haushaltsüberlastung, wobei die Übernahme über den Haushalt noch wenig zuvor deutlich begrüßt wurde, kann aus dieser Perspektive nicht nachvollzogen werden.

Dabei ist noch unterschlagen, dass die EEG-Förderkosten nicht die tatsächlichen Gesamtkosten widerspiegeln. So muss beispielsweise der preisdämpfende Effekt an den Strommärkten berücksichtigt und von den EEG-Förderkosten abgezogen werden. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien senkt die Börsenstrompreise, was allen Verbrauchern, insbesondere der Industrie, zugutekommt.

Ein Effekt, welchen Herr Rogall mit Verweis auf negative Börsenpreise, die er fälschlicherweise einseitig den Erneuerbaren zuschreibt, kritisiert. Zur Vollständigkeit muss natürlich erwähnt werden, dass der Umbau auf ein Erneuerbare Energiesystem einen Ausbau der Netzinfrastrukturen erfordert.

Die dortigen Investitionskosten werden über die entsprechenden zu veranschlagenden Zeiträume über die Netzentgelte abgeschrieben und sind somit als Kostenblock zu berücksichtigen.

Das Kraftwerk der Stadtwerke Leipzig an der Bornaischen Straße soll künftig mit Wasserstoff arbeiten können.Das Kraftwerk der Stadtwerke Leipzig an der Bornaischen Straße soll künftig mit Wasserstoff arbeiten können. Foto: Ralf Julke

Unabhängig davon ist eine Energieversorgung, die primär auf Wind und Solar basiert, langfristig preisstabiler. Nach Abschreibung der anfänglichen Investitionskosten ist ein solches System auf lange Sicht kostengünstiger als eine Energieversorgung, die von variablen Brennstoffpreisen abhängig ist.

Negative Preise, Marktversagen und Wirtschaftlichkeit

Der Vorwurf des Marktversagens ist ein starker Begriff, den Herr Rogall in mehreren Abschnitten mit Bezug auf die negativen Preise am Strommarkt verwendet und insbesondere mit dem Ausbau von Photovoltaik-Anlagen verknüpft.

Spricht man von negativen Strompreisen, bezieht sich dies üblicherweise auf den Day-Ahead Handel am EPEX Spotmarkt. Ein Blick in die Daten zeigt: vom Januar bis August 2025 traten in der deutschen Strompreiszone in 401 Stunden negative Preise auf. Der fossile Anteil der Stromproduktion lag in diesen Stunden im Durchschnitt immer noch bei rund 12 %. Der kleinste Anteil an fossilen Erzeugern lag bei 8 % der Produktion. In diesen Stunden lag der durchschnittliche Anteil von Wind und Solar bei 78 %. Im Maximum bei 83 %. (Eigene Auswertung, Daten: ENTSO-E Transparency Platform)

Der Bundesnetzagentur folgend entstehen  negative Strompreise „auf kurzfristigen Strommärkten (…), wenn eine hohe und unflexible Stromerzeugung auf eine gleichzeitig niedrige Nachfrage trifft.“ Die unflexible Stromerzeugung setzt sich dabei zusammen aus Erneuerbaren Anlagen, die über das EEG gefördert werden, und unflexiblen, meist fossilen Kraftwerken.

Vereinfacht ist es für EEG-Bestandsanlagen lohnenswert, negative Preise bis zur Höhe der gleitenden Marktprämie zu akzeptieren, die diese Förderung zusätzlich zum Börsenstrompreis enthalten. Die gleitende Marktprämie ergibt sich aus der Differenz zwischen der garantieten Vergütung und dem durchschnittlichen Monatserlös am Großhandelsmarkt. Für neue Anlagen, die an 2025 in Betrieb gehen, gilt dies nicht mehr, da die EEG-Vergütung bei negativen Prerisen auf Null gesenkt wird (§ 51 EEG). Auch ältere Anlagen sind ähnlichen Regelungen unterworfen, wobei diese an mehrere aufeinander folgende Stunden mit negativen Preisen gekoppelt sind. Das bedeutet, dass Anlagenbetreiber dieser Neuanlagen keinen Anreiz haben, in Stunden mit negativen Preisen Strom zu produzieren, auch somit nicht zu den negativen Preisen beitragen.

Die obigen Daten verdeutlichen damit Altbekanntes: Eine hohe Stromerzeugung aus Wind und Solar senkt die Marktpreise, aber ausschlaggebend für negative Preise sind Anlagenbetreiber inflexibler Kraftwerke, die bereit sind, bei Geld für die Produktion von Strom zu bezahlen, anstatt diese weiter zu drosseln oder herunterzufahren.

In diesem Kontext ist es erwähnenswert, dass der weitere Ausbau von Solaranlagen und Windanlagen nahezu keinen Effekt auf negative Preise haben kann. Dies begründet sich damit, dass die EEG-Vergütung für über das EEG geförderte Neuanlagen bei negativen Preisen auf null gesenkt wird (§51 EEG). Das bedeutet, dass Anlagenbetreiber dieser Neuanlagen keinen Anreiz haben in diesen Stunden Strom zu produzieren, auch wenn sie es könnten. Dies reduziert die Einnahmen der erneuerbaren Anlagen und schützt inflexible alte Kraftwerke, die eigentlich nicht mehr den Marktanforderungen entsprechen.

Ist es nun richtig, hier von Marktversagen zu sprechen? Offensichtlich nicht! Die zentrale Aufgabe des Day-Ahead-Spotmarkts, die Ermittlung der niedrigsten Erzeugungskosten für Energie, wird erfüllt, auch wenn dies aufgrund inflexibler Kraftwerke zu negativen Preisen führt.

Wirtschaftlichkeit und Marktdesign

Und hiermit kommen wir zum Thema Wirtschaftlichkeit und Marktdesign: Der Spotmarkt ist ein Energy-Only-Markt. Dieses Marktdesign ist gut geeignet, um effizient den günstigsten Preis für erzeugte Energie zu ermitteln. Schlecht oder nur bedingt geeignet ist dieses Marktdesign unter anderem bei den Themen der Versorgungssicherheit und Gewährleistung der Netzfrequenzstabilität. Vor diesem Hintergrund ist auch der Primärregelleistungsmarkt nicht als Energy-Only-Markt konzipiert.

Mit dem Argument der Versorgungssicherheit möchte die Bundesregierung daher neue Gaskraftwerke fördern, da diese nicht wirtschaftlich am Energy-Only-Markt agieren können. Der Logik des Interviews folgend, dürfte also keine Förderung von Gaskraftwerken stattfinden, da es sich ja um eine deutlich ältere Technologie handelt.

Anders als bei Gaskraftwerken sieht es hingegen bei Batteriespeichern aus. Hier erfolgt aktuell ein dynamischer Ausbau, wobei die Anlagen zunehmend auf den Day-Ahead Spotmarkt drängen. Sollten sich die geplanten Kapazitäten realisieren, wird sich das Thema der negativen Strompreise mittelfristig erledigen, denn die Batteriespeicher werden bei hoher erneuerbarer Produktion Strom am Strommarkt einkaufen und bei niedriger erneuerbarer Produktion verkaufen.

Damit stabilisieren Batteriespeicher die Marktpreise. In der Konsequenz wird der Marktwert von Wind und Solar erhöht und der mittlere Strompreis am Spotmarkt sowie die EEG-Förderkosten gesenkt werden. Dahingegen sind Gaskraftwerke, die am Spotmarkt agieren, die teuersten Stromproduzenten und helfen auch nicht dabei, die EEG-Förderkosten zu verringern.

Nochmals auf den Punkt gebracht: Energy-Only-Märkte sind nur bedingt geeignet, um langfristige Investitionen anzureizen, auch wenn diese langfristig die Stromerzeugungskosten senken. Genau dies ist einer der Zwecke, welches das EEG erfüllt.

Daseinsfürsorge

Mehrfach verweisen die Antworten des Interviews mit Karsten Rogall auf die Verantwortung der Leipziger Gruppe beim Thema Daseinsvorsorge. Allerdings sind auch die schnellstmögliche Erreichung der Klimaneutralität sowie die Gewährleistung einer langfristig preisstabilen Strom- und Wärmeversorgung wichtige Bestandteile davon. Die Kosten des Klimawandels übersteigen die Kosten für den Umbau auf ein klimaneutrales Energiesystem bei Weitem.

Ein auf Erneuerbaren Energien basierendes Energiesystem ist aufgrund der geringeren Abhängigkeit von Importen fossiler Rohstoffe und volatilen Brennstoffpreisen deutlich widerstandsfähiger. Die Gaspreiskrise und der aktuelle „Deal“ im Zollstreit mit den USA zeigen, wie fossile Brennstoffe als Druckmittel eingesetzt werden. Der weitere zügige Ausbau der Erneuerbaren Energien ist eine Investition in die Zukunft und sorgt für langfristig stabile Preise sowie für eine resiliente Energieversorgung!