Drei der beliebtesten Schauspielerinnen ihrer Zeit, Meisterregisseur Federico Fellini und sogleich drei seiner gefeierten Kollegen: „Boccaccio 70“ ist ein kurioser Episodenfilm mit epischer Laufzeit. Jetzt gibt’s ihn komplett im Heimkino.
Vier umjubelte Regisseure tun sich zusammen und drehen einen epochal langen Episodenfilm mit Starbesetzung. Darunter: Romy Schneider, Sophia Loren und Anita Ekberg auf der Höhe ihres Ruhms als Stilikonen. Dennoch ist „Boccaccio 70“ bloß eine obskure, wenngleich faszinierende Fußnote in der europäischen Kinogeschichte und im Schaffen von Regie-Maestro Federico Fellini. Allein schon die Veröffentlichungsgeschichte ist kurios: Ein ganzer Akt der Gesellschaftssatire wurde für den internationalen Markt gesperrt!
Der Rest wurde zum deutschen Kinostart für eine FSK-Freigabe ab 18 Jahren weiter geschnitten, aber Sehgewohnheiten ändern sich: Mittlerweile ist der Film ab sechs Jahren freigegeben. 20 Jahre nach einer lieblosen DVD-Auswertung der deutschen Kinofassung erschien der Film restauriert und ungekürzt als Mediabook*, und jetzt, zwei weitere Jahre später, folgt eine preiswertere Alternative: Am 11. August 2025 bekommt „Boccaccio 70“ eine Blu-ray-Neuauflage!
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Die leichtfüßig-bissige Komödie über Liebe und Lust ist in der ungeschnittenen, internationalen Fassung enthalten, die über zweieinhalb Stunden dauert. Im Bonusmaterial befindet sich aber auch eine außerhalb Italiens lange Zeit unveröffentlichte Episode. Ihr könnt am heimischen Bildschirm daher mit wenigen Tastendrücken die internationale Uncut-Fassung zur italienischen Komplettfassung mit rund 200 Minuten Laufzeit ausbauen.
„Boccaccio 70“: Liebe, Sünde und Vergnügen
„Boccaccio 70“ erzählt von Moral und Laster im Italien der 1960er, lose inspiriert vom italienischen Dichter Giovanni Boccaccio und seinen spitzzüngigen Gesellschaftskommentaren. In Federico Fellinis Episode „Die Versuchung“ geht es um den konservativen Dr. Antonio (Peppino De Filippo), der über den (vermeintlichen?) Moralverfall in Rom wettert. Als vor seiner Haustür ein überdimensionales, laszives Werbeplakat mit dem schwedischen Sexsymbol Anita Ekberg platziert wird, verliert er glatt den Verstand…
In Luchino Viscontis Episode „Der Job“ geht es derweil um Graf Ottavio (Tomás Milián), der dabei abgelichtet wurde, wie er mit Callgirls abhängt. Als wäre der Presseskandal nicht schon schlimm genug, sperrt ihm sein empörter Schwiegervater als Reaktion darauf sämtliche Konten. Ottavios Frau Pupe (Romy Schneider) hat eine ungewöhnliche Lösung…
Regisseur Vittorio De Sica erzählt in „Der Hauptgewinn“ hingegen von einer vibrierenden Kleinstadt, deren Gassen dank Viehmarkt, Rummel und kirchlichen Prozessionen stets gefüllt sind. Doch als Zoe (Sophia Loren) beschließt, eine Nacht mit sich zu verlosen, verliert die männliche Bevölkerung des Ortes völlig ihren Kopf! Und dann ist da noch die Episode, die einst für einen kleinen Regieprotest sorgte:
Der Verleih beschloss, den von Mario Monicelli inszenierten Akt exklusiv auf dem italienischen Markt zu zeigen. Aus Solidarität mit ihrem Kollegen blieben Fellini, Visconti und De Sica den Filmfestspielen von Cannes fern, auf denen „Boccaccio 70“ vorgestellt wurde. In Monicellis Episode geht es um Renzo (Germano Gilioli) und Luciana (Marisa Solinas), die in einer Fabrik arbeiten. Obwohl die Chefs Beziehungen innerhalb der Firma verbieten, verlieben sie sich ineinander und heiraten heimlich im engsten Familienkreis. Als ein Vorgesetzter ein Auge auf Luciana wirft und sie rüde bedrängt, droht die unschuldige Lüge aufzufliegen…
Der Filmtitel war übrigens neckisch gemeint: „Boccaccio 70“ entstand bereits 1962, jedoch scherzten die Verantwortlichen, dass ihr Film es garantiert erst 1970 durch die italienische Zensur schaffen würde. Davon, dass ihr Film in Deutschland die interessantere Reise durchmachen wird, konnten sie keine Ahnung haben!
Und wenn ihr nach dieser italienischen Zensur-Provokation Lust auf ein aktuelles, erotisches Filmvergnügen habt, lacht euch vielleicht dieser Heimkino-Tipp an:
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Dies ist eine aktualisierte Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels.