Wer die verlängerte Virchowstraße in Gohlis hinauf wandert, stößt genau an der Stelle, an der seit Monaten eine Baustelle die Durchfahrt verhindert, auf einen mächtigen Findling. Ein Findling, der hier nicht zufällig liegt. Er trägt eine Metallplatte, die den Wanderer stutzen lässt. Nicht unbedingt, weil der Bürgerverein Eutritzsch hier seinen langjährigen Vorsitzenden Wolfgang Grundmann (1937–2004) gewürdigt hat. Sondern weil der Stein auf einen Wanderweg verweist, den nicht wirklich viele kennen.
Wandern in und um Leipzig. Das ist eine alte Geschichte. Zuweilen gab es Bemühungen, die Wanderlandschaft rund um die Stadt wieder mit Leben zu erfüllen und auszuschildern. Aber der einzige Wanderweg, der durchs Stadtgebiet einigermaßen nachvollziehbar ist, das ist der Jakobsweg.
Auf der Tafel aber steht nun: „Zur Erinnerung an Wolfgang Grundmann (1937–2004), Initiator des Rietzschke-Wanderwegs. Der Bürger Verein Eutritzsch e.V., 2006“. Auch das ist jetzt schon wieder ein Weilchen her. Die Suche nach einem Hinweisschild für diesen Rietzschke-Wanderweg war erst einmal vergeblich. Vielleicht finden wir ja noch eins, wenn wir den Wanderweg einmal in Gänze erkunden.
Weiter nach Norden!
Ganz vergessen ist er nicht. Stimmt. Er tauchte jüngst erst unter den Vorschlägen für den Bürgerhaushalt 2025/2026 auf. Ein Herr Artmann oder eine Frau Artmann beantragte, den existierenden Wanderweg nach Norden zu verlängern. Mit guten Argumenten: „Die Fortführung des RRW (Rietzschke Rad- und Wanderweg, Anm. d. Red.) würden das Angebot zur Naherholung steigern. Es existieren übergeordnete Planungen, welche für eine Fortführung sprechen. Dazu gehört u.a. der Regionalplan der Planungsregion Westsachsen 2008, Flächennutzungsplan der Stadt Leipzig und das INSEK.“
Dazu zeichnete Herr/Frau Artmann den bestehenden Verlauf des Rietzschke-Wanderwegs in die Karte der Stadt Leipzig ein und ergänzte ihn um eine mögliche Fortsetzung nach Norden.
Der bestehende Rietzschke-Wanderweg und seine mögliche Fortsetzung nach Norden. Karte: Stadt Leipzig. Zeichnung: Artmann
„Die Fläche des Feldwegs befindet sich in Fachliegenschaft des Verkehr- und Tiefbauamtes. Der Vorschlag einer diagonal angelegten Radverbindung über den Feldweg von Breitenfeld nach Wiederitzsch macht Sinn, auch weil damit eine umwegarme und autofreie Verbindung zwischen dem Güterverkehrszentrum und Eutritzsch/Mockau ermöglicht würde. Diese Wegeverbindung wäre eine Stärkung der bislang vernachlässigten tangentialen Radverbindungen in den außenliegenden Stadtbezirken.“
Der Wanderweg verläuft hinterm Gelände des Krankenhauses St. Georg weiter zur Südtangente. Und dort könnte er eigentlich, unterm Viadukt hindurch, auf Wiederitzscher Flur weitergeführt werden. Zwischen dem Wiederitzscher Viadukt und dem Krankenhaus St. Georg wurde das Gebiet der Nördlichen Rietzschke schon 1991 zum geschützten Biotop erklärt.
Dass Herr oder Frau Artmann weniger ans Wandern dachten, sondern eher ans Radfahren, zeigt die Zuweisung des Bürgervorschlags: „Die Maßnahme wird in den Radverkehrsentwicklungsplan 2030plus aufgenommen.“
Eine Straße für Grundmann
270 Leipziger/-innen, die sich an der Bewertung der Bürgervorschläge beteiligten, fanden das gut, 103 nicht. Was dann irgendwie den 85. Rang in der Bewertung aller Bürgervorschläge ergab, also eine Umsetzung eher unwahrscheinlich macht.
Es sei denn, das Mobilitäts- und Tiefbauamt greift die Idee auf und arbeitet sie tatsächlich in den Radverkehrsentwicklungsplan ein – als Vorschlag für eine vom Hauptstraßenverkehr unabhängige Radroute in den Leipziger Norden. Wenn es keine aufwendigen Anpassungsmaßnahmen braucht, reichen dann möglicherweise ein paar Schilder, die die Route in das Leipziger Radnetz einordnen.
Der große Findling ist übrigens nicht die einzige Ehrung für Wolfgang Grundmann. 2017 bekam er in Eutritzsch auch eine eigene Straße, die Grundmannstraße.
Und auf der Website der Stadt wird Wolfgang Grundmann auch entsprechend gewürdigt: „Wolfgang Grundmann: geb. 07.12.1937 in Leipzig, gest. 07.02.2004 in Leipzig; Ingenieur für Maschinenbau und Fördertechnik, Stadthistoriker, beschäftigte sich seit seiner Jugend mit der Leipziger Stadtgeschichte und der Erhaltung gefährdeter Baudenkmäler, dazu verfasste er mehrere Publikationen. In unmittelbarer Nähe befinden sich der Rad- und Wanderweg ‚Nördliche Rietzschke‘ für dessen Schaffung er sich aktiv einsetzte, und sein Wohnort.“
Bleibt jetzt also nur noch die Suche nach Schildern, die den Wanderweg ausweisen. Und ihn einfach mal in voller Länge zu erwandern. Vielleicht nach einem etwas größeren Regen. Denn da das Einzugsgebiet der Nördlichen Rietzsche in großen Teilen verbaut und zerschnitten ist, fällt der Bach immer wieder sehr schnell trocken, sodass ihn Passanten oft gar nicht als Bach wahrnehmen.
Am Arthur-Bretschneider-Park verschwindet die Nördliche Rietzschke sowieso völlig in der Kanalisation und nur noch einige Straßenverläufe und der Name der Kanalstraße in Gohlis erinnern daran, dass die Nördliche Rietzschke einst bis in die Pleiße floss. Damals, als der Name auch noch bezeichnete, was die Rietzschke tatsächlich war: ein richtiger Bach. Sorbisch: rěčka. Und wenn es mal wieder richtig geregnet hat, sieht sie sogar wieder aus wie ein richtiger Bach.