Ukraine, Awdijiwka: Ukrainische Soldaten der 71. Jägerbrigade feuern eine Haubitze M101 auf russische Stellungen an der Frontlinie.

Russland führt seit mehr als drei Jahren einen erbitterten Angriffskrieg gegen die Ukraine. Die lehnt jegliche Gebietsabtretungen strikt ab.

Quelle: dpa

Welche Kritik gibt es an solchen Plänen, und was würden sie konkret für die Menschen in den betroffenen Regionen und die Wirtschaft bedeuten? Und welche rechtlichen Hürden gibt es für so einen Schritt? ZDFheute mit Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Welche Kritik gibt es an Plänen für einen Gebietsverzicht?

Viele Experten, Völkerrechtler und führende Politiker lehnen Gebietsabtretungen der Ukraine an Russland ab. Die Argumentation: Frieden auf Kosten eines Landverzichts würde Russlands Aggression belohnen und möglicherweise seinen Machtfantasien erst Vorschub leisten, statt dauerhaften Frieden zu sichern.AussenministertreffenVor dem Gipfel von Trump und Putin in Alaska fordert die EU Mitsprache bei Friedensverhandlungen zur Ukraine. 11.08.2025 | 0:50 minDie US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) erklärt in einer aktuellen Analyse, ein Rückzug der Ukraine aus Donezk würde bedeuten, eine ihrer wichtigsten Hauptverteidigungslinien aufzugeben, „ohne jede Garantie, dass die Kämpfe nicht wieder aufgenommen werden“. Denn Putin könnte sich nur zum Schein auf ein solches Abkommen einlassen und später erneut angreifen.

Wir halten weiterhin an dem Grundsatz fest, dass internationale Grenzen nicht mit Gewalt verändert werden dürfen.

Gemeinsame Erklärung europäischer Staats- und Regierungschefs

Der frühere deutsche Botschafter in Moskau, Rüdiger von Fritsch, sagte im Deutschlandfunk, eine Gebietsabtretung sei eine fatale Aufgabe der bestehenden Regeln des Völkerrechts.reisnerTrump und Putin treffen sich am Freitag im US-Bundesstaat Alaska, um über den Ukraine-Krieg zu beraten. „Die USA haben kein großes Interesse daran, sich in den Krieg hineinziehen zu lassen“, so Sicherheitsexperte Oberst Markus Reisner.11.08.2025 | 5:14 minAuch der Botschafter der Ukraine in Deutschland, Oleksii Makeiev, trat solchen Überlegungen entschieden entgegen: Im Interview mit dem heute journal erinnerte er daran, dass die Ukraine bereits 2014 und 2015 die Krim und Teile des Donbass „faktisch den Russen überlassen“ habe, „auch auf Bitte von unseren Partnern“. Käme es zum zweiten Mal zu einer Gebietsabtretung, dann würde eine solche Forderung auch ein drittes Mal kommen. Zugleich mahnte Makeiev:

Es geht nicht um Gebiete. Es geht auch um Menschen.

Oleksii Makeiev, Botschafter der Ukraine in Deutschland

Millionen von Ukrainerinnen und Ukrainern lebten heute unter russischer Besatzung, es komme immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen.

Sievers mit MakeievDie Ukraine könne es sich nicht leisten, Putin Gebiete zu überlassen, so der ukrainische Botschafter Makeiev. Es dürfe nicht über die Köpfe der Ukrainer hinweg verhandelt werden.10.08.2025 | 6:03 min

Welche Konsequenzen hätte ein solcher Schritt für die Menschen in der Ostukraine?

Die Folgen möglicher Gebietsabtretungen lassen sich in den von Russland besetzen Gebieten bereits seit Jahren beobachten: Die nichtrussische Bevölkerung dort wird seit Jahren systematisch entrechtet und unterdrückt.

Ein aktueller Bericht des Generalsekretariats des Europarats listet die dokumentierten Menschenrechtsverletzungen auf: Die Meinungsfreiheit werde eingeschränkt, es komme zu willkürlichen Festnahmen und Folter in Haft, unabhängige Medien und zivilgesellschaftliche Organisationen würden unterdrückt.Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellte in einem Urteil von 2024 fest, dass Russland auf der Krim seit 2014 systematisch gegen Menschenrechte verstößt. In einem Bericht für das Jahr 2024 von Amnesty International heißt es unter anderem, russische Besatzungsbehörden würden eine konsequente „Russifizierung“ erzwingen: Wer keinen russischen Pass annimmt, gelte offiziell als Ausländer und verliere sämtliche staatlichen Leistungen, schreiben die Autoren.Lara Wiedeking in BrüsselIm US-Fernsehen sagt Nato-Generalsekretär Rutte, dass Gespräche über die von Russland kontrollierten Gebiete der Ukraine unvermeidbar wären. Lara Wiedeking berichtet aus Brüssel.11.08.2025 | 0:58 min

Welche wirtschaftlichen Folgen würden der Ukraine drohen?

Ökonomen rechnen mit schweren Einbußen, denn das industrielle Herz der Ukraine liegt im Osten: Dort stehen unter anderem große Stahl- und Chemiefabriken sowie Kohle- und Erzbergwerke. Auch die Energieversorgung ist betroffen: Vor dem Krieg lieferte etwa das Atomkraftwerk Saporischschja rund ein Fünftel des ukrainischen Stroms.

Nach Angaben der Bundeszentrale für politische Bildung entfielen vor dem Krieg gut 22 Prozent der ukrainischen Industrieproduktion auf den Donbass. Fachleute nennen die Gebiete eine „unersetzliche Basis für den industriellen und wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes nach dem Krieg“.NATO-Generalsekretär Mark Rutte spricht während einer Pressekonferenz über die Ankündigung von Präsident Donald Trump, dass die NATO-Verbündeten den Kauf von Patriot-Raketenabwehrsystemen und anderen Waffen für die Ukraine finanzieren werden, im Kapitol in Washington, D.C., am 15.07.2025. Heute schalten sich die Außenminister der Europäischen Union zu einer Sondersitzung zusammen. In der Videoschalte soll es um den Gipfel von US-Präsident Trump mit seinem russischen Amtskollegen Putin Ende der Woche in Alaska gehen.11.08.2025 | 1:59 min

Welche rechtlichen Hürden gäbe es für Gebietsabtretungen?

Rutte betonte, in territorialen Fragen sei es wichtig, zwischen einer „de facto“ und einer „de jure“ Anerkennung zu unterscheiden. Eine mögliche Einigung könne etwa festhalten, dass Russland faktisch bestimmte Gebiete kontrolliere, ohne dass das rechtlich akzeptiert würde. Als Beispiel verwies er auf die jahrzehntelange Haltung des Westens zur sowjetischen Besetzung der baltischen Staaten.

Rein rechtliche wäre eine Abtretung von ukrainischem Staatsgebiet an Russland schwierig: Präsident Selenskyj kann nicht einfach einen Gebietsverzicht beschließen. In der ukrainischen Verfassung sind alle Staatsgebiete – einschließlich der Krim – aufgezählt.

Alle territorialen Fragen würden also eine Änderung der Verfassung erfordern. Diese ist in Kriegszeiten allerdings nicht zulässig und verlangt zudem eine Zweidrittelmehrheit im Parlament, der Obersten Rada. Außerdem muss das Verfassungsgericht zustimmen.

Auch eine internationale Anerkennung der Krim und anderer ukrainischer Gebiete als russisches Territorium, wie sie Moskau fordert, gilt als ausgeschlossen.

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Quelle: mit Material von dpa