Sie ging auf ihren einzigen Enkel zu. „Guck mich wenigstens mal an“, bat die 76-Jährige. Ein schwerer Gang für sie, die immer da war für ihn. Doch Maximilian G. rührte sich nicht. Stur starrte er auf den Boden. Nicht einmal einen Blick hatte er für seine Oma, die ihm als Nebenklägerin im Gerichtssaal gegenübersitzt. Er soll sie in ihrer Wohnung in Marzahn mit einem Küchenmesser angegriffen und lebensgefährlich verletzt haben. Weil ihm das Essen nicht geschmeckt habe, so die Staatsanwaltschaft.
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Der 29-Jährige wurde am Montag aus dem Krankenhaus des Maßregelvollzugs zum Prozess wegen versuchten Totschlags am Berliner Landgericht vorgeführt. Der Mann mit kahlgeschorenem Kopf ist gelernter Bauwerksabdichter. Zuletzt allerdings war er arbeitslos. Er lebte bis zu seiner Festnahme in einer Einrichtung zur Vermeidung von Obdachlosigkeit. Zu seiner Großmutter hatte er ein sehr gutes Verhältnis, heißt es. „Sie war sein Anker in Krisenzeiten“, sagte sein Verteidiger.
Maximilian G. kam vom Jobcenter, als er am 6. Januar seine Oma besuchte. Ein gemeinsames Mittagessen war geplant. Schnitzel brutzelten in der Pfanne, dazu sollte es Pommes Frites geben. Plötzlich kam er vom Balkon, ging laut Ermittlungen wortlos zum Besteckfach. Mit einem Küchenmesser habe er auf die Frau eingestochen. Bis die 17 Zentimeter lange Klinge im Bauch der schwer verletzten Seniorin steckenblieb. „Ich habe mich tot gestellt“, sagte die 76-Jährige später bei der Polizei.
Anruf: „Ich muss einen Mord gestehen“
Die Großmutter konnte ihn täuschen. Er rief die Polizei an, nannte einen falschen Namen und teilte mit: „Guten Tag, ich muss einen Mord gestehen.“ Schnell waren Einsatzkräfte vor Ort. Der Enkel kam den Polizeibeamten im Treppenhaus entgegen – „voller Blut“, sagte ein Zeuge. Damals habe er zu seiner Tat kurz erklärt, seine Omas habe „schlecht Essen gekocht“. Die Frau konnte durch eine Notoperation gerettet werden.
Die Staatsanwaltschaft strebt eine unbefristete Unterbringung von G. in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Der Mann leide an einer erheblichen Erkrankung und habe sich in einem „psychischen Ausnahmezustand“ befunden, heißt es in der Antragsschrift.
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Das Motiv sei „absolut unklar“, sagte der Verteidiger am Rande. Mit dem Essen jedenfalls habe es nichts zu tun. Möglicherweise sei etwas schiefgelaufen beim Jobcenter. Für die Großmutter sei der Angriff nicht absehbar gewesen. „Sie würde es gern verstehen.“ Doch G. schweigt bislang. Der Prozess geht Mittwoch weiter.