Die Schule im Park ist im Zuge der Sanierung für den Ganztagsbetrieb umgebaut worden. Foto: Markus Brändli
Zwei Schulen in Ostfildern werden ab 2026 Ganztagsschulen. Das Modell will die Stadt weiter ausbauen.
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf möglich zu machen, ist den Kommunalpolitikern in Ostfildern wichtig. Doch bei der Ganztagsbetreuung hat die Stadt mit 40 000 Einwohnern im Vergleich zu anderen Kommunen Nachholbedarf. Nun beschloss der Gemeinderat, zwei Schulen bis zum Schuljahr 2027/28 zu Ganztagsschulen weiterzuentwickeln.
Dabei geht es um die Pfingstweideschule in Kemnat und die Schule im Park im Scharnhauser Park. Mit der bildungspolitischen Grundsatzentscheidung reagiert die Stadt auf den bundesweiten Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ab 2026. „Der Bedarf wächst“, sagte Oberbürgermeister Christof Bolay in der Sitzung des Gemeinderats im Stadthaus. Schon heute seien in Ostfildern viele Kinder in ergänzenden Angeboten angemeldet. An der Pfingstweideschule liegt die Betreuungsquote bei knapp 60 Prozent, an der Schule im Park bei mehr als 78 Prozent – Tendenz steigend. Um dem Bedarf gerecht zu werden und „Bildungsgerechtigkeit sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ zu fördern, sollen nun zwei weitere Schulen Ganztagsschulen werden. Perspektivisch strebt die Stadt eine verbindliche Ganztagsschule mit jeweils acht Stunden an drei Tagen an.
Verlässlichkeit bei Ganztagsschulen „spielentscheidend“
„An beiden Schulen wurde viel Geld für die Modernisierung in die Hand genommen“, sagt OB Bolay. Die Erweiterung und Sanierung der Pfingstweideschule in Kemnat läuft. Bei diesen Investitionen habe man eine künftige Ganztagsbetreuung im Blick gehabt. Verlässlichkeit ist dabei für Bolay „der spielentscheidende Faktor“.
Um den Bedarf zu ermitteln, haben die Planer die Eltern in den Stadtteilen Kemnat und Scharnhauser Park befragt. „Viele Familien wünschen sich ein verlässliches, qualitativ hochwertiges und pädagogisch durchdachtes Angebot“, fasst Tanja Eisbrenner, die Ergebnisse zusammen. In Kemnat soll die Ganztagsschule in Wahlform eingeführt werden, wenn der Umbau 2027 fertig ist – das heißt, Familien können zwischen Halbtags- und Ganztagsschule wählen. Auch an der Schule im Park wird ein pädagogisches Konzept gemeinsam mit dem Team des Kinderhorts entwickelt.
Grundschule Ruit als Vorreiter bei Ganztagsschulen
Dass die Stadt den Weg für die Ganztagsbetreuung ebnet, kam bei den Kommunalpolitikern gut an. „Mit der heutigen Grundsatzentscheidung legt der Gemeinderat den Grundstein für die Etablierung von Ganztagsschulen in diesen Orten“, sagte Petra Hönschel-Gehrung (Freie Wähler). Die Grundschule Ruit hat hier nach den Worten der Fraktionschefin eine Vorreiterrolle eingenommen. „Die Anmeldezahlen sprechen dafür, den nächsten Schritt in Richtung einer verbindlichen Ganztagsschule zu gehen.“
Die Pfingstweideschule in Kemnat wird zur Ganztagsschule umgebaut. Foto: Horst Rudel
Für einen flexiblen Weg sprach sich Jennifer Molner (CDU) aus. Die Familien müssten weiter die Wahl haben. Dennoch sieht sie die Vorteile des Modells: „Ein wichtiger Punkt zur Gleichstellung der Kinder ist die kostenfreie Ganztagsbetreuung, was den Kindern wertvolle Zugänge zu pädagogisch wertvollen Inhalten sowie auch zu Sport- und Musikangeboten bietet.“
Für Oliver Werner-Blum bedeutet das Modell „Chancengleichheit“. So könnten alle Kinder am Bildungsangebot teilhaben. „Eltern profitieren von einem vielfältigen Angebot an Projekten und entlasten die Eltern in der Nachmittagsbetreuung und durch die in den Unterricht integrierten Hausaufgaben.“ Diese Vorteile greifen für Werner-Blum gerade in der verbindlichen Variante. Die Grünen befürworten das Modell der Stadt, eine verbindliche Ganztagsbetreuung an drei Tagen anzubieten. „So haben Familien an zwei Tagen die Möglichkeit, den familiären Nachmittag frei zu gestalten.“ Kritisch sieht der Stadtrat, dass in Nellingen zunächst nur die Erich-Kästner-Schule in eine Ganztagsschule umgewandelt werden soll: „Bei Zwei-Zügigkeit ist das Angebot so limitiert, dass es nur für die Hälfte der im größten Stadtteil wohnenden Grundschulkindern zur Verfügung stehen würde.“
Mehr Chancengleichheit in der Bildung
Auf die guten Erfahrungen mit der Ganztagsschule in der Parksiedlung und in Ruit verwies Stefanie Sekler-Dengler (SPD). „Inzwischen besuchen hier immer weniger Kinder die klassische Halbtagsschule.“ Für sie ist der Weg zu dem Modell nicht allein wegen der Chancengleichheit in der Bildung unverzichtbar. „So lässt sich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf umsetzen.“ Die drei Kinder von Joachim Werner (FDP) besuchen die Ganztagsschule in Ruit. Er habe „sehr gute Erfahrungen gemacht“. „Dass die Kinder an dieser Schule ein solches Angebot erhalten, ist in der heutigen Zeit ein großes Privileg.“
Ganztagsbetreuung in Ostfildern
Rechtsanspruch
Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung betrifft alle Kinder, die ab dem Schuljahr 2026/2027 in die erste Klasse eintreten. Bis 2029/2030 haben alle Klassenstufen der Grundschule einen Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung an fünf Werktagen im Umfang von acht Stunden. Außerdem gilt eine maximale Ferienzeit von 20 Schließtagen. 2029/2030 werden in Baden-Württemberg 453 900 Kinder anspruchsberechtigt sein. Ob und in welchem Umfang der Rechtsanspruch wahrgenommen wird, entscheiden die Eltern. Es besteht keine Pflicht, das Angebot wahrzunehmen.
Betreuung in Ostfildern
In der Stadt gibt es sieben Grundschulen. An allen macht die Stadt ergänzende Angebote. Die Schulkindbetreuung der Lindenschule ist in Trägerschaft der Kinder- und Jugendförderung (Kreisjugendring Esslingen). An allen fünf Werktagen werden Bildung und Betreuung von 7 bis 17 Uhr angeboten. 2025 sind 1524 Schüler und Schülerinnen in den Grundschulen. Davon nutzen 769 Kinder die Bildungs- und Betreuungsangebote der Stadt.