Mindestens zehn Menschen sind seit 1990 in Leipzig und im Umland durch rechte Gewalt ums Leben gekommen. Außerdem gibt es mehrere Verdachtsfälle. Bislang waren es vor allem Initiativen aus der Zivilgesellschaft, die an die getöteten Menschen erinnerten. Nun sollen sich aber auch Schüler*innen intensiv mit dem Thema beschäftigen.
Obwohl es in Deutschland nur wenige Städte gibt, in denen nach 1990 aus rechten Motiven mehr Menschen getötet wurden als in Leipzig, spielte das Thema im öffentlichen Gedenken kaum eine Rolle. Das änderte sich erst ab 2010, als sich der „Initiativkreis Antirassismus“ gründete, zu vergangenen Fällen recherchierte und immer wieder Demonstrationen organisierte.
Nicht nur Rassismus ist Tatmotiv
Ergebnis der Recherche: In Leipzig und Umgebung wurden seit der Wiedervereinigung mindestens zehn Menschen umgebracht, weil sie migrantisch, homosexuell oder obdachlos waren. Das bislang letzte bekannte Opfer war André Kleinau, der im Mai 2011 in Oschatz von fünf Jugendlichen zusammengeschlagen wurde, während er in einem Wartehäuschen schlief. Ein Jahr zuvor hatten Neonazis vor dem Leipziger Hauptbahnhof den 19-jährigen Kamal Kilade erstochen.
André Kleinau und Kamal Kilade sind Namen, mit denen die meisten Schüler*innen in Leipzig wohl noch nichts anfangen können. Doch das soll sich im kommenden Schuljahr ändern. Das Projekt „Unsichtbare Narben“ soll an die Opfer rechter Gewalt erinnern und später teilweise in die städtische Erinnerungskultur einfließen.
Lebensgeschichten recherchieren
„Die Schülerinnen und Schüler recherchieren zu den Lebensgeschichten der betroffenen Menschen, setzen sich mit den Hintergründen und Motiven der Taten auseinander und entwickeln eigene Formen des Gedenkens“, heißt es einer Mitteilung der Stadtverwaltung. „Im Zentrum steht die Frage, wie ein würdiges Erinnern heute aussehen und was aus diesen Geschichten für die Gegenwart gelernt werden kann.“
In welcher Form sich interessierte Schulen und Schüler*innen an dem Projekt beteiligen, wird nicht vorgegeben. Das könnte beispielsweise in Form von Projekttagen oder -wochen geschehen. Ausgangspunkt ist ein Beschluss im Stadtrat im Juni 2020. Damals hatte die Ratsversammlung auf Antrag der Linksfraktion dafür gestimmt, dass die Stadt in verschiedenen Formen für ein würdiges Gedenken sorgen soll.
Bemerkenswert: In ihrer Mitteilung spricht die Stadt von „mindestens zehn“ Todesopfern rechter Gewalt. Sie schließt sich damit der Zählung von Zivilgesellschaft und Journalist*innen an, denn die Bundesrepublik hat von diesen zehn Menschen offiziell bislang nur vier als Opfer rechter Gewalt anerkannt.