Der Versammlungsleiter hat die Neonazi-Demonstration am Berliner Ostkreuz am Sonnabend nach rund vier Stunden aufgelöst. Die Rechtsextremen kamen kaum vom Fleck. Nach Angaben der Polizei hatten sich in der Spitze 860 Menschen versammelt. Doch der Marsch, dessen Route quer durch das linksalternative Friedrichshain führen sollte, wurde von Gegendemonstranten aufgehalten.
Mehrere Gegendemonstrationen wurden im Vorfeld angemeldet. Zu diesen insgesamt 15 Versammlungen kamen im Verlauf des Tages laut Polizei Teilnehmende im „unteren bis mittleren vierstelligen Bereich“. Im Bereich vor dem Technoclub „About Blank“ und dem Ostkreuz hatten sich später rund 2000 Gegendemonstranten versammelt.
Aus Polizeikreisen erfuhr der Tagesspiegel, dass die Neonazis aus Sicherheitsgründen die geplante Route nicht laufen konnten. Dazu gebe es zu viele Gegendemonstranten, hieß es.
Gegen 16 Uhr versuchten die Rechtsextremen, mit eingehakten Armen die Polizeikette in Richtung Ostkreuz zu stürmen. Auch der Demo-Organisator Ferhat Sentürk bewegte sich gemeinsam mit anderen Demonstranten auf die Beamten zu. Wenig später entfernte die Polizei Absperrgitter, die Rechtsextremen konnten einige Meter laufen. Kurz darauf wurden die Demonstranten erneut gestoppt, sie protestierten lautstark. Die Polizei drohte damit, die Demo aufzulösen, und führte mehrere Teilnehmer ab.
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Nach Angaben der Polizei kam es auf dem Nazi-Protest sowie den Gegendemonstrationen zu insgesamt zu 90 Festnahmen, 57 Strafanzeigen und 33 Ordnungswidrigkeiten, unter anderem wegen besonders schweren Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung, Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen, tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, Sachbeschädigung und Beleidigung. Von den Anzeigen und Ordnungswidrigkeiten waren nach derzeitigem Stand 41 rechtsmotiviert und 31 linksmotiviert.
An der Warschauer Straße, Ecke Stralauer Straße sollen um kurz nach 15 Uhr mehrere Personen der rechten und linken Szene aneinandergeraten sein. Vier Personen aus dem Bereich der rechten Szene erlitten dabei Verletzungen, die Täter flohen. Insgesamt wurden laut der Polizei 19 der rund 1600 anwesenden Einsatzkräfte verletzt.
Der rechtsextreme Aufmarsch wollte vom Ostkreuz über die Stralauer Allee, Warschauer Straße und Frankfurter Allee bis in den östlichen Teil der Rigaer Straße ziehen. Vor Beginn der Demonstration sagte Polizeisprecher Nath dem Tagesspiegel, dass noch unklar sei, ob die Neonazis ihre geplante Route über den Markgrafendamm laufen können. „Wir warten noch ab und haben verschiedene Optionen“, sagte er.
Die Neonazi-Truppe „Chemnitz Revolte“ aus Sachsen wird bei ihrer Ankunft am Ostkreuz sofort von der Polizei in Empfang genommen. Beamte kontrollieren Transparente und Taschen der als gewalttätig geltenden Gruppe.
© Dominik Lenze
Schon um 11.30 Uhr sammelten sich erste Neonazis am S-Bahnhof Ostkreuz, Ausgang Hauptstraße. Demo-Organisator Ferhat Sentürk, ehemaliger Aachener AfD-Kommunalpolitiker, behauptete im Vorfeld, ihm sei ein „bürgerliches“ Auftreten der Demo-Teilnehmer wichtig. Die Rechten, die am Ostkreuz auf ihre Kameraden warteten, trugen Bomberjacke und Szenekleidung, ein junger Mann trug ein Shirt der Neonazi-Band Landser.
Reichsflaggen und Palästina-Flaggen
Wenig später kam auch Sentürk am Ostkreuz an. Begleitet wurde er von dem jungen Rechtsextremen Jannik Giese, der eine Palästina-Flagge und Kufiya trug. Viele Teilnehmer der Neonazi-Demo waren auffällig jung, oft im Teenageralter. Viele von ihnen hatten Deutschland- oder schwarz-weiß-rote Reichsflaggen dabei.
Am Technoclub About Blank wurde kurz vor Beginn der rechtsextremen Demonstration eine Spontan-Gegenkundgebung angemeldet. Von hier aus sollte die Neonazi-Kundgebung mit Musik beschallt werden. Hier waren unter anderem Aktivisten des „Zentrum für politische Schönheit“ mit ihrem „Adenauer Bus“ präsent.
Anreisende Neonazis mussten am Ostkreuz durch ein Spalier aus Gegendemonstranten. Die Polizei hatte den südlichen Teil des Bahnhofs Ostkreuz weiträumig abgesperrt. Auch aus der S-Bahn wurden Leute nicht mehr zu den südlichen Ausgängen gelassen.
Zum Auftakt der Neonazi-Demo trat unter anderem Hannes Ostendorf, Sänger der szenebekannten Hooligan-Band „Kategorie C“, auf. Organisator Sentürk begrüßte ihn kurz zuvor herzlich und nannte die Ordner für die Demo die „persönliche Security“ für Ostendorf.
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Dann betrat Neonazi-Barde Ostendorf unter großem Applaus den beflaggten Kfz-Anhänger. Er spielte zwei bei Hooligans beliebte Songs über Gewalt und Fußball – das Publikum sang lautstark mit.
Nach Ostendorfs Auftritt wurde Musik vom Band abgespielt. Darunter auch das „Teufelslied“, ursprünglich ein Marsch der Waffen-SS, allerdings nicht verboten. Klassische Neonazi-Sprüche wie der alte NPD-Slogan „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen“ wurden ebenso von den wartenden Neonazis skandiert.
Nachdem der NS-Marsch abgespielt wurde, fragte Sentürk gut gelaunt: „Seid ihr gut drauf?“, und die versammelten Neonazis antworten: „Ja!“.
Grünen-Politiker Mirzaie stellt Sentürk in Gespräch
Gegen 13.45 Uhr verließen diverse Teilnehmende die Neonazi-Demo „freiwillig“, weil sie Stahlkappenschuhe trugen und von ihrer eigenen Demo „nicht erwünscht“ waren, sagt eine Polizistin vor Ort. Parallel wurden regelmäßig Neonazis von der Polizei abgeführt, die gegen das Vermummungsverbot verstoßen haben.
Der Berliner Grünen-Abgeordnete Ario Mirzaie stellte Demo-Anmelder Sentürk wenig später in einem Gespräch. „Sentürk muss klar sein, wenn er mit seinen Neonazis hier hinkommt, dass wir ihm widersprechen“, sagte Mirzaie dem Tagesspiegel.
Gegen 16 Uhr schien Anmelder Sentürk die Geduld zu verlieren, weil der Zug noch immer nicht vorankam. „Es ist euer Recht, wenn ihr sagt einhaken und go, dann Go“, sagte Sentürk, der frustriert war, dass seine Demo nicht loslaufen durfte. Es folgten Sprechchöre: „Widerstand“.
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Gegen 16.20 Uhr setzten sich die Neonazis nach Öffnung einiger Polizeibarrikaden in Bewegung, begleitet von Marschmusik. Doch nach wenigen Metern stoppte die Polizei die Demonstranten erneut. „Da, wo sie jetzt stehen, ist das Ende ihrer Versammlung“, wurde durchgesagt. Das wollten die Rechten sich nicht bieten lassen. Der Aktivist Jannik Giese lief mit Megaphon die Reihe entlang und brüllte: „Einhaken“.
Die Stimmung blieb angespannt, bis der Versammlungsleiter die Demonstration gegen 17 Uhr schließlich auflöste. Daraufhin machten sich die Neonazis auf den Weg zum Bahnhof Ostkreuz, um ihre Rückreise anzutreten.
Berliner Polizei sicherte Demos mit Hunderten Kräften
Die Polizei war am Samstag mit rund 1500 Kräften im Einsatz, um diverse Demos im Stadtgebiet zu schützen, wie eine Sprecherin sagte. Beamte aus Bayern und Bremen unterstützen demnach die Berliner Polizei.
Polizeisprecher Florian Nath betonte im Vorfeld in einem Video auf der Plattform X: „Wir schützen niemals die inhaltlichen Themen der Versammlung, sondern nur den Anlass der Versammlung selbst, die Versammlungsfreiheit.“ Zugleich forderte er die Teilnehmer auf: „Bitte bleiben Sie friedlich.“
Rechtsextreme Gruppen mobilisieren bundesweit für Neonazi-Aufmarsch
Demo-Organisator Ferhat Sentürk war bereits für Proteste im Dezember in Friedrichshain und im Februar in Mitte verantwortlich. Diverse rechtsextreme Gruppen aus verschiedenen Teilen Deutschlands mobilisierten für die Demonstration unter dem Titel „Für Recht und Ordnung. Gegen Linksextremismus und politisch motivierte Gewalt“. Der Veranstalter erwartete 1200 Teilnehmende.
Mehr zur rechtsextremen Szene in Berlin Rechte Gewalt im Berliner Osten Vermummte Neonazis sollen 16-Jährigen durch die Straßen gejagt haben Gewalt von Neonazis in Berlin Der Hass aus dem Netz drängt auf die Straße Opfer schildert Neonazi-Attacke in Berlin-Lichterfelde „Er lag am Boden, die Männer schlugen weiter auf ihn ein“
Vor einem Monat beteiligten sich etwa 150 Neonazis an dem Aufzug. Im Dezember waren es nach Polizeiangaben um die 60 Teilnehmer. Bei beiden Terminen versuchten viele linke Gruppen die Demonstrationen zu blockieren. Es kam zu Rangeleien mit der Polizei, die Stimmung war aggressiv. (mit dpa)