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Diplomatisches Chaos: Witkoffs Moskau-Mission führt zu Verwirrung. Widersprüchliche Berichte nach Gespräch mit Putin verunsichern Verbündete.
Washington, D.C. – Steve Witkoff kommt viel in der Welt herum. Ob im Nahen Osten oder in der Ukraine: Der Sonderbeauftragte von US-Präsident Donald Trump soll in den aktuellen Krisenherden für Frieden sorgen. Seinen letzten großen Auftritt hatte Witkoff am 6. August in Moskau. Bereits zum fünften Mal traf er dort mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zusammen.
Hinterher schien es so, als wäre Witkoff ein echter Coup geglückt. Alles sollte plötzlich ganz schnell gehen: Trump schrieb auf der Plattform Truth Social, Witkoff habe ein „äußert produktives“ Treffen mit Putin gehabt. „Große Fortschritte wurden gemacht.“ Er selbst habe danach einige der europäischen Verbündeten informiert. Alle seien sich einig, dass der Ukraine-Krieg beendet werden müsse und man werde „in den nächsten Tagen und Wochen“ darauf hinarbeiten.
Donald Trumps Kabinett: Liste voller skandalöser ÜberraschungenFotostrecke ansehenWitkoff auf Moskau-Mission: Trump trifft sich in Alaska mit Putin zum Ukraine-Gipfel
Kurz danach war klar, wie es weitergehen würde: Trump wird sich am Freitag (15. August) mit Putin zu einem Gipfel im US-Bundesstaat Alaska treffen. Es wird das erste persönliche Treffen eines amtierenden US-Präsidenten mit Putin seit dem Sommer 2021 sein. Damals traf Trumps Vorgänger Joe Biden den Kremlchef wenige Monate in Genf. Im Februar 2022 begann Russland dann auf Geheiß Putins seinen zerstörerischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Seit Trumps Rückkehr ins Weiße Haus hatten die beiden Staatschefs mehrmals miteinander telefoniert, sich jedoch nicht persönlich gesehen. Zuletzt waren sie während Trumps erster Amtszeit im Juni 2019 am Rande des G20-Gipfels in Japan zusammengetroffen. Putin war zuletzt im Jahr 2015 in den USA.
US-Präsident Donald Trump (links) bei der Vereidigung des Chefberaters und Sondergesandten Steve Witkoff (rechts) im Oval Office. © IMAGO/White House
/ ZUMA Press WireWitkoff zu Besuch bei Putin: Ein Treffen, drei Versionen
Einen Haken hat die Sache aber: Was hat Putin eigentlich in seinem Gespräch mit Witkoff konkret gefordert? Und hat Trumps Sonderbeauftragter auch verstanden, was der russische Präsident ihm mitgeteilt hatte? Leicht sind diese Fragen nicht zu beantworten. Fest steht nur, dass Witkoffs Moskau-Mission seit Tagen für ziemlich viel Verwirrung sorgt – vor allem bei der Ukraine und ihren westlichen Verbündeten.
Das liegt an den widersprüchlichen Aussagen über die Ergebnisse der Gespräche. Diese sind dem Wall Street Journal bisher offenbar auf drei unterschiedliche Arten kommuniziert worden. Version Nummer eins: In einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und anderen europäischen Staats- und Regierungschefs deutete Trump am Mittwoch zunächst einen möglichen Gebietstausch an. Russland sei bereit, sich aus den Regionen Cherson und Saporischschja zurückzuziehen, sofern die Ukraine im Gegenzug den von ihr kontrollierten Teil der Region Donezk abtrete, so Trump.
Am Donnerstag korrigierte Witkoff diese Aussage und präsentierte Version Nummer zwei: Russland werde „sich zurückziehen und die Front einfrieren“, sagte er in einem Gespräch mit den Topberatern der europäischen Regierungschefs. Dies sorgte für Europa so viel Verwirrung, dass ein weiteres Telefonat am Freitag nötig wurde. Dabei präsentierte Witkoff dann Version Nummer drei: Nun sprach er von einem einzigen Angebot aus Moskau – eine Waffenruhe im Austausch für einen einseitigen Rückzug der Ukrainer aus Donezk.
Am 6. August traf Trumps Sondergesandter Steve Witkoff in Moskau mit Kreml-Chef Wladimir Putin zusammen. © Gavriil Grigorov/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpaWitkoff-Mission in Moskau zum Ukraine-Krieg sorgt in Europa für Verwirrung
Die Reaktion der Ukraine und ihrer Verbündeten aus Europa war eindeutig: Internationale Grenzen dürften nicht gewaltsam verändert werden, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung von Deutschland, Frankreich, Italien, Polen, Großbritannien, Finnland und der EU-Kommission. In Kiew, Berlin und Brüssel wird befürchtet, dass Trump und Putin bei ihrem Alaska-Gipfel auf Gebietsabtritte der Ukraine an die russischen Besatzer hinwirken könnten.
Selenskyj lehnte Gebietsabtretungen an Russland kategorisch ab und forderte vehement, in Verhandlungen über die Zukunft der Ukraine einbezogen zu werden. Zwar ist das ukrainische Volk nach dreieinhalb Jahren mit pausenlosen russischen Angriffen kriegsmüde. Eine Abtretung von Gebieten würde aber schwere innenpolitische Verwerfungen hervorrufen – und auch eine Verfassungsänderung erfordern.
Natürlich ist er inkompetent.
Witkoffs Moskau-Mission zum Ukraine-Krieg ruft Hohn und Spott hervor
Es sieht so aus, als hätte Witkoff die Forderungen aus Russland missverstanden oder zumindest falsch interpretiert. Die widersprüchlichen Aussagen sorgten jedenfalls für Hohn, Spott und Kritik. Zuerst zu nennen ist hier Michael McFaul: Der ehemalige US-Botschafter in Russland bezeichnete das Vorgehen als „schädliche Inkompetenz“ und empfahl Witkoff, künftig einen Protokollführer aus der amerikanischen Botschaft zu den Gesprächen mitzunehmen. „So funktioniert professionelle Diplomatie.“
Auch andere Beobachter zeigten sich entsetzt. „Der US-Gesandte ist völlig inkompetent und seine Verwirrung führt zu diplomatischen Krisen“, schrieb zum Beispiel der Journalist Michael Weiss. Der frühere Schachweltmeister Garri Kasparow, der heute als politischer Aktivist gegen die Putin-Regierung kämpft, sah Witkoffs einzige Qualifikation darin, „Trumps persönliche Interessen und Wünsche ohne zu zögern über die nationalen Interessen Amerikas“ zu stellen. „Natürlich ist er inkompetent.“
Das Weiße Haus ließ eine Anfrage von Ippen.Media zu diesem Thema bisher unbeantwortet.
Zur Person: Steve Witkoff
Steve Witkoff: Trumps Mann für „Frieden“ auf Ukraine-Mission in Moskau
Witkoff ist Trumps Mann für die internationale Diplomatie. Die Zeitschrift The Atlantic nennt ihn den „eigentlichen Außenminister“ und den „Spezialbeauftragten für mehr oder weniger alles“. Der Immobilienunternehmer selbst nennt sich „Sonderbeauftragter des Präsidenten für Friedensmissionen“. Sein Einfluss ist so groß, dass von Trumps Ukraine-Beauftragtem Keith Kellogg kaum noch die Rede ist.
Es scheint aber mehr als fraglich, ob Witkoff wirklich die beste Person ist, um die USA auf der Weltbühne diplomatisch zu vertreten. Außenpolitische Erfahrungen hatte er jedenfalls nicht, als Trump ihn zum Sonderbeauftragten ernannte. Witkoff stammt wie Trump aus New York und machte sein Vermögen mit Immobilien – zunächst als Firmenanwalt, dann als Chef großer Unternehmen. 1997 gründete er die Witkoff-Gruppe.
Seit fast 40 Jahren ist er mit Trump befreundet. Witkoff lernte Trump 1986 nach eigener Schilderung bei einer Zufallsbegegnung in einem Feinkostladen kennen. Er habe Trump ein Schinken-Käse-Sandwich bestellt, weil dieser kein Geld dabei gehabt habe, erzählte Witkoff. Im vergangenen Jahr unterstützte der Immobilienunternehmer Trumps Wahlkampagne. Der US-Präsident ernannte ihn bereits vor seinem Amtsantritt im Januar zum Nahost-Gesandten, später wurde Witkoff zum „Friedensbeauftragten“. (cs)