Aix-en-Provence ohne Paul Cézanne? Geht gar nicht. Sein Name findet sich in Straßennamen, an Hauswänden und auf den Speisekarten der beliebten Kultur- und Studentenstadt. In einigen Lokalen finden sich „Stillleben auf dem Teller“: kunstvoll arrangierte Früchte, Gemüse und Käse – wie in seinen Bildern.

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Der Künstler malte langsam – und korrigierte seine Bilder immer wieder neu.

©Gabriele Kuhn

Hundert Meisterwerke

Wer tiefer blickt, entdeckt jedoch mehr als Touristenrummel. Allem voran eine Landschaft, die das Sehen lehrt. Und die Geschichte eines Mannes, der die Kunst neu dachte, indem er sie verlangsamte. Cézanne war kein flinker Skizzenzeichner. Fünfzehn bis zwanzig Minuten dauerte es manchmal von Pinselstrich zu Pinselstrich. Immer wieder überdachte er sein Werk.

2025 ist das große Cézanne-Jahr: Aix-en-Provence feiert seinen berühmtesten Sohn mit einer umfangreichen Ausstellung im Musée Granet. Unter dem Titel „Cézanne au Jas de Bouffan“ werden noch bis zum 12. Oktober rund hundert Meisterwerke gezeigt, darunter etwa neunzig Gemälde von Cézanne und mehrere Leihgaben von großen Museen.

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Der Landsitz „Jas de Bouffan“, in dem Cézanne mit seiner Familie lebte, wurde renoviert.

©Gabriele Kuhn

Zugleich öffnet das frisch restaurierte Familienanwesen Jas de Bouffan seine Tore: Ein Ort, der für Paul Cézanne weit mehr war als nur ein Zuhause. Dort erprobte er sich als junger Mann in Farbe, Form und Fantasie. In das Landhaus zog seine Familie im Jahr 1859, es lag damals noch vor den Toren der Stadt, samt riesigem Garten und Schwimmbecken, das immer noch besteht. Da der Duft von Zypressen, dort das Plätschern des Wassers, mächtige Kastanienbäume, die Geräuschkulisse der Natur. Und: das legendäre Licht der Provence. Sowie überall: satter Lavendel. Ein Ort, an dem die Zeit bedächtiger dahinfließt.

Spurensuche

Cézanne sollte, so wie Herr Papa, ins Bankwesen gehen. Der frühere Hutmacher hielt von der Malerei wenig, erlaubte seinem Sohn dennoch, den Grand Salon im Erdgeschoß als Atelier zu nutzen. Paul bemalte dort die Innenmauern, während der Renovierungsarbeiten entdeckte man Spuren einer bisher unbekannten Wandmalerei. Wer heute durch Aix spaziert, folgt unweigerlich den Spuren des berühmten Künstlers. Die Stadt ist ein lebendiger Ort, in dem Cézanne organisch mitläuft: durch die schattigen Gassen der Altstadt, vorbei an plätschernden Brunnen, an bunten Märkten, über sonnenwarmes Kopfsteinpflaster. Bronzefarbene Markierungen auf dem Boden weisen auf den offiziellen Cézanne-Rundgang hin. Der „Cours Mirabeau“ ist das pulsierende Wohnzimmer von Aix: mit Kaffeehäusern, Brunnen, Stadtpalais und viel provenzalischem Flair. Auch Cézanne spazierte hier als junger Mann, bevor er sich vom städtischen Trubel abwandte.

Steinbruch und Steilküste

Weiter draußen finden sich, mitten in Pinienwäldern, die klaren Linien des Bibémus-Steinbruchs, aus dessen Steinen Teile der Stadt errichtet wurden. Cézanne liebte diesen Ort. Zwischen den Felsen entwickelte er seine Bildsprache weiter. Heute führen Shuttlebusse in das geschützte Gebiet, das zauberhafte Ausblicke bietet. Und, im besten Fall Stille, inmitten wilder Natur und warmer Farben. Was den Künstler von anderen unterschied, war sein Umgang mit Licht. Inspiriert von den Impressionisten, vor allem durch seine Aufenthalte in L’Estaque, ein malerischer Stadtteil von Marseille, direkt an der Küste gelegen. Das Mittelmeer, das Flirren der Sonne prägten ihn.

Anreise Direktflug Wien– Marseille. Von dort mit einem Shuttle, Auto oder Zug nach Aix-en-Provence (ca. 40 Min.) Co2-Kompensation via atmosfair.de: 29 €

Sehenswert Im ehemaligen unterirdischen Steinbruch Carrières de Lumières bei  Les-Baux-de-Provence werden 14 Meter hohe Wände als animierte Kunstkulisse genutzt. carrieres-lumieres.com/en

Übernachten – Aquabella Hôtel & Spa, Aix-en-Provence mit Pool,   DZ ca. 250 €. aquabella.fr/en
– Besonders charmant: Hotel Gounod, Saint‑Rémy‑de‑Provence, mit Pool, DZ ab 170 €, hotel-gounod.com 

Formen und Farben

Paul Cézanne baute sich schließlich ein Atelier in Les Lauves, einem Stadtteil im Norden von Aix-en-Provence. Ab 1902 arbeitete er hier täglich im lichtdurchfluteten Raum mit Blick aus dem Nordfenster auf die Montagne Sainte-Victoire. Jenen markanten Berg, den er in zahlreichen Gemälden verewigte.

Besucher erleben hier heute noch Atmosphärisches. Da liegt er, sein Hut, da liegt sie, die Malbluse. 1906 starb Cézanne an den Folgen einer Lungenentzündung, die er sich beim Malen unter freiem Himmel zugezogen hatte. Zu Lebzeiten nicht anerkannt, lehrt er Menschen heute noch, zu schauen. Nicht zu scannen, nicht zu liken, nicht zu eilen. Sondern still zu werden, um die Welt in Formen, Linien und Farben zu übersetzen. Die Provence ist nicht nur eine Landschaft, sondern ein Seinszustand. Genau darin liegt ihr besonderer Reiz. In diesem Sinne führt die Reise weiter nach St-Rémy-de-Provence.

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Saint-Paul-de-Mausole, wo Van Gogh ein Jahr verbrachte.

©Gabriele Kuhn

Van Goghs Geist

In der ehemaligen Klosterpsychiatrie Saint-Paul-de-Mausole wandelt man auf den Spuren eines weiteren „Großen“. Vincent van Gogh fand hier nach seinem psychischen Zusammenbruch Zuflucht. Er war freiwillig gekommen, nach dem Vorfall mit dem Ohr. Seine „Irises“, die „Sternennacht“ und viele andere Werke entstanden hier. Heute ist der Ort weiterhin eine psychiatrische Einrichtung sowie Museum und Gedenkstätte. Im malerischen Garten atmet man immer noch Vincents Geist. Die Stadt Arles, das Tor zur Camargue, ist ebenso Teil seiner Geschichte. Dort malte er seine berühmtesten Werke – die Sonnenblumen, das gelbe Haus, das nächtliche Café – und hoffte vergeblich auf eine Künstlergemeinschaft. Heute lockt die Stadt mit antiker Architektur, verwinkelten Gassen und dem Vermächtnis eines weiteren weltberühmten Künstlers.