Obwohl auf dem Kandidatentreffen nur ein Kandidat für das Ruhrparlament der neu gegründeten Wählerinitiative AUF-Ruhr (antifaschistisch-unabhängig-fortschrittlich), Steffen Reichelt, anwesend war, entwickelte sich eine lange Debatte mit dem Publikum auf der gut besuchten Kundgebung.
Ein aktuelles Problem in Bochum ist der Verkauf von Mietswohnungen der Wohnungsgesellschaft Vonovia der Siedlung Am Röderschacht. Vonovia hatte an einen privaten Investor verkauft, der nichts anderes vorhat, mit der Umwandlung der Häuser in Eigentumswohnungen und über deren Verkauf Profit zu schlagen. Die Mieter waren ihm völlig egal – entweder kaufen oder hohe Mietsteigerungen in Kauf zu nehmen. Wer beides ablehnte, dem wurden – wahrscheinlich rechtswidrig – die Gärten gesperrt und diese Mieter waren noch anderen Schikanen ausgesetzt. Erfreulicheweise kamern mehrere Mieter der Siedlung Am Röderschacht zum Kandidatentreffen der Bochumer Montagsdemo.
Die Stadtgestalter sagten kurzfristig ab, da bei ihnen durch Krankheit und Urlaub niemand kommen konnte. Der Kandidat der CDU Dr. Bracke, zugleich Oberbürgermeisterkandidat, blieb der Kundgebung ohne Absage fern, obwohl er durch Email an einen Moderator der Montagsdemo sein Kommen zugesagt hatte. Darüber waren die Montagsdemonstranten empört, besonderns die Mieter der Siedlung Am Röderschacht, die mit dem CDU-Politiker diskutieren wollten.
Unabhängig davon entwickelte sich eine rege Diskussion, nachdem der Bochumer Kandidat der neuen AUF-Ruhr zum Ruhrparlament die Ziele dieser Wählerinitiative nannte. „Der Strukturwandel im Ruhrgebiet ist gescheitert, Tausende von Arbeitsplätzen sind durch die Schließung aller Zechen und auch den Arbeitsplatzabbau in der Stahl- und Automobilindustrie verloren gegangen, ausreichende Ersatzarbeitsplätze gibt es nicht. Dadurch ist auch die Wohnungsnot gestiegen, denn viele der ehemaligen Bergarbeiterwohnungen wurden an Wohnungskonzerne wie Vonovia oder Vivawest oder an Privatleute verkauft. Nach Modernisierung stiegen die Mietern rasant, so dass sich die oft jahrelangen Mieter dieser Wohnungen die neue Miete nicht mehr bezahlen konnten und sich um eine andere Wohnung bemühen müssten – fast aussichtlos bei den kaum noch bezahlbaren Wohnungen – selbst für Normalverdiener. AUF-Ruhr will sich für die Rechte der Mieter einsetzen und unterstützt sich bildende Mieterinitiativen“. Weiterhin fuhr der Kandidat fort: „AUF-Ruhr kämpft mit den Belegschaften der Stahl- und auch anderer Branchen um den Erhalt der Arbeitsplätze. Ein besonderer Schwerpunkt sind die Umwelt und die Altlasten des ehemaligen Bergbaus wie die Einlagerung von Giftmüll in alte Bergwerkschächte und die Flutung der Schächte. Hier fordern wir die Beseitigung dieser Altlasten auf Kosten der RAG. Wir sind auch gegen den Personalabbau in Kitas oder Krankenhäusern oder von Lehrkräften an Schulen. Wir suchen einen weiten Zusammenschluss mit anderen Initiativen zur Bekämpfung dieser Probleme, die von den herrschenden Konzernen verursacht worden sind. Wir freuen uns zwar, wenn wir Sitze im Stadtparlament erringen könnten, sind uns gleichzeitig aber auch klar, dass die grundsätzlichen systembedingten Probleme auch nicht durch ein Ruhrparlament gelöst werden können. Hier müssen sich alle Betroffenen zusammenschließen und dürfen sich nicht spalten lassen“.
Eine Rednerin empörte sich: „Von Wahl zu Wahl versprechen die Politiker das Blaue vom Himmel, nach der Wahl ändert sich nichts! Bereits die alte Bundesregierung hat für jedes Kind einen Kitaplatz versprochen – Fehlanzeige! Die Wirklichkeit ist, dass Mütter Schwierigkeiten haben ihr Kind überhaupt in einer solchen Einrichtung unterzubringen! Alles ist Lug und Betrug! Statt in die Kommunen zu investieren, gibt die Bundesregierung Milliarden für die Rüstung aus!“
Eine andere Rednerin monierte auch die langen Bearbeitungszeiten nach einem Antrag auf Wohngeld. „Ich habe vor ca. einem halben Jahr einen Antrag gestellt und immer noch keinen Bescheid vom zuständigen Sozialamt bekommen. Ich überlege, eine Untätigkeitsklage gegen die Stadt Bochum zu erheben“.
Berechtigt wurde auch die Hetze gegen die Asylbewerber scharf kritisiert. Wenn eine Partei wie die AfD fordert, die Asylbewerberleistungen zu kürzen und diese Menschen so ansieht, als wollten sie nur Sozialleistungen in Deutschland erlangen, Bezahlkarten für Flüchtlinge einzuführen und die Abschiebung weiter erleichtern will, ist dagegen massiver Widerstand angesagt.
Eine ältere Frau äußerte sich am offenen Mikrofon: „Ich bin gegen Leute, die nicht arbeiten wollen. Jeder findet, wenn er will, auch eine Arbeit, sei es z.B. das Vorlesen von Geschichten für Heimbewohner. Ich habe in meinem Leben noch nie Geld von anderen gebraucht.“ Die sehr christlich orientierte Frau sprach auch die Nächstenliebe an und dass jemand, der nimmt auch geben muss.
Der Kandidat von AUF-Ruhr antwortete: „Auch wir sind nicht dafür, dass jemand nur fordert und nichts zurückgeben will. Doch viele Menschen haben eine gute Ausbildung und finden trotzdem keine Arbeit. Die Nächstenliebe ist ein gutes Argument. Viele Menschen brauchen zunächst in akuten Situationen schnelle Hilfe, dafür setzen wir uns ein. Mieter brauchen z.B. schnelle Hilfe, wenn es um Kündigung ihrer Wohnung geht. Aber genauso wichtig ist die kollektive Zusammenarbeit. AUF-Ruhr hat sich durch einen Zusammenschluss von mehreren örtlichen AUF-Gruppen gebildet, wo es in einigen Städten des Ruhrgebiets eine Zusammenarbeit mit Mieterinitiativen gibt“.
Einer der Moderatoren kritisierte die Forderung der örtlichen CDU, den Nahverkehr zu ideologisieren. „Allein schon der Begriff ist irreführend, denn jede Personengruppe hat ihre eigene Ideologie. Die CDU meint damit, dass dem individuellem Verkehr der Vorrang einzuräumen ist. Anstatt den ÖPNV weiter auszubauen, setzt die CDU weiterhin auf das Auto und meint, Bochum hat schon zu viele Radwege!“
In diesem Zusammenhang wurde auch die fortschreitende Umweltkastastrophe angesprochen, die bereits auch in Deutschland zu spüren ist. „Querdenker, die AfD und Trump in den USA leugnen dies und wollen aus Profitgründen den weiteren Einsatz von fossilen Energien und die Atomkraft“, hieß es in einer Wortmeldung.
Der Appell der Bochumer Montagdemo war, nicht auf die Demagogie von faschistoiden Parteien und Organisationen hereinzufallen und dass sich alle Unterdrückten und Ausgebeuteten zusammenschließen.
Zum Abschluss der Kundgebung wies einer der Moderatoren auf eine bündnisweite Montagsdemo zum Antikriegstag am 1.9.25 hin.
Ulrich Achenbach
Moderator