Mit Härte versucht Präsident Trump, Kultureinrichtungen in den USA nach seinen Wünschen umzukrempeln. Für den Intendanten der Metropolitan Opera, Gelb, ist Neutralität keine Option. Von Europa fordert er mehr Verantwortung.
Von Von Julia Schölzel, BR
Bayreuth, Salzburg, Luzern: Der Sommer in Europa ist Hochsaison für Klassikfestivals. Der 71-jährige Met-Intendant Peter Gelb nutzt diese Wochen für eine Reise quer durch den Kontinent. Der Chef der renommierten Metropolitan Opera in New York hat dabei eine wichtige Botschaft im Gepäck: Neutralität ist keine Option.
„Es ist die problematischste Zeit in der Geschichte“, sagt Gelb, seit 20 Jahren Intendant der Metropolitan Opera, im Gespräch mit dem BR. Angesichts des Erstarkens rechtsgerichteter autokratischer Bewegungen warnt er: „Kulturschaffende im heutigen Europa müssen begreifen, dass das Leben, so wie sie es kennen und wie ihr Publikum es kennt, gefährdet ist.“
Peter Gelb ist seit 20 Jahren Intendant der Metropolitan Opera. Seine Kollegen in Europa warnt er vor den Folgen rechtsgerichteter autokratischer Bewegungen.
Trump taufte das Kennedy Center um
Ein drastisches Szenario spielt sich derzeit in den USA ab. Präsident Donald Trump verspricht „ein goldenes Zeitalter von Kunst und Kultur“. Zugleich will er alles eliminieren, was er als „woke“ bezeichnet. Kurz nach seinem Amtsantritt verkündete er: „Wir haben das Kennedy Center übernommen. Uns gefiel nicht, was sie dort zeigen.“
Das John F. Kennedy Center for the Performing Arts ist das größte Kulturzentrum Washingtons, mit über 2.000 Aufführungen und mehr als zwei Millionen Besucherinnen und Besuchern pro Jahr. Bis dahin hatte kein US-Präsident direkten Einfluss auf das Programm genommen.
Trump entließ die demokratischen Mitglieder des Aufsichtsrats und ließ sich selbst zum Vorsitzenden wählen. Ende Juli kündigte er zudem eine Namensänderung an: Das Opernhaus des Kennedy Centers soll künftig First Lady Melania Trump Opera House heißen.
Donald und Melania Trump im Kennedy Center Washington D.C. Der US-Präsident ließ sich selbst zum Vorsitzenden des Kulturzentrums wählen.
Gelb hofft auf neue Finanzierungsquellen
Eine Übernahme durch die Trump-Administration befürchtet Peter Gelb für die Met nicht. Anders als das Kennedy Center ist sie privat finanziert. Neben Ticketverkäufen stützt sich das Opernhaus vor allem auf Spenden. Dennoch sieht Gelb Risiken: Das Opernhaus hat jährliche Ausgaben von über 300 Millionen US-Dollar.
Der Rückgang des internationalen USA-Tourismus drückt auf die Ticketverkäufe, die Spendenbereitschaft ist unberechenbar geworden. Die wirtschaftliche Lage ist instabiler als vor Trumps zweiter Amtszeit. Der schwankende Aktienmarkt verunsichert selbst wohlhabende US-Amerikaner.
Gleichzeitig sieht Gelb Vorteile in der Unabhängigkeit: „Es gibt Unterstützer der Demokratie und der Freiheit, die wissen, dass Kultur in einer demokratischen, zivilisierten Welt eine Rolle spielen muss. Insofern könnten sich neue Finanzierungsquellen auftun.“
Außenansicht der Metropolitan-Opera in New York. Neben Ticketverkäufen stützt sich das Opernhaus vor allem auf Spenden.
Met-Chef will sich nicht gängeln lassen
Met-Chef Gelb hat für eines der ältesten Opernhäuser der USA einen Weg gefunden, weiter auf Diversität zu setzen, obwohl die Trump-Regierung ein Ende der Programme verhängt hat. „Es hindert die Met nicht daran, auf Basis von Gleichheit und Fairness einzustellen. Wir verwenden einfach das Wort Diversität nicht mehr. Es ändert nichts an dem, was wir tun.“
Die Debatten der letzten Jahre, etwa rund um „Black Lives Matter“ und „Social Change“, haben auch bei den über 3.000 Mitarbeitenden der Met zu einem Bewusstseinswandel geführt. Dazu gehörte in der Saison 2021/22 auch die Aufführung der Oper „Fire Shut Up in My Bones“ von Terence Blanchard – dem ersten schwarzen Komponisten, der an der Met engagiert und gefeiert wurde.
Dass gerade bei aller Experimentierfreude und Lust auf Neues weiterhin der Anspruch besteht, künstlerische Exzellenz auf Weltklasseniveau zu bieten, betont Gelb: „Das wird sich unter dieser Regierung oder irgendeiner anderen Regierung nicht ändern.“
Eine Probe der Oper Probe „Fire Shut Up in My Bones“ in der Metropolitan Opera. Komponist ist Terence Blanchard – dem ersten schwarzen Komponisten, der an der Met engagiert und gefeiert wurde.
Mozart, Puccini und Verdi als Vorbilder
Angesichts der Entwicklungen in den USA fordert Gelb auch von Europa mehr Verantwortung – politisch, wie kulturell. Der Aufgabe eines Opernhauses misst er hohe Bedeutung zu: „Wenn Kultur das Fundament einer demokratischen Gesellschaft ist, müssen wir das in unserem Alltag vertreten und sichtbar machen.“
Opernkomponisten wie Wolfgang Amadeus Mozart, Giacomo Puccini und Giuseppe Verdi setzten sich in ihren Werken mit den drängenden Fragen ihrer Zeit auseinander. In Ludwig van Beethovens „Fidelio“ geht es um den Protest gegen Tyrannei, in Puccinis „Tosca“ um Faschismus. Diese Tradition will Gelb lebendig halten und fortführen.
Zum Saisonauftakt bringt die Met deshalb Ende September die Oper „The Amazing Adventures Kavalier & Clay“ des zeitgenössischen US-Komponisten Mason Bates auf die Bühne: Die Handlung beginnt im von den Nazis besetzten Prag und führt nach Amerika. Für Gelb, der sein Haus auch für ein jüngeres Publikum öffnen möchte, ist das ein hochaktueller Stoff: „Wir sehen uns erneut autokratischer Herrschaft gegenüber, von der die Welt dachte, sie würde sie nicht wiedersehen.“
Auftrittsverbot für Netrebko in der Met
Auch zu Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine im Februar 2022 bezog Gelb klar Stellung. Er beendete die Kooperation mit dem Moskauer Bolschoi-Theater und ließ die ukrainische Nationalhymne im Saal spielen. Er unterstützte die Gründung des Ukrainian Freedom Orchestras – und lässt die russische Sopranistin Anna Netrebko bis heute nicht auftreten, da sie sich nicht von Putins Krieg distanziert hat. Netrebko hat die Met deshalb wegen Diskriminierung verklagt.
Demnächst wird ein Auftragswerk der Met die Gräuel des Krieges thematisieren: „The Mothers of Kherson“. „30.000 ukrainische Kinder werden immer noch vermisst, sie wurden von den Russen gestohlen“, sagt Gelb. „Diese Oper handelt von zwei mutigen Müttern, die sich auf die Suche machen, ihre Kinder zu retten.“
Der gebürtige New Yorker Peter Gelb baut darauf, dass seine Botschaften gehört werden – vom Publikum, wie von den Kolleginnen und Kollegen in Europa. „Der Unterschied zwischen Politik und Kultur ist geringer als je zuvor. Wir müssen alle zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die kulturelle Freiheit unserer Länder geschützt ist.“