Kiel. Manchmal zählt die Länge, manchmal das Gewicht – je nachdem, wo Michael Schramm seine Rute auswirft. Der 35-Jährige ist mehrfacher Deutscher Meister und Europameister. Zudem wurde er im Tandem sowie mit der Mannschaft Dritter bei der Weltmeisterschaft im Brandungsangeln auf Sardinien.
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Die Angelrute steht in einem Dreibein an der Wasserkante. „Man wirft sie so weit wie möglich raus und stellt sie wieder ab“, erklärt Schramm. Nach zehn bis 15 Minuten wiederholt sich das Prozedere. Denn beim Brandungsangeln verwendet man Naturköder wie Garnelen, Makrelen oder Sardinen, die dann von Fischen weggefressen werden.
Strategie und Instinkt: Erfolgsfaktoren beim Angeln
Wenn Michael Schramm seine Angel auswirft, kommt er bis zu 180 Meter weit. „Aber man muss nicht unbedingt weit werfen, das ist nicht immer von Vorteil“, sagt er. Im Atlantik oder in der Nordsee sind die Fische auch vorne in den tieferen Rinnen.“
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Richtig trainieren kann man das Brandungsangeln nicht. Die Mischung aus Erfahrung, Instinkt, Strategie, Taktik und Fischwissen macht’s. „Ich muss mich mit den Fischarten auskennen, wie sie sich ernähren, wann sie aktiv sind und wie sie sich bewegen.“ Entsprechend passt Schramm den Köder, die Größe des Angelhakens, die Stärke der Schnur und die Wurfweite an. Außerdem sollte man das Gewässer kennen. Wo brechen die Wellen? Wo befindet sich eine Sandbank oder ein Riff? „Man muss das Meer lesen können.“
Bei der Deutschen Meisterschaft zählt die Gesamtlänge aller gefangenen Fische. Bei internationalen Wettkämpfen wie der EM oder der WM ist dagegen das Gewicht aller gefangenen Fische ausschlaggebend. Allerdings lautet die Regel dort „Catch and Release“, also Fangen und Freilassen. Hinter jedem Angler steht ein Ordner, der den Fang registriert, bevor der Fisch wieder ins Wasser gesetzt wird.
Ich muss mich mit den Fischarten auskennen, wie sie sich ernähren, wann sie aktiv sind und wie sie sich bewegen.
Michael Schramm, Europameister im Brandungsangeln
In der Regel wird fünf Tage lang jeweils vier Stunden lang geangelt. Kennt er ein Gewässer nicht, verbringt er dort vor einem Wettkampf erst einmal Zeit. Bei internationalen Meisterschaften ist das Team deshalb schon zwei Wochen vor Ort. „Dann wird nur geangelt.“
Die zahlreichen Pokale, die er inzwischen erfischt hat, stehen in einem eigenen Raum. Dort hängt auch eine Urkunde des ehemaligen Gouverneurs von North Carolina, Roy Cooper, für einen besonderen Fang, den Roten Trommler (Red Drum). In Amerika bekomme der Sport viel mehr Aufmerksamkeit. „Das Publikum klatscht und feuert einen an.“
„Ute im Bikini“in Kiel: Angelprofi steht hinterm Herd
In diesem Jahr musste Michael Schramm allerdings etwas kürzertreten. Priorität haben derzeit sein Strandbistro „Ute im Bikini“ am Falckensteiner Strand, das er im September 2024 übernommen hat und sein von dort aus betriebenes Buttje Catering.
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Momentan gibt er nur Kurse für den Fischereischein, den er als Prüfer auch abnehmen kann. Anfängern rät er „sich nicht verrückt machen zu lassen und nicht auf alles zu hören, was auf Facebook und Instagram steht“. Wichtig sei, Zeit am Wasser zu verbringen, um Erfahrungen zu sammeln. Eine Rute reiche erstmal. Er selbst hat mehr als 60. „Viel zu viele“, wie er findet.
Wo gibt es in der Region Kiel gute Voraussetzungen zum Brandungsangeln?
Gute Voraussetzungen zum Brandungsangeln findet Schramm in Heidkate, Brasilien, Kalifornien und Schönberg – „an Ständen ohne Steine, mit einem sandigen Grund“. Dort gibt es aber nur noch Plattfische wie Butt oder Flunder. „In Deutschland ist es tatsächlich etwas langweilig geworden“, meint Schramm. Im Mittelmeer oder Atlantik zieht er rund 50 verschiedene Fischarten aus dem Wasser. Deshalb finden die Deutschen Meisterschaften auch meist in Dänemark statt.
Schramm wächst in einer angel-affinen Umgebung auf. Vater, Opas und Onkel – alle sind begeisterte Fischfänger. Der zweijährige Michael kann kaum stehen, da hält er schon eine Angel in der Hand. Denn Opa hat eine eigene Forellenzucht. „Wenn er Bestellungen hatte, durfte ich angeln.“
Später fährt er mit seinem besten Freund kilometerweit mit dem Rad auf der Suche nach den besten Fanggründen. Ob Postsee, Lanker See, Kirchsee oder Schwentine, ob Barsch, Hecht oder Zander – „wir haben alles geangelt, was Flossen hatte. Ich war mehr unterwegs als zu Hause.“ Sein Antrieb: Die Natur und etwas mit nach Hause nehmen, das man essen kann.
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Natürlich nimmt er die Fische selbst aus, filetiert sie und bereitet sie auch zu. „Ich habe als Kind schon gekocht.“ Da wundert es nicht, dass Schramm gelernter Koch ist. Unter anderem hat er im Kieler Yacht Club und im Kieler Kaufmann gearbeitet.
Die Meeresforelle ist sein heimischer Lieblingsfisch. Ansonsten steht er auf Wolfsbarsch: „geiles Fett, toller Geschmack!“. Sein Lieblingsgericht, die Bouillabaisse, möchte er demnächst auch anderen schmackhaft machen. Zum Herbst hin will er die Fischsuppe einmal im Monat bei „Ute im Bikini“ effektvoll auf dem Ofyr-Grill zubereiten.
Momentan kommt Schramms Angelleidenschaft viel zu kurz. „Sonst habe ich jeden Tag geangelt.“ Wenn er sich jetzt mal zwei Tage freischaufeln kann, geht’s nach Dänemark. Das letzte Mal vor zwei Wochen. Dann wird schon mal um 7 Uhr morgens Makrele oder Wolfsbarsch zum Frühstück gegrillt.
2026 will er aber wieder voll angreifen. Die Leidenschaft fürs Meer hat er im Übrigen schon an die nächste Generation weitergegeben: Erst kürzlich hatte sein zweijähriger Sohn einen Hornhecht an der Angel.
KN