Die Wikimedia-Stiftung ist mit einer Beschwerde gegen Teile des britischen Online Safety Act vor dem High Court in London gescheitert. Das Gesetz sieht strengere Vorschriften für Betreiber von sozialen Netzwerken vor und soll insbesondere Kinder und Jugendliche besser vor Übergriffen im Internet schützen.
Die Online-Enzyklopädie befürchtet, dass sie unter die strengste Einstufung – Kategorie 1 – fallen könnte. Diese gilt bislang vor allem für große Social-Media-Plattformen wie Facebook oder Instagram und bringt weitreichende Pflichten mit sich, darunter die Verifizierung der Nutzeridentität und zusätzliche Berichtspflichten gegenüber der Regulierungsbehörde Ofcom. Wikimedia warnt, dass dies die Privatsphäre und Sicherheit ehrenamtlicher Autoren gefährden würde.
Internetgesetz in Großbritannien: Opposition warnt vor Ende der Meinungsfreiheit
Die Stiftung argumentiert, die Regeln seien zu weit gefasst und fehlerhaft, sodass sie auch auf Wikipedia angewendet würden, obwohl das Projekt im Gegensatz zu kommerziellen Plattformen keine Gewinnerzielungsabsicht verfolge und deutlich anders funktioniere. Um eine Einstufung als Kategorie-1-Dienst zu vermeiden, müsste Wikipedia entweder den Zugang für britische Nutzer massiv einschränken oder zentrale Funktionen deaktivieren.
Kritiker des Online Safety Act bemängeln, dass das Gesetz erhebliche Risiken für Meinungsfreiheit und Datenschutz birgt. Menschenrechtsorganisationen warnen vor übermäßiger Regulierung, die auch harmlose oder gesellschaftlich wertvolle Inhalte betreffen könnte. Die Opposition im Vereinigten Königreich sieht mit dem neuen Internetgesetz das Ende der Demokratie.
Zudem sehen Organisationen wie Index on Censorship und die Open Rights Group die Gefahr, dass kleinere oder gemeinnützige Plattformen durch die hohen Compliance-Anforderungen faktisch vom Markt gedrängt werden, während große Konzerne wie Meta oder X leichter in der Lage sind, die Anforderungen zu erfüllen. Außerdem befürchten die netzpolitischen NGOs, dass die weit gefassten Bestimmungen zum „Overblocking“ führen könnten – also zur Löschung legaler, aber unbequemer Inhalte – und dass verpflichtende Alters- und Identitätsprüfungen die Anonymität im Netz aushöhlen werden.
Die sozialdemokratische Regierung in London entgegnet, man habe eine mögliche Ausnahme für Wikipedia geprüft, diese jedoch wieder verworfen. Das Gericht folgte im Ergebnis der Regierungsargumentation und lehnte die Klage ab.
Kein „grünes Licht“ für Regulierungsbehörde
Allerdings betont Richter Johnson, dass dies kein „grünes Licht“ für Ofcom sei, Wikipedia tatsächlich in Kategorie 1 einzustufen. Eine solche Einstufung müsse die Bedeutung der Plattform für die freie Meinungsäußerung berücksichtigen und dürfe diese nicht unverhältnismäßig einschränken. Damit bleibt Wikimedia die Möglichkeit, eine spätere Entscheidung der Regulierungsbehörde juristisch anzufechten.
„Die Entscheidung lässt die Tür offen, Wikipedia von den strengeren Regeln auszunehmen“, erklärt Mona Schroedel, Expertin für Datenschutz bei der Kanzlei Freeths, gegenüber der BBC. Auch Wikimedia-Jurist Phil Bradley-Schmieg sagt, dass die Regierung und Ofcom die Verantwortung trügen, die Arbeitsweise von Wikipedia zu schützen.