Das Kurhaus Wiesbaden zählt zu den schönsten Prachtbauten seiner Art. Kaiser Wilhelm II. sprach zur Eröffnung des für sechs Millionen Goldmark von Architekt Friedrich von Thiersch errichteten neoklassizistischen Gebäudes vom „schönsten Kurhaus der Welt.“ In dem Bau verdichtet sich noch heute das gesellschaftliche Leben der hessischen Landeshauptstadt. Doch aktuell bereitet das Kurhaus mehr Sorgen als Freude, und das nicht nur, weil absehbar eine aufwendige und kostspielige Sanierung ansteht. Es geht vielmehr um die Zukunft der Spielbank und die gastronomische Bewirtschaftung der Gäste.

Beides ist über den Jahreswechsel hinaus mit großen Unsicherheiten behaftet, denn am 31. Dezember endet der Pachtvertrag der Kurhaus Wiesbaden Gastronomie GmbH & Co. KG, hinter der die Unternehmerin Valeska Benner steht. Sie war vor vier Jahren in die mit der Münchner Gastronomiefamilie Kuffler bestehenden Verträge eingestiegen. Kuffler hatte sich damals aus der Rhein-Main-Region verabschiedet.

Im September vergangenen Jahres hatte die kommunale Veranstaltungstochter Triwicon die Gastronomie neu ausgeschrieben, aber kein zuschlagsfähiges Angebot erhalten. Das Vergabeverfahren war deshalb Anfang Juni aufgehoben worden. Nun wird weiter gesucht. „Die derzeitige Pächterin wird die Betriebsaufgabe zum 31. Dezember 2025 ein­leiten“, heißt es in einer Mitteilung der Stadt. Die Triwicon hat vor zwei Monaten ein weiteres Vergabeverfahren für die Gastronomie im Kurhaus aufgesetzt, daran hat sich die bisherige Pächterin demnach nicht mehr beteiligt. Das lässt auf Differenzen zwischen Stadt und Benner schließen.

Verschiedene Interessenten

Dem Vernehmen nach soll es inzwischen mehrere ernsthafte Interessenten geben. Vermutet wird, dass auch das Cateringunternehmen Gaul, das inzwischen das Kongresszentrum RMCC bewirtschaftet, ein Interesse am Kurhaus hat. Diese Konstellation hätte schon wegen der räumlichen Nähe logistische Vorteile. Im Kurhaus hat Benner dem Vernehmen nach wegen der Betriebsaufgabe und der langen Betriebszugehörigkeit einiger Mitarbeiter Kündigungen ausgesprochen. Dazu hatte es Ende Juli eine Betriebsversammlung gegeben. Alle Parteien seien „weiterhin bemüht, einen ordnungsgemäßen Betriebs- und Personalübergang zum 1. Januar 2026 sicherzustellen“, heißt es aus dem Rathaus.

Silvesterparty ist nicht in Gefahr

Was aber passiert mit der beliebten Feier zum Jahreswechsel am Kurhaus? „Eine Silvesterparty wird es auch zum diesjährigen Jahreswechsel geben“, teilt die Stadt mit. Es sei davon auszugehen, dass diese Feier trotz des laufenden Vergabeverfahrens reibungslos über die Bühne gehen könne. Einzelheiten sollen in einigen Wochen bekannt gegeben werden. Dauern wird es auch noch, bis Klarheit besteht, ob im Dezember und Januar die Eislaufbahn vor dem Kurhaus aufgebaut und betrieben wird und, wenn ja, von wem.

Ob die Besucher der im Kurhaus seit 1949 residierenden Spielbank auch künftig im Restaurant ihre Gewinne feiern oder ihre Verluste betrauern können, ist ebenfalls unsicher. Denn die Neuausschreibung der Spielbank-Konzession hat ihre Tücken. Bei der Stadt ist im Zuge der Aufarbeitung der Kuffler-Affären in Zusammenhang mit der Begünstigung des damaligen Oberbürgermeisters Sven Gerich (SPD) entschieden worden, Spielbank und Kurhaus-Gastronomie künftig getrennt auszuschreiben.

Auch die Spielbank-Konzession endet zum Jahresende. Die Stadt hatte sich in Einvernehmen mit dem Land Hessen sorgsam auf die Ausschreibung vorbereitet. Seit 2009 verantwortet die Spielbank Wiesbaden GmbH & Co. KG das Glücksspiel im Kurhaus und in den Kolonnaden, wo Automaten aufgestellt sind. Die Zusammensetzung der GmbH-Gesellschafter hat sich mehrfach geändert, weil die Stadt Spielbank und Kurhaus-Gastronomie lange im Paket vergeben hatte.

Neben John Jahr aus der Hamburger Verleger-Dynastie und der Jahr + Achterfeld Beteiligungsgesellschaft war das Münchner Gastro-Unternehmen Käfer beteiligt, das 2017 von Kuffler abgelöst wurde. Die deutsche Spielbanken Holding der österreichischen Novomatic AG hält inzwischen ein Drittel der Anteile an der Spielbankgesellschaft. Der Einstieg kurz vor Konzessionsablauf wurde von Beobachtern so gewertet, dass der bisherige Pächter mit neuen Partnern weitermachen will. Spekuliert wird, dass Novomatic mittelfristig der bestimmende Gesellschafter werden könnte.

Kein Wunder, denn die Wiesbadener Spielbank ist attraktiv. Sie zählt gemessen am Bruttospielertrag zu den Top Fünf in Deutschland. Wiesbaden und das Land Hessen wollen an den Gewinnen weiter üppig beteiligt werden. Im Februar hatte die Stadt in einer Datenbank die Ausschreibung veröffentlicht. Bis Mitte März sollten potentielle Investoren darlegen, wie sie das Spiel mit Roulette, Black Jack, Baccara, Glücksrad, Würfelspielen, Poker und Automatenspielen organisieren und den Wunsch der Stadt nach dem „bisherigen Spielmix aus klassischem Spiel wie Roulette und Kartenspielen und Automatenspiel“ erhalten wollen.

Jährlich Millioneneinnahmen für die Stadt

Die Stadt Wiesbaden hat zudem Vorstellungen formuliert, welche Beträge die von 300.000 Besuchern jährlich frequentierte Spielbank für das Pfingstturnier (30.000 Euro), für Klimaschutzprojekte (100.000 Euro), städtische Preise (50.000 Euro) und das Gemeinwohl (67.000 Euro) bereitstellen soll. Jahr für Jahr dürfte die Stadt insgesamt rund sieben Millionen Euro einnehmen. Die Verwaltung ließ sich von Juristen beraten, damit der Zuschlag nach einem umfangreichen und gewichteten Katalog der Kriterien am Ende unangreifbar ist.

Wer im Rathaus nach dem Ergebnis fragt, erhält allerdings eine schmallippige Antwort: Wegen des laufenden Vergabeverfahrens und unter Berücksichtigung des „vergaberechtlichen Geheimwett­bewerbs“ sowie zur Wahrung eines ordnungsgemäßen Ablaufs des Vergabeverfahrens, „können die Fragen zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantwortet werden“.

Nach F.A.Z.-Informationen läuft das Vergabeverfahren allerdings alles andere als reibungslos. Denn offenbar hat ein Interessent vor der Vergabekammer des Regierungspräsidiums Darmstadt das bisherige Vorgehen der Stadt beanstandet. Vergabekammern sind für die Nachprüfung der Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen auf Landes- und Kommunalebene in Hessen zuständig.

Zwar hat die Stadt dem Vernehmen nach vor der Vergabekammer recht bekommen. Doch dem Kläger steht der Beschwerdegang vor das Oberlandesgericht Frankfurt offen. Das könnte im Eilverfahren zwar zügig entscheiden, doch geklärt werden muss sicherlich, ob eine Vergabe an einen der Bieter noch vor einem Urteil im Hauptsacheverfahren möglich ist. Die Stadt wird sich womöglich um eine Interimslösung bemühen müssen, damit auch am Neujahrstag der Croupier nach dem Platzieren der Ein­sätze sagen kann: „Rien ne va plus.“