„In Bremen hat für mich alles angefangen“ – Marlo Grosshardt im Interview
Im Pier2 stand er erstmals auf einer großen Bühne, inzwischen füllt er längst selber die Clubs und Konzertsäle. Auf der Breminale haben wir uns mit Marlo Grosshardt verabredet.
Marlo Grosshardt auf der Breminale, Foto: Malte Löhmann
Bremen. Marlo Grosshardt singt schön provokant über die Welt, die ihn umgibt. Der junge Hamburger packt seine kritischen Texte in ein raues Pop-Gewand. Seine kraftvolle Stimme trägt durch nostalgische Melodien und mitreißende Rhythmen. Auf der diesjährigen Breminale stand er am finalen Festivaltag als letzter Act auf der Radio Bremen Bühne. Das bedeutet für ihn, um 6 Uhr in Köln loszufahren und um 11:30 Uhr fertig zum Soundcheck am Deich zu sein. Die lange Zeit bis zu seinem Auftritt um 20:30 Uhr hat er auf der Breminale verbracht und sich zwischendurch Zeit für ein Interview mit uns genommen.
Heute stehst du am Osterdeich auf der Radio Bremen Bühne, auf der letztes Jahr bei der Breminale Raum27 gespielt haben. Tristan und Mathis wohnen jetzt gerade bei deiner Patentante in Portugal – wie ist das entstanden?
Das ist sehr lustig, ich habe mit Tristan ganz viel League Of Legends gespielt und darüber haben wir uns angefreundet. Ich war dann auf einem Konzert von ihnen und habe in Hamburg auch einmal Support für Raum27 gespielt. Mein Patenonkel wohnt in Portugal und hat dort ein Tonstudio, da bin ich auch ab und zu zum Schreiben. Die Jungs sind darauf aufmerksam geworden und sind jetzt in den Bandurlaub zu ihnen gefahren. Ich sehe die ganze Zeit, wie sie an den mir so bekannten Plätzen Videos machen und posten, das ist total schön.
Benehmen sich die Jungs denn, oder gab’s schon Beschwerden?
Bisher habe ich noch nichts gehört, ich glaube, es ist in Ordnung. Die beiden sind aber auch sehr kulant!
Davon, Kräfte zu bündeln und sich zu vereinen, handeln auch einige deiner Songs. Gab es einen konkreten Auslöser, der dich vor einigen Jahren politisiert hat oder ist es einfach die generelle Entwicklung, die dir insgesamt Sorgen bereitet?
Ich habe ein relativ politisiertes Elternhaus und politische Themen immer mitbekommen. Da ich selber in einer sehr politisierten Zeit aufgewachsen bin, hat sich das auf mich übertragen. Erst die „Geflüchtetenkrise“ ab 2015 und dann die Zeit kurz vor dem Abi, als Fridays For Future aufkam. Das waren zwei Pole, die an mir gezerrt haben, die dafür sehr prägend waren.
Deine Musik hat eine sehr eigene Handschrift, wie würdest du deinen Sound selbst beschreiben und was hat dich am stärksten beeinflusst in der Soundfindung?
Ich hatte ganz lange überhaupt keine Ahnung, was ich wirklich mag, sondern habe mich an Dingen, die ich gehört habe, entlanggezogen. Mit fallen inzwischen immer mehr Sachen aus meiner Kindheit ein, die mich unterbewusst beeinflusst haben. Ich war ganz lange bei den Pfadfindern, da kommt bestimmt einiges her, weil wir ganz viele Liedermacher gesungen haben. Dann natürlich Acts wie Faber, die ich in meiner Jugend viel gehört habe. Mittlerweile ist es total schön, weil ich jetzt alles, was ich selber cool finde, in meine Musik einbinden kann. Sounds, die ich mag, kann ich ausprobieren und später vielleicht wirklich einbinden. Ich bin schmerzbefreit, Dinge zu probieren, weil ich nie darauf aus war, mich schnell in einem Sound zu finden. Stattdessen habe ich alles ausprobiert und daraus sind die heutigen Songs entstanden.
Wie sieht dein kreativer Prozess aus? Beginnt alles mit einem Text, einem Riff oder eher mit einem Gefühl oder einer Beobachtung?
Das ist ganz unterschiedlich. Früher war es immer eine Idee oder eine Zeile. Mittlerweile lasse ich mich auch gerne von guten Musiker*innen beeinflussen, die ein paar Akkorde hinlegen, zu denen mir dann möglichweise textliche Gedanken kommen. Ich muss immer auf mich hören, wie ich gerade kreativ werden kann. Ich mache beispielsweise ganz viel mit meinem Bassisten Arne, der mittlerweile einfach versteht, wie ich ticke und was ich brauche. Ich habe oft nicht die passenden musikalischen Begriffe, sondern einfach bestimmte Richtungen im Kopf. Arne kann das sehr gut übersetzen und umsetzen.
Marlo Grosshardt im Gespräch mit unserem Redakteur Marcel, Foto: Malte Löhmann
Fällt es dir schwerer, politische Songs wie „Geschichte schreiben“ oder „Oma“ zu verfassen, oder ganz persönliche Stücke wie „Kein Plan, was Liebe ist“ oder „Astronaut“?
Immer, wenn ein Song eine klare Idee hat, fällt das Schreiben auch relativ leicht. Am schwierigsten ist es, wenn man sich hinsetzt oder trifft mit den Plan, einen Song zu schreiben. Dann dauert es immer etwas länger, unabhängig vom Thema. Bei den meisten Stücken ist es aber so, dass ich einfach merke, ich möchte einen Song über ein Thema schreiben. Wenn ich dann vielleicht sogar schon ein oder zwei Ideen habe, schreibt sich ein Text manchmal sogar an einem halben Tag runter.
Deine Texte sind insgesamt sehr persönlich – wie viel Marlo steckt in deinen Songs und wie viel ist Beobachtung oder Fiktion?
Gerade bei den politischen Songs steckt auch Beobachtung drin, natürlich immer mit meiner persönlichen Meinung oder meinem eigenen Blick auf die Themen. Ansonsten handeln meine Songs viel von Dingen, die mich gerade beschäftigen. Deshalb sind sie textlich immer sehr nah an mir.
Du gründest gerade auf dem Land ein Hausprojekt. Erzähl gerne, was du dort planst und vorhast.
Hausprojekt ist übertrieben, es ist eine WG (lacht) – das war in der TAZ sehr süß formuliert. Ich wohne jetzt einfach in einem kleinen Dorf in Norddeutschland. Wir haben eine gute Anbindung und ich habe zwei Musiker*innen eingeladen, die Bock haben, dort mit einzuziehen. Wir haben viel Platz, einen riesigen Garten und haben einfach Spaß und können uns ausleben.
Du bist im Süden Hamburgs aufgewachsen. Welchen Bezug hast du neben dem ausverkauften Tower-Konzert im letzten Jahr zu Bremen?
Eine witzige Geschichte ist, dass für mich in Bremen alles so ein bisschen angefangen hat. Ich war mit meiner Cellistin auf einem Faber-Konzert im Pier2 und er hat uns damals auf die Bühne geholt. Besonders im ersten Jahr haben uns auf vielen Konzerten im ganzen Land immer wieder Menschen auf dieses Konzert angesprochen und erzählt, dass sie uns darüber kennengelernt haben. Ich bin immer gerne in Bremen, es gibt schöne Locations und heute sind wir sogar zum ersten Mal Open-Air am Wasser. Unser Gitarrist hat sich vor einiger Zeit einen Soundcheck-Song überlegt und sich für „Lebenslang grün-weiß“ entschieden. Das hat sich hochgeschaukelt und mittlerweile singen alle beim Soundcheck dieses Lied. Deswegen ist es heute besonders schön, direkt an der Weser und in Sichtweite zum Stadion aufzutreten.
Im Tower letztes Jahr war es klein und dunkel, auf dem Hurricane Festival hast du letzten Monat dagegen in der prallen Mittagssonne gespielt. Heute hast du die Weser hinter und den Deich vor dir. Welchen Einfluss hat die Konzertlocation auf deine Performance auf der Bühne?
Die Location macht glaube ich gar nicht so viel aus, es sind eher die Leute, die beim Konzert sind. Aber Deich und Wasser ist als Norddeutscher doch immer ein Zeichen für gute Leute – also gut möglich, dass es dadurch heute besonders wird.
Die Breminale ist umsonst und draußen, was ist daran für dich als Künstler besonders spannend und vielleicht auch herausfordernd?
Bei Festivals gibt es natürlich viel Laufpublikum, man muss noch mehr überzeugen, da die Leute einen oft nicht kennen. Das Publikum kommt vielfach nicht gezielt, wie bei einer eigenen Show, sondern einfach mit der Lust auf Live-Musik. Wenn es ihnen gefällt, bleiben sie stehen, und das ist natürlich unser Ziel.
Im Herbst gehst du auf Tour, die ersten Städte sind schon ausverkauft. Mit welchem Gefühl blickst du auf die kommenden Monate?
Es ist total verrückt! Ich weiß noch, wie aufgeregt ich war, als wir diese Städte angekündigt haben, weil die Tour und die Venues für uns unfassbar groß waren. Plötzlich ist relativ viel ausverkauft und es läuft immer noch super. Ich freue mich tierisch, wir dürfen das erste Mal Dinge erleben wie Nightliner fahren, also ganz neue Erfahrungen sammeln. Es macht einfach unfassbar viel Spaß.
Im Mai wurde in einem Newsletter neue Musik von dir angeteast und eine EP versprochen. Kommt die noch vorher?
Die kommt noch vorher, den Release-Termin kann ich aber gerade leider noch nicht verraten.
Im Herbst geht Marlo Grosshardt auf große „Ich wünsche mir eine Tour“-Tour mit 20 Terminen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Gut die Hälfte der Shows ist bereits ausverkauft. In Bremer Nähe gibt es nur noch Tickets für das Konzert am 28. Oktober im Zollhaus Leer.
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