Mehr als 200 zweckentfremdete Hotels in Großbritannien stehen sinnbildlich für ein gebrochenes Versprechen. Aus der angekündigten Übergangslösung zur Unterbringung von Asylbewerbern wurden erst Monate, dann Jahre. Für die Bewohner dieser Hotels bedeutet das Enge, Ungewissheit und Isolation, für die Anwohner der betroffenen Stadtviertel das Gefühl, übergangen zu werden.

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Vor den Türen der Unterkünfte wächst der Frust, der sich in immer häufigeren Protesten äußert, allzu oft befeuert von jenen, die aus Spaltung politisches Kapital schlagen wollen. Vor wenigen Wochen kam es in Epping, einer Kleinstadt nordöstlich von London, erstmals zu teils gewaltsamen Protesten vor dem Bell Hotel, nachdem ein Bewohner wegen eines Sexualdelikts angeklagt worden war. Flaschen und Rauchfackeln wurden geworfen, es gab Verletzte und zahlreiche Festnahmen.

Gewalt gegen Flüchtlingsunterkünfte

Seitdem weiten sich die Gewalttaten aus. In London, im Finanzdistrikt Canary Wharf, richteten sich Proteste am vergangenen Freitag gegen das Britannia International Hotel, das Geflüchtete beherbergt.

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Vorübergehend eine Flüchtlingsunterkunft: Das Vier-Sterne-Hotel Britannia International in London.

Vorübergehend eine Flüchtlingsunterkunft: Das Vier-Sterne-Hotel Britannia International in London.

Hass und Gewalt sind in einer demokratischen Debatte inakzeptabel. Dennoch sind die Sorgen vieler Anwohner verständlich. Für sie sind diese Hotels zum Symbol einer Migrationspolitik geworden, die sie als unkontrolliert und ungerecht empfinden.

Umfunktionierte Hotels verstärken den Frust

Die Misere in Großbritannien ist das Erbe konservativer Regierungen. Wohl kein anderes Land in Europa setzte so stark auf Hotels, um Asylsuchende unterzubringen – und kaum ein anderes vertraute deren Management so sehr privaten Anbietern an.

In Epping und anderswo sitzt der Frust tief. Wer seit Jahren mit steigenden Mieten, überlasteten Arztpraxen und ausgedünnten Buslinien lebt, fühlt sich schnell abgehängt. In dieser Stimmungslage haben Halbwahrheiten und Falschmeldungen über Luxusunterkünfte leichtes Spiel. Dabei kann von Komfort in den Hotels keine Rede sein. Oft müssen sich mehrere Menschen ein winziges Zimmer teilen, die hygienischen Zustände sind miserabel. Wer hier lebt, steckt im Wartesaal ohne Ausweg.

Demonstranten beider Seiten: In London marschieren Gegner und Unterstützer der Asylpolitik auf. Die Polizei versucht sie zu trennen.

Demonstranten beider Seiten: In London marschieren Gegner und Unterstützer der Asylpolitik auf. Die Polizei versucht sie zu trennen.

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Nun hat Premier Keir Starmer Besserung versprochen: Bis 2029 will seine Regierung die Hotelunterbringung beenden. Labour setzt auf günstigere, dezentrale Unterkünfte, Anträge sollen schneller bearbeitet werden.

Es ist ein Schritt, der richtig klingen mag, aber nur dann Wirkung zeigt, wenn er von einem langfristigen Plan begleitet wird. Denn statt auf tragfähige Alternativen zu setzen, fokussieren sich die Pläne bislang auf Sammelunterkünfte als Alternative. Das ist weder nachhaltig noch würdevoll.

Kommunen müssen einbezogen werden, um Unterkünfte dezentral in bestehenden Nachbarschaften zu schaffen. Das ist nicht nur günstiger, es fördert auch Integration und entschärft den Druck auf einen Wohnungsmarkt, der ohnehin am Limit ist.