Wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage in Deutschland ist die Kämmerei der Stadt Offenbach in ihrer Prognose für den Haushalt 2025 lediglich von Gewerbesteuereinnahmen in Höhe von 95 Millionen Euro ausgegangen. Nach derzeitigem Zwischenstand kann die Stadt in diesem Jahr aber Rekordeinnahmen in Höhe von 133 Millionen Euro erwarten, wie Stadtkämmerer Martin Wilhelm (SPD) nun mitteilt.

Es handelt sich um den höchsten Betrag an Gewerbesteuereinnahmen, den Offenbach bislang verbuchen konnte. Wilhelm warnt aber vor einer Fehlinterpretation der erst einmal guten Nachricht, denn auch die Ausgaben der Stadt legten weiter stark zu. Die finanzielle Situation bleibe „extrem angespannt“, führt der Kämmerer weiter aus.

Dass in einer Phase der Rezession in Deutschland die Einnahmen stiegen, unterstreiche die wirtschaftliche Dynamik vieler in Offenbach ansässiger Unternehmen. Das könne auch als Indiz dafür genommen werden, dass der Wirtschaftsstandort Offenbach die Talsohle durchschritten habe, sagt Wilhelm.

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Durch die jüngsten Erfolge der Offenbacher Ansiedlungs- und Standortpolitik könne man auch in den nächsten Jahren mit einer weiteren Stärkung der Offenbacher Wirtschaft rechnen, wenngleich die globale Entwicklung natürlich auch an der Stadt nicht völlig vorbeigehe. Auf lange Sicht sieht Wilhelm für Offenbach als Wirtschaftsstandort aber gute Perspektiven.

Ungeachtet dessen müsse man wissen, dass Gewerbesteuer immer starken Schwankungen unterliege. So habe die Gewerbesteuer im bisherigen Rekordjahr 2023 bei 122,4 Millionen Euro gelegen. Ein Jahr darauf seien es 75,6 Millionen Euro gewesen, 2021 85,2 Millionen Euro, 2020 lediglich 52,7 Millionen Euro. Auch im letzten Vor-Corona-Jahr 2019 sei die Gewerbesteuer mit 61,7 Millionen Euro vergleichsweise gering gewesen.

Die finanzielle Situation Offenbachs bleibe „extrem angespannt“, sagte Stadtkämmerer Martin Wilhelm.Die finanzielle Situation Offenbachs bleibe „extrem angespannt“, sagte Stadtkämmerer Martin Wilhelm.Mirco Lilge

Zu den massiven Schwankungen trage bei, dass zu den jeweiligen Gewerbesteuereinnahmen eines Jahres auch stets Nachzahlungen der Unternehmen für Altjahre hinzukämen, wie Wilhelm weiter erläutert. Normalerweise lägen diese in Offenbach bei zehn Millionen Euro. Diesmal belief sich die Summe auf 42,7 Millionen – wenn auch inklusive eines Einmaleffektes. Deswegen gehe er aktuell von rund 100 Millionen Euro „relativ stabiler“ Gewerbesteuer aus.

Für Wilhelm steht ungeachtet der aktuell guten Gewerbesteuereinnahmen fest, dass die Stadt nach wie vor nicht ohne die Zuweisungen aus dem Kommunalen Finanzausgleich finanziell handlungsfähig bleibt. Wie der Länderfinanzausgleich auf Ebene der Bundesländer soll der kommunale Ausgleich finanzielle Ungleichheiten zwischen den Kommunen ausgleichen.

Diese Summen sind laut Kämmerei nach wie vor die größte Einnahmeposition für Offenbach. Aber auch diese Zuweisungen unterliegen jährlichen Schwankungen. Sie richten sich vereinfacht ausgedrückt immer danach, was die Stadt im vorangegangenen Jahr an Einnahmen verbuchen konnte.

Je mehr Einnahmen die Stadt aus eigener Kraft im Vorjahr erzielt, umso geringer fallen die Zuweisungen aus dem Kommunalen Finanzausgleich aus, die die Stadt im Folgejahr erhält. Wilhelm rechnet vor: „Wenn wir einen Euro Gewerbesteuer dazugewinnen, verlieren wir circa 70 Cent an KFA-Mitteln. Das heißt, der eine Euro aus der Gewerbesteuer kann nicht eins zu eins auf der Habenseite verbucht werden, sondern er schmälert gleichzeitig den Beitrag aus dem KFA.“ Ungeachtet dessen hält es der Kämmerer für unerlässlich, sich weiter aktiv um die Ansiedlungen von Unternehmen und um höhere Gewerbesteuereinnahmen zu kümmern.

Wenn sich der nun prognostizierte Rekord zum Jahresende tatsächlich einstellt, hat die Stadt laut Wilhelm die Chance, die Rücklagen wieder zu erhöhen, mit denen in den nächsten Jahren Defizite ausgeglichen werden müssen. Bereits 2024 haben sich die Rücklagen der Stadt schon deutlich reduziert.

Nach heutiger Prognose werden diese spätestens im Jahr 2029 aufgebraucht sein. „Wenn sich das Delta zwischen Einnahmen und Ausgaben nicht ins Positive dreht, ist langfristig die finanzielle Handlungsfähigkeit der Stadt in Gefahr“, sagt Wilhelm weiter. Dann könne die Stadt nur noch den gesetzlichen Pflichtaufgaben nachkommen.

Wilhelm wiederholt daher seinen Appell an die Politik in Bund und Ländern, die Finanzsituation massiv belasteter Kommunen stärker zu berücksichtigen. Der „Investitionsbooster“ sei das richtige Signal an die Kommunen gewesen, weil die neue Bundesregierung die Kosten ihrer Gesetze übernommen habe.