Einen ähnlichen Aufschrei wie im vergangenen Jahr wird Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) in diesem Jahr nicht auslösen, wenn sie am Mittwoch zusammen mit Bundeskriminalamtspräsident Holger Münch die aktuelle Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) vorstellt. Denn nach dem Anstieg um 5,5 Prozent in 2023 hat die Zahl der Straftaten nun im Vergleich zum Vorjahr leicht abgenommen.
Das ist aber mitnichten ein Hinweis darauf, dass Deutschland sicherer geworden ist. Wie aus der PKS hervorgeht, ist die Teillegalisierung von Cannabis der Grund: Eine Droge weniger auf dem Polizeiradar ist gleichbedeutend mit weniger Straftaten und daher auch mit weniger Verdächtigen.
Wie bereits berichtet, wurden im vergangenen Jahr 103.222 weniger Straftaten (5,837 Millionen) angezeigt als noch im Jahr 2023 (5,940 Millionen), was einem leichten Rückgang um 1,7 Prozent entspricht.
Seit 2010 gab es acht Jahre mit höheren Fallzahlen und sechs mit niedrigeren. Allerdings ist die Bevölkerung in den vergangenen 15 Jahren gewachsen, heute leben etwa 1,6 Millionen mehr Menschen in Deutschland.
Was sagt die Kriminalstatistik aus?
Die Polizeiliche Kriminalstatistik zeigt Kriminalität nur, wenn die Polizei diese erfasst. Unter anderem, wenn ein Opfer einen Vorfall zur Anzeige bringt. Es gibt also ein Dunkelfeld von Taten, die nicht gemeldet werden. Und nicht jede angezeigte Tat wird vor Gericht verurteilt.
Um diese Wissenslücke zu schließen, führt das Bundeskriminalamt eine sogenannte Viktimisierungssurveys durch, bei denen zufällig ausgewählte Personen befragt werden, ob sie Opfer von Straftaten geworden sind.
Die letzte Befragung dieser Art lief von Februar bis Juni 2024. Die Ergebnisse sollen im Herbst 2025 vorliegen. Über die Ergebnisse will man Aufschluss darüber bekommen, wie es um das Sicherheitsgefühl und Kriminalitätsaufkommen in Deutschland tatsächlich steht. (cre)
Im Zusammenhang mit dem Rückgang der Straftaten sank auch die Zahl der Verdächtigen um 2,8 Prozent auf 2,18 Millionen. Davon hatten 1,27 Millionen Menschen einen deutschen Pass, und 1,62 Millionen davon waren Männer – also mehr als zwei Drittel der Verdächtigen.
Die PKS liefert direkt zwei weitere Orientierungsmarken: 2024 wurden mehr Straftaten angezeigt (plus 7,4 Prozent) als vor der Coronapandemie.
Wenn man sogenannte ausländerrechtliche Verstöße herausrechnet – also Taten wie unerlaubter Aufenthalt in Deutschland, die nur von Ausländern begangen werden können –, gab es jedoch einen leichten Rückgang an Straftaten von 1,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Kriminalstatistik: Aus diesen Ländern stammen die Verdächtigen
Als Täter kamen 1,27 Millionen Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit und 913.196 Ausländer unter Verdacht. Der Anteil deutscher Verdächtiger nahm 2024 um 3,9 Prozent ab. Setzt man die Zahlen ins Verhältnis zur Gesamtbevölkerung in Deutschland, machen Menschen ohne deutschen Pass laut Zahlen des Statistischen Bundesamts jedoch nur 16,87 Prozent aus (Stand: 31.12.2024).
Kriminalstatistik für 2024 Polizei meldet insgesamt weniger Straftaten, aber mehr Gewaltdelikte
Rechnet man die ausländerrechtlichen Verstöße heraus, werden nichtdeutsche Verdächtige für 35,42 Prozent der Straftaten verantwortlich gemacht – ein Plus von 0,3 Prozent. Diese Verdächtigen stammen am häufigsten aus Syrien, der Türkei oder Rumänien. Auf dem vierten Platz folgen Ukrainer, gefolgt von Menschen mit afghanischer Staatsangehörigkeit.
Gleichwohl nahm die Zahl der Opfer um 6,3 Prozent auf 1,32 Millionen Menschen zu. Auch hier unterscheidet die PKS deutsche (985.206) und nichtdeutsche Opfer (342.211).
Die Aufklärungsquote lag 2024 minimal schlechter bei 58,0 Prozent, sie bewegt sich damit aber immer noch nahe am Höchststand der vergangenen zehn Jahre (58,7 Prozent).
Ein Grund für die Stagnation bei der Aufklärung ist der geringe Erfolg bei Taten, die aus dem Ausland begangen wurden: Wenn Deutsche zum Opfer ausländischer Verdächtiger werden, kann die Polizei nur in 5,4 Prozent der Fälle einen Verdächtigen an die Staatsanwaltschaft melden.
Kriminalstatistik zeigt Trend zu Designerdrogen
Ein Blick auf außergewöhnliche Veränderungen lohnt sich. Demnach gab es im vergangenen Jahr unter anderem einen Anstieg bei Wirtschaftskriminalität (plus 57,6 Prozent) und dem Missbrauch neuer psychoaktiver Substanzen (41,6 Prozent).
Ersteres begründet die Polizei bundesweit damit, dass die Fallzahlen stark schwanken, weil häufig über mehrere Jahre hinweg ermittelt wird und dann Sammelverfahren mit einer Vielzahl von Geschädigten und Fällen zum Abschluss gebracht werden.
Ein Jahr legal kiffen Was hat sich in Berlin seit der Cannabis-Legalisierung getan?
Obwohl weniger Rauschgiftdelikte registriert wurden, weist die Polizei auf den Trend zu neuen psychoaktiven Substanzen (NPS) hin: Häufig sei man in Justizvollzugsanstalten auf diese Designerdrogen gestoßen. Auch die synthetische Droge Ketamin fällt in diese Kategorie.
Neuer Höchststand bei Gewaltkriminalität
Die Gewaltkriminalität stieg um 1,5 Prozent auf 217.277 Fälle – ein neuer Rekordwert. Bereits 2023 war der höchste Stand seit 15 Jahren erreicht worden.
10,8
Prozent betrug die Zunahme bei Körperverletzungen mit einem Messer.
Unter anderem sei die Zahl der gefährlichen und schweren Körperverletzungen seit 2010 um fast elf Prozent gestiegen. In diesem Zusammenhang gab es 2024 einen Anstieg bei sogenannten Messerangriffen (2024: 29.014 Straftaten), mehr als die Hälfte davon ordnet die Polizei dem Bereich Gewaltkriminalität zu. Mit einem Plus von 10,8 Prozent der Fälle endete ein Messerangriff mit gefährlicher und schwerer Körperverletzung.
Die in der Gewaltkriminalität enthaltenen Delikte Mord, Totschlag sowie Tötung auf Verlangen stiegen im Vergleich zum Vorjahr um 0,9 Prozent auf 2303 Fälle. Raubdelikte gingen hingegen um 3,7 Prozent auf 43.194 Fälle zurück.
Starker Anstieg sexualisierter Gewalt
Negativ haben sich die Zahlen auch bei Vergewaltigung, sexueller Nötigung und sexuellen Übergriffen im besonders schweren Fall entwickelt: Im Vergleich zum Vorjahr gibt es ein Plus von 9,3 Prozent, also 13.320 Fälle (2023: 12.186 Fälle). Über einen Zeitraum von fünf Jahren gab es bei diesen Straftaten einen Anstieg um 41,3 Prozent (2019: 9426).
Die Fallzahlen beim sexuellen Missbrauch von Kindern sind in etwa gleich geblieben (16.354 Fälle). Ähnliches gilt für den Bereich Kinderpornografie. Dafür wurden mehr Inhalte mit jugendpornografischem Inhalt (plus 8,5 Prozent; plus 750 Fälle) gemeldet. Häufig sind die Verdächtigen laut PKS selbst Jugendliche unter 18 Jahren, die sich selbst filmen, ohne zu wissen, dass sie damit möglicherweise eine Straftat begehen.
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Positive Entwicklungen zeigt die PKS ebenfalls: Im Bereich der Cyberkriminalität sanken die Fallzahlen nach einem kontinuierlichen Anstieg seit 2016 im zweiten Jahr in Folge auf 131.391 Fälle (minus 2,2 Prozent). Die Aufklärungsquote verbesserte sich geringfügig auf 31,9 Prozent. Zu berücksichtigen ist laut PKS jedoch, dass die Zahlen ausschließlich Taten umfassen, bei denen mindestens ein Krimineller im Inland agierte. Der wesentlich größere Anteil dieser Straftaten (201.877) wird im Ausland begangen.
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Die Zahl der Diebstähle ist zumindest leicht um 1,6 Prozent gesunken auf 1,94 Millionen registrierte Taten. Dabei stieg die Zahl der Wohnungseinbrüche leicht um 0,8 Prozent auf 78.436 Fälle.
Während auch der Kfz-Diebstahl (30.373 Fälle, plus 1,3 Prozent) stieg, gingen der Fahrraddiebstahl (245.868 Fälle, minus 6,9 Prozent), der Ladendiebstahl (404.907 Fälle, minus fünf Prozent) und der Taschendiebstahl (107.720 Fälle, minus 1,5 Prozent) zurück. Insgesamt gibt es in diesem Bereich jedoch mehr Straftaten als vor der Pandemie, in der die Menschen zu Hause blieben und so Dieben das Leben erschwerten.