Er ist eine Plage, zerstört ganze Wälder und seit einigen Jahren gehört er zum Sommer wie Mückenstiche und der Kampf gegen die Wespen im Biergarten: der Eichenprozessionsspinner. Deutsche Städte und die Besitzerinnen und Besitzer von Gärten haben seit geraumer Zeit nun schon gegen den Schädling zu kämpfen. Auch Berlins Natur ist stark befallen. Das zeigt nun erneut die Antwort der Senatsverwaltung für Umwelt auf eine schriftliche Anfrage des Berliner Abgeordneten Stefan Hätsch (CDU). Im Abgeordnetenhaus vertritt er den Wahlkreis Charlottenburg Nord, ein besonders vom Eichenprozessionsspinner betroffenes Gebiet.
Im Juni dieses Jahres musste die Bezirksverwaltung im Charlottenburger Norden den Park Jungfernheide großflächig sperren lassen und das anliegende Strandbad zeitweilige schließen – auf der Website ist immer noch ein Hinweis auf das Restrisiko zu finden. Mindestens 350 Bäume waren in der Jungfernheide von dem Schädling befallen, hieß es im Juni. In der Antwort der Senatsverwaltung an Hätsch ist von mindestens 450 Bäumen die Rede. Außerdem schloss der Bezirk im Juni vorsorglich insgesamt fünf Sportanlagen. Der Schutz der Gesundheit habe oberste Priorität, teilte das Bezirksamt mit.
Wie nun die Antwort der Senatsverwaltung zeigt, haben mehrere Berliner Bezirke einen enorm verstärkten Befall durch den Eichenprozessionsspinner zu beklagen. In mehreren Bezirken hat sich die Zahl der Befallsmeldungen innerhalb eines Jahres verdoppelt, in einigen sogar verdreifacht. Es scheinen vor allem die Bezirke betroffen zu sein, in denen es große Wald- und Parkflächen gibt – Treptow-Köpenick, Tempelhof-Schöneberg und Steglitz-Zehlendorf. Wie viele Bäume konkret pro Meldung befallen sind, darüber gibt es keine Angaben.
Allerdings hat allein der Bezirk Treptow-Köpenick im vergangenen Jahr 172 Meldungen erfasst, was in etwa dem Vierfachen der Vorjahreszahl von 40 Meldungen entspricht. Auf Nachfrage der Berliner Zeitung teilt der Bezirk mit, dass es 2025 bereits 166 Meldungen gegeben hat. „Besonders betroffen sind Grünanlagen mit einem hohen Eichenbestand wie zum Beispiel der Volkspark Wuhlheide“, teilt das Bezirksamt weiter mit. Ende Juni hatte das Bezirksamt mitgeteilt, am Wasserspielplatz „Plansche“ im Plänterwald ein Nest der Eichenprozessionsspinner entfernt zu haben, wies aber darauf hin, dass ein erneuter Befall nicht ausgeschlossen werden könne.
An zahlreichen Stellen des Bezirks werden demnach regelmäßig die Eichen kontrolliert und ab Juni seien Nester abgesaugt worden. Allerdings habe der Bezirk sich hier auf neuralgische Orte konzentriert wie Spielplätze, Schulen, Sportplätze und Bushaltestellen. In den vergangenen Jahren habe man auch immer wieder den Treptower Park schwerpunktmäßig kontrolliert.
In stark befallenen Bezirken stehen viele Eichen
Weitere Bezirke, die 2024 den Angaben der Senatsverwaltung zufolge stark betroffen waren: Steglitz-Zehlendorf mit 107 Meldungen – im Vorjahr waren es 48 – und Tempelhof-Schöneberg mit 68 – im Vorjahr waren es 22. Charlottenburg-Wilmersdorf zählt seit einigen Jahren zu den besonders stark befallenen Bezirken. 2023 wurden hier die meisten Meldungen gezählt, ein Jahr später, mit 97 Meldungen, die drittmeisten.
Dass gerade in diesen Bezirken der Befall besonders hoch ausfällt, mag auch in der Natur des Schädlings liegen. Wie der Name des Eichenprozessionsspinners schon sagt, befällt das Tier vorrangig Eichen. In Treptow-Köpenick sind davon nach Angaben der Stadt insgesamt 4896 Stück zu finden. In Steglitz-Zehlendorf sind es 7914, in Tempelhof-Schöneberg 3219 und in Charlottenburg-Wilmersdorf stehen 5303 Eichen.
Hat der Eichenprozessionsspinner erst mal einen Ort befallen, entsteht eine Reihe von Problemen. Nicht nur sind die Tiere umweltschädlich, sie können auch beim Menschen ernsthafte gesundheitliche Reaktionen hervorrufen. Konkret sind die Haare des Tiers das Problem, die den Raupen ab dem dritten Larvenstadium wachsen. Die Haare können vom Wind über weite Strecken verbreitet werden. Sie können bei Kontakt mit Haut oder Schleimhäuten ein leichtes Brennen verursachen, das führt bei Menschen zu Hautreizungen und Atembeschwerden.
Die Entfernung des Spinners ist aufwendig. So teilt auch die Senatsverwaltung für Umwelt mit, dass die Bekämpfung an einem Baum mehrere Stunden andauern kann.
Niedrige Zahlen im Nordosten
Auch in anderen Bezirken sind die Zahlen zwischen 2023 und 2024 gestiegen, allerdings in einem geringeren Ausmaß. So wurden im Bezirk Mitte 2023 19 Befallsmeldungen verzeichnet, ein Jahr später waren es 23. In Marzahn-Hellersdorf waren es 2023 ebenfalls 19 und im darauffolgenden Jahr 35.
Besonders niedrig sind die Zahlen im Nordosten und Osten der Stadt. So wurden in Pankow 2024 nur 18 Befallsmeldungen gezählt, in Friedrichshain-Kreuzberg waren es elf. Die Zahlen der Senatsverwaltung erwecken zumindest den Eindruck, dass der Bezirk die Situation mehr unter Kontrolle hat als der Rest.
Vollständige Entfernung ist nicht möglich
In Friedrichshain-Kreuzberg ist die Zahl der Befallsmeldungen auch in den vergangenen Jahren unter 20 geblieben und in kleinen Schritten zurückgegangen. Auf Nachfrage der Berliner Zeitung, woran das liegen könnte, heißt es bloß, dass „Straßen- und Grünanlagenbäume nach eingegangenen Meldungen sofort überprüft“ werden und dann „per Sofortmaßnahme durch eine extern beauftragte Baumpflegefirma die Entfernung der EPS-Nester veranlasst“ wird. Allerdings gebe es im Bezirk auch keine hervorzuhebenden Hotspots. Die Schädlinge treten dem Bezirksamt zufolge vereinzelt an Eichen in Friedrichshain-Kreuzberg auf – von denen gibt es im Bezirk 1055 Stück. Dazu, wie oft in diesem Jahr bereits ein Befall gemeldet wurde, konnte das Bezirksamt keine Angaben machen.
Den Bezirken bleibt also nur übrig, die Bäume abzusaugen, befallene Stellen abzusperren und die Anwohnerinnen und Anwohner zu warnen und die üblichen Hinweise auszusprechen: Raupen und Nester sollen nicht berührt, Kleidung nach Parkbesuch gereinigt und die Bekämpfung den Fachleuten überlassen werden.