„Eine Trefferquote für die Kunst gibt es nicht. Die Faszination der Kunst und nicht zuletzt ihr Erkenntnisgewinn resultieren vielleicht aus der Fallhöhe zwischen Grandiosität und Scheitern.“ Dies sagt Gregor Schneider, der den Goldenen Löwen von Venedig gewann und heute Professor in Düsseldorf ist. Udo Dziersk, sein Kollege, bestätigt: „Es gibt keine Gesetzmäßigkeit darüber, was Kunst ist. Das galt nur in der Sowjetunion.“
Neulich klagte eine junge Frau gegen die Akademie Düsseldorf, weil sie nicht angenommen wurde. Heutzutage wird viel geklagt, früher nahm man die Ablehnung auf sich und versuchte es ein zweites Mal. Paloma Varga Weisz wurde gleich zweimal abgelehnt, schob eine Holzbildhauerlehre ein und wurde von Tony Cragg und Gerhard Merz zu ihren ersten Erfolgen geführt. Sabrina Fritsch wurde bei ihrem Wechsel von der Akademie in Mainz nach Düsseldorf anfangs abgelehnt, heute ist sie Malerei-Professorin in Düsseldorf. Der Düsseldorfer Udo Kittelmann kam gar ohne Akademie aus. Der Quereinsteiger startete als Augenoptiker und wurde als Direktor der Nationalgalerie Berlin pensioniert. Der Abgelehnten empfehlen sie einen neuen Versuch.
Dennoch ist die Suche nach den potenziellen Künstlern kein Vabanque-Spiel. Alle Akademien haben Zulassungskommissionen, zuweilen nach der Mappen-Vorauswahl auch noch eine Zugangsprüfung und/oder ein Gespräch. In Düsseldorf werden ausschließlich Mappen mit 20 oder mehr Proben gefordert. Die Gefahr, dass den Prüfern eine Fremdmappe untergeschoben wird, wird nicht geteilt. Udo Dziersk, seit 23 Jahren Professor für den Orientierungsbereich, sieht das Problem zum Mogeln nicht: „In den letzten 20 Jahren wurden höchstens drei Fremdmappen eingereicht. Die Düsseldorfer Akademie ist ein so großes Schiff, dass sie diese drei Schummler locker verkraftet. Vielleicht können sie ihre Cleverness in den Kunstmarkt bringen.“
„Wir haben eine Generation von Selbstpromotern“
Den Vorwurf, am Eiskellerberg herrsche keine Transparenz, lässt die Akademie jedoch nicht auf sich sitzen. Online erklärt sie: „Die Kommission besteht aus künstlerischen Professoren und Professorinnen sowie den künstlerisch-wissenschaftlichen Mitarbeitern und wird jedes Jahr durch den Senat der Kunstakademie Düsseldorf neu gewählt.“ Gereon Krebber, Professor im O-Bereich, präzisiert: „Es gibt eine Kommission für Architektur, Video, Foto, Malerei, Bildhauerei. Im Konferenzraum stehen zwei große Tische mit je zehn Meter Länge. Darauf liegen die Mappen ausgebreitet. Wir sehen sie auf einen Schlag, wenn wir, die Professoren und Professorinnen, die Lehrkräfte und Werkstattleiter dort stehen oder darum herumlaufen. Das ist eine große Kommission für ein großes Verfahren. Wir arbeiten eine Woche lang ganz konzentriert und wollen sehen, was der oder die gemacht hat. Wir haben eine Generation von Selbstpromotern. Aber auch die müssen liefern.“
Aber was müssen sie liefern? Offiziell fordern alle Akademien und Kunsthochschulen „künstlerische Gestaltungsfähigkeit, künstlerische Realisierungsfähigkeit und künstlerische Konzeption.“ Sabrina Fritsch berichtet: „Jeder Kollege bringt seine eigene Art zu denken in die Deutung der eingelieferten Arbeiten und vergibt in drei Kategorien je eine Note. Wir schreiben sie auf einen Zettel und geben sie an die Vertreter des Prüfungsamts. Wer den erforderlichen Notendurchschnitt erreicht, ist angenommen. Es gibt auch Fälle mit krassen Unterschieden in der Bewertung. Dann wird die Position noch einmal beurteilt. Aber in den allermeisten Fällen sind wir einer Meinung, obwohl wir unterschiedlich ticken.“ Gereon Krebber erwähnt einen „Joker“. Wenn jemand eine bestimmte Bewerbung haben möchte, dann ist sie gewählt. Thomas Scheibitz etwa brachte Sophie Esslinger aus Wien mit. Sie war damit gesetzt.
Wie wird das Urteil gebildet?
Wie aber kommen die Urteile zustande? Krebber ist ein gewiefter Prüfer, der sofort die Spreu vom Weizen trennen kann: „Selbst wer nicht mit Talent gesegnet ist und wessen Darstellungsgabe nicht besonders ausgebildet ist, kann eine künstlerische Ader haben. Es muss eine gewisse Stimme in den künstlerischen Konzepten zu vernehmen sein. Talent kann man haben, aber die Motivation schlägt das Talent. Einem lahmen Kiffer wird das Talent nicht helfen. Aber wer Charakter hat, kann sich durchboxen, selbst wenn sein aktuelles Ergebnis eher krude aussieht. Das ist unabhängig von der Formulierungsgabe, für die es inzwischen Mappenkurse etwa bei Alanus gibt, wo die jungen Leute gut bedient werden.“
Das heißt konkret für Krebber: „Intensität ist wichtig. Das ergibt sich allein daraus, wie die Person arbeitet, wie viel Output, wie viele Skizzenbücher sie hat. Ob sie sich auseinandersetzt, ob sie schon mal im Museum war. Manche Bewerber und Bewerberinnen sind unbefleckt von allem. Für diejenigen, die angenommen werden wollen, gilt es, das Energielevel auszuschöpfen. Künstlerische Vorbilder können sie haben, aber sie müssen mit Material und Darstellung umgehen können.“ Ähnlich äußert sich der Kollege Dziersk: „Gut ist, wenn sie sich selbst herausfordern, sich Zeit zum Arbeiten nehmen, neugierig sind und sich um ein Thema bemühen. Sie dürfen kein Potpourri liefern.“
In der Regel gibt es 500 bis 600 Bewerbungen für die Aufnahme an die Kunstakademie in Düsseldorf. Jeder Achte wird genommen. Im letzten Jahr waren es 72. Krebber erklärt die harte Auswahl: „Wenn ich eine Bewerbung bewillige, bedeutet dies ein Stipendium vom Staat in Höhe von 125.000 Euro. Aber bitte nicht für Hobbymaler.“