Hip-Hop und Understatement, das ist seit Anbeginn des fluiden Sprechgesangs ja zumeist eine Beziehung wie jene zwischen dem Teufel und dem Weihwasser. Denn auch wenn selbstreflektierte Superstar-Ausnahmen wie etwa der mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnete Grübler Kendrick Lamar die Regel bestätigen, findet so etwas wie Tiefstapelei hier bis heute eher in der Nische statt, während der gemeine Gangsta- und Battle-Rapper bevorzugt im sexistischen Selbstbeweihräucherungsmodus von seiner unzerstörbaren Großartigkeit erzählt: Meine Statussymbole, mein Reichtum, mein adonishafter Körper, meine Frauen, mein Weg von ganz unten nach ganz oben, meine Knarren, meine Libido, mein staunenswerter Drogenkonsum, meine Gewieftheit, mein, mein, mein.
Umso schöner also, dass mit der US-Amerikanerin Fatimah Nyeema Warner aus Chicago und ihrem 2016 erschienenen Debüt „Telefone“ eine Rapperin auf der Bildfläche erschien, die den Spieß allein schon mit ihrem Künstlernamen konsequent umdreht. Denn klar, wer aus der Poetry-Slam-Szene kommend im Hip-Hop unter dem Alias „Noname“ reüssiert, setzt damit natürlich sehr bewusst einen satten und intensiv nach Ironie duftenden Haufen in die güldenen Gärten der Selbstfetischisierung.
Und so ist auch der Blick, dem wir in Warners poetischen Reimen auf ihren drei (auch vom notorisch hyperkritischen Online-Musikmagazin Pitchfork gefeierten) Alben folgen, entsprechend kein monothematisch auf die eigenen Erfolge und Errungenschaften gerichteter. Sondern vielmehr einer nach innen, wo wie bei jedem so manche Dämonen hausen, auf Nonames Community in den raueren Ecken Chicagos, und auf ihre Identität als junge schwarze Frau aus weniger privilegierten Verhältnissen.
Der bei ihr gerne auch mal recht explizit besungene Sex und der für uns alle unvermeidliche Tod, die Liebe und der Schmerz, das Hadern mit dem fehlenden Selbstbewusstsein und die am Ende überwiegende Zuversicht, letztlich schon immer irgendwie die Kurve zu kriegen – all das wird bei Warner in feinster, selbstreflektierter Conscious-Rap-Manier und mit einem Flow verhandelt, der in seiner unangestrengten Bierruhe und seiner lautmalerischen Lässigkeit so ziemlich das genaue Gegenstück zu den atemlosen Maschinengewehrstakkatos eines Eminem bildet.
Und dann ist da ja auch noch der aus Soulwärme, Funkgriffigkeit und kosmischem Jazz geborene Sound zu diesem Flow, den man zur Einstimmung auf ihren anstehenden München-Gig am besten in seiner puren, elastisch groovigen Live-Form im Rahmen von Nonames jüngstem Tiny-Desk-Konzert genießt. Als eine von wenigen unter unzähligen Musikerinnen und Musikern wurde sie dort gleich zweimal eingeladen, um mit ihrer umwerfenden Band samt Background-Sängerinnen und Saxofonisten ein paar Tracks in der kruschig vollgestellten Bude der charmanten NPR-Reihe zu spielen. Wenn man sich ihr Mini-Konzert dort ansieht, weiß man auch ziemlich bald, warum.
Noname, Dienstag, 19. August, 20 Uhr, Technikum, Speicherstraße 26