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Mit „Vaterschlag“ ist Autor Björn Blaak ein ganz besonderer Roman gelungen. © Niemann
In „Vaterschlag“ zeigt Björn Blaak die unsichtbaren Wunden häuslicher Gewalt. Kon und seine Familie stehen im Zentrum einer schockierenden Erzählung.
Verden – Seinen zweiten Roman „Vaterschlag“ präsentiert Björn Blaak Lesern ab 15 Jahren als literarisches, dramaturgisch starkes Kammerspiel. Der Inhalt macht nachdenklich und wirkt vermutlich noch dann nach, wenn die Geschichte zu Ende und das Buch ausgelesen ist. In der Klarheit des Erzählens stecken bis in die Nebenfiguren viele kleine, feine Beobachtungen.
Dieses Buch erzählt keine erfundene Geschichte. „Auch wenn die Namen nicht echt sind und die Orte nicht auf Landkarten stehen, die Wirklichkeit, von der hier die Rede ist, gibt es“, schreibt Blaak in seinem Vorwort. „Oft näher, als wir glauben“, ergänzt er. „Vaterschlag“ erzähle von Kon. Von Wunden, die man nicht sofort sehe. Von einer Familie, in der das Zuhause kein sicherer Ort ist. Von Angst, die schweige. Von Gewalt, die nicht immer brülle, sondern manchmal einfach nur warte – im Flur, hinter Türen, in Blicken. Das Buch erzählt auch von Silvie. Von Mut, der nicht perfekt sei. Von Freundschaft, die Fragen stelle. Vom Hinsehen, wo andere wegschauen würden. Und davon, so Blaak, dass es nie nur einen Menschen brauche, um etwas zu ändern – aber immer jemanden, der anfange. Blaaks Appell: „Wenn du selbst manchmal mit Dingen kämpfst, über die du nicht sprichst – dann lies dieses Buch mit offenem Herzen. Und wenn du jemanden kennst, dem es ähnlich geht: Frag. Hör zu. Bleib da.“
Über den Autor
Björn Blaak, Jahrgang 1966, ist Journalist, Autor und Kolumnist. Er lebt mit Frau und Tochter in Bremen und hat bereits folgende Werke veröffentlicht: „Überleben in der Touristenklasse“ (Satire), „Ohnmacht“ (Roman) sowie „Charlie und die kleine große Welt“ (Kinderbuch). Zurzeit arbeitet Blaak an einem Lyrikband.
Es gibt wenige Bücher, die es vermögen, einen so komplexen Einblick in die Gefühlswelt von Jugendlichen zu geben. Mit „Vaterschlag“ vermag es Björn Blaak auf 165 Seiten diesen Spannungsbogen gekonnt, empathisch und gleichzeitig fesselnd zu füllen, wobei der Erzählstrang, der in der Gegenwart spielt, kapitelweise zwischen den Protagonisten und mit Rückblicken in die Vergangenheit wechselt. Vaterschlag ist ein besonderes Buch, eine Ode an den Mut, für Freundschaft und Zivilcourage und eine Aufforderung nicht wegzusehen, sondern mit offenen Augen auch die jeweils unmittelbare Umgebung zu betrachten. Es geht um Gewalt in der Familie, und der ganz nahe Feind ist in diesem Fall Kons Vater. Er entpuppt sich als regelrechter Psychopath mit toxischem Charakter, der despotisch absolute Macht und Kontrolle über seine Frau und den Sohn ausübt. Vor allem Kon steht im Fokus der väterlichen Gewalt: Handelt er nicht so, wie der Vater es will, schlägt er zu. Oft spürt der 15-Jährige, wenn es gefährlich wird, doch genauso oft kommen die Schläge ganz unvermittelt…
Die Geschichte von Kon berührt aber nicht nur, sondern sie schockiert und erschreckt. Das bereits im Vorwort entstandene mulmige Gefühl lässt einen während des gesamten Buches beim Lesen nicht mehr los. Der Vater animiert den Sohn zu Unternehmungen, um gegenseitig in Konkurrenz zu treten, aber das Ergebnis interessiert ihn schon nicht mehr. Die Mutter ist alkoholabhängig, sie hat resigniert und ist nicht in der Lage, den Sohn zu schützen, der unterschiedliche Strategien entwickelt und wie ein Seismograf die wechselnden Stimmungen des Vaters registriert.
Erzählung einer gewalttätigen und dysfunktionalen Familie
Der Leser leidet mit Kon mit, ist zutiefst entsetzt über das Verhalten der Eltern. Es gibt zwar mehrere unbeholfene Versuche der Mutter, Nähe herzustellen, aber entweder sie bagatellisiert, oder sie ist zu betrunken, um der Aufgabe als Mutter nachzukommen, den Sohn zu schützen. Und so ahnt man beim Lesen jedes Mal bereits im Voraus, was wieder geschehen wird, dass über jeder scheinbar harmlosen Situation das Unheil hängt, in Gestalt der Fäuste und der blinden Wut des Vaters. Und jedes Mal tritt diese Vorahnung ein, und der Vater schlägt zu. Manchmal so heftig und lange, dass Kon im Krankenhaus erwacht. Man fragt sich, warum nicht die Mutter endlich die Notbremse zieht und sich und Kon in Sicherheit bringt? Warum es so lange dauert, bis jemand die Anzeichen auf häusliche Gewalt erkennt, warum Ereignisse erst eskalieren müssen, damit sich etwas ändert?
Gegen Ende des Romans wartet der Autor mit versöhnlichen Wendungen auf, die angesichts der Geschichte einer dysfunktionalen Familie vielleicht erstaunen. Doch unabhängig davon, wie man das Ende bewertet, ist Björn Baalk mit „Vaterschlag“ ein bemerkenswerter Roman gelungen. Es ist eine Geschichte, die man keinem wünscht, die sich aber sehr zu lesen lohnt, weil sie aufklärt, weil sie Augen öffnet und weil sie Betroffenen helfen kann. Das Buch zeigt deutlich, dass Menschen wie dem Vater von Kon nicht zu trauen ist, dass Gewalt und Schläge nicht aufhören und die Situation schnell lebensgefährlich für Betroffene werden kann. Es verdeutlicht außerdem, welche psychischen Auswirkungen häusliche Gewalt auf die Betroffenen hat und stellt als Kernaussage in den Raum: Bei Gewalt in der Familie muss unmittelbar gehandelt werden, niemand darf wegsehen, denn nur so lässt sich verhindern, dass Geschichten wie die von Kon nicht ganz anders ausgehen.