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CDU-Kanzler Merz schränkt Israels Waffenversorgung im Gaza-Krieg ein. In der Union trifft er damit einen heiklen Punkt und erntet deutliche Kritik.
Berlin – Was für viele längst überfällig war, ist für den konservativen Flügel der Union eine rote Linie: Kritik an Israel im Krieg und dessen Gewalt im Gazastreifen. Die Ankündigung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), keine Ausfuhren von Rüstungsgütern, die im Gazastreifen zum Einsatz kommen können, zu genehmigen, erschüttert jetzt den Parteifrieden.
Politiker in CDU und CSU fühlen sich überrumpelt, weil Merz den Richtungswechsel in seiner Israel-Politik mit kaum jemandem abgesprochen zu haben scheint – ausgenommen Außenminister Johan Wadephul (CDU) und Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD). Viele Unionspolitiker halten sich bisher mit öffentlichen Angriffen auf ihren Kanzler zurück, doch es rumort in der Partei.
CSU-Innenminister: „Die Staatsräson gegenüber Israel ist unser Maßstab“
„Die CDU brennt“, bestätigte ein Merz-Vertrauter gegenüber dem Spiegel. Der hessische CDU-Vorsitzende Boris Rhein etwa stellte sich offen gegen die Entscheidung von Merz und schrieb auf Montag (11. August) auf X: „Die Terrororganisation Hamas stellt man nur im Kampf, nicht am Konferenztisch. Wir müssen Israel deshalb weiter ausrüsten, um diesen Kampf zu führen, die Hamas zu besiegen und den Terror zu beenden.“
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Auch aus der CSU hatte sich direkt im Anschluss starker Gegenwind geregt. Die bayrische Schwesterpartei der CDU kritisierte den Schritt nicht nur inhaltlich, sondern monierte vor allem, dass sie nicht mit einbezogen wurde. Innenminister Alexander Dobrindt (CSU), der neben Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) als strikter Befürworter von Benjamin Netanyahu gilt, sagte bereits im Juni: „Die Staatsräson gegenüber Israel ist unser Maßstab.“ Waffenlieferungen an Israel aus Deutschland sollten weiter stattfinden.
Kanzler Merz bringt mit seiner Israel-Entscheidung große Teile der Union gegen ihn auf
Auch Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) hatte angesichts der Debatte über das Vorgehen Israels im Gazastreifen davor gewarnt, das deutsche Verhältnis zu Israel infrage zu stellen. „An der Verbundenheit zu Israel darf kein Zweifel bestehen“, sagte Frei der FAZ. „Das besondere Verhältnis zu Israel steht über allen anderen Erwägungen.“
Der Kanzler stellt sich mit seiner Entscheidung also gegen mächtige Teile seiner eigenen Fraktion. Merz sagte dazu in den Tagesthemen: „Ich habe diese Entscheidung nicht allein getroffen, aber es ist dann am Ende des Tages eine Entscheidung, die ich allein verantworten muss. Und ich verantworte sie auch allein. Ich kann sie aber auch nicht zur demokratischen Abstimmung stellen.“
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sorgt mit seiner Israel-Politik für Unmut in der Union. © Hannes P Albert
In der Bevölkerung dürfte Merz Zustimmung für seinen Kurs finden, wenn man einer Umfrage von Ende Juli glaubt, die der Stern in Auftrag gegeben hatte. Die Deutschen zeigen demnach Verständnis für einen härteren Kurs gegen Netanyahus Regierung in Israel: Rund drei Viertel (74 Prozent) der Deutschen finden, dass die Bundesrepublik angesichts der verheerenden humanitären Lage im Gazastreifen mehr Druck auf Israel zur Beendigung des Krieges ausüben sollte.
Merz-Dilemma: Zwischen Deutschlands Holocaust-Geschichte und Gaza-Genozid
Die Debatte über eine sogenannte Unterstützung ist vor allem mit Blick auf deutsche Geschichte kompliziert. Oft wird die uneingeschränkte Solidarität mit dem Existenzrecht Israels verwechselt mit der Unterstützung rechtsextremer Politiker in Netanyahus Regierung und Waffenlieferungen. Nuancierte Debatten verschwinden oft hinter Freund-Feind Diskussionen, während auch jüdische Verbände und die israelische Bevölkerung immer lauter Kritik am Vorgehen Netanyahus in Gaza äußern.
Merz hat laut dem Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion klargemacht, „dass er persönlich, dass wir als Bundesrepublik Deutschland, die Bundesregierung, natürlich zur Freundschaft mit Israel steht aus unserer besonderen historischen Verantwortung heraus“.
Die Zivilbevölkerung derart in Mitleidenschaft zu nehmen, lässt sich nicht mehr mit einem Kampf gegen den Terrorismus der Hamas begründen.
Auch aus den Kreisen der engsten Vertrauten um Merz heiße es laut Spiegel, dass die Entscheidung des Kanzlers für niemanden überraschend gekommen sei, da Merz bereits Ende Mai immer lauter Kritik an der fatalen humanitären Situation und Israels Brutalität geäußert habe. „Die Zivilbevölkerung derart in Mitleidenschaft zu nehmen, lässt sich nicht mehr mit einem Kampf gegen den Terrorismus der Hamas begründen“, sagte Merz gegenüber dem WDR damals. Und: „Das, was die israelische Armee jetzt im Gazastreifen macht, ich verstehe – offen gestanden – nicht mehr, mit welchem Ziel.“
Deutschland hat seit 2023 Rüstungsgütern im Wert von mindestens 485 Millionen Euro an Israel genehmigt
Der konkrete Anlass für Merz´Entscheidung zur Einschränkung von Waffenlieferungen an Israel war die Entscheidung des israelischen Sicherheitskabinetts, die Militäraktion im Gazastreifen auszuweiten und auch die Stadt Gaza unter israelische Kontrolle zu bringen. Merz kündigte darauf an: „Unter diesen Umständen genehmigt die Bundesregierung bis auf Weiteres keine Ausfuhren von Rüstungsgütern, die im Gazastreifen zum Einsatz kommen können.“
Seit dem Angriff der radikalislamischen Hamas am 7. Oktober 2023 bis Mitte Mai dieses Jahres hat Deutschland laut afp den Export von Rüstungsgütern im Wert von mindestens 485 Millionen Euro an Israel genehmigt. Die Ampel-Regierung hatte im vergangenen Jahr den Export von Kriegswaffen ab März für mehrere Monate ausgesetzt, ihn dann aber wieder hochgefahren. (lm)