Kaum war der Berliner Videocall zwischen dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, seinen europäischen Verbündeten und US-Präsident Donald Trump beendet, zeigten sich die Beteiligten einhellig „vorsichtig optimistisch“. Das Gespräch mit Trump sei „ausgesprochen konstruktiv und gut“ gewesen. In letzter Minute, so klingt es nun, wurde Trump noch einmal von den Europäern auf Linie gebracht, keine Entscheidungen über die Köpfe der Ukrainer hinweg zu treffen. 

Wie lange dieser vorsichtige Optimismus halten wird, ist unklar. Denn auch beim  Treffen in Berlin wurde nichts Konkretes vereinbart. Und Trump könnte am Freitag in Alaska mit Putin ohnehin schon wieder ganz anders reden. 

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Dass der eilig anberaumte Berlingipfel überhaupt nötig war, hat noch einmal das europäische Grundproblem in der Gemengelage zwischen Trump, Putin und Selenskyj offengelegt. Europas Staats- und Regierungschefs mögen sich noch so einig darin sein, dass die Ukraine einen gerechten und langfristigen Frieden braucht. Eine gemeinsame, konkrete Vision, wie dieser möglichst bald erreicht werden kann, können die Europäer bis jetzt nicht formulieren. 

Statt die Führung in den Friedensbemühungen im Ukrainekrieg zu übernehmen, lässt Europa weiterhin eine Leerstelle in diesem Prozess. Und in die stößt Trump immer wieder hinein, mit immer neuen, angeblich genialen Ideen. Vor ein paar Monaten hieß es, er wolle die Krim als russisch anerkennen. Beim Treffen am Freitag in Alaska scheint Trump mit Putin über die Zukunft des Donbass zumindest diskutieren zu wollen. All das ist für die Ukraine und ihre Verbündeten hierzulande bisher inakzeptabel. Deshalb suchen die Europäer nach jeder Trump-Eskapade verzweifelt nach Wegen, Trump seine Ideen auszureden. 

© Lea Dohle

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Dabei hatten sie mehr als ein halbes Jahr Zeit, sich an ihre neue Führungsrolle zu gewöhnen.

Die Interessen der EU und der USA stimmen nicht überein

Zur Erinnerung: Seit seinem Amtsantritt hat Trump mehrfach Waffenhilfen für die Ukraine gestoppt. Er hat das in Kyjiw formulierte Ultimatum von Bundeskanzler Friedrich Merz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und des britischen Premiers Keir Starmer an Wladimir Putin sabotiert und die Ukraine zu weitgehend sinnfreien Verhandlungen in Istanbul genötigt. Im Sommer dann erzählte Trump, er sei endgültig enttäuscht von Putin und würde nun Waffen liefern, zum Beispiel das Flugabwehrsystem Patriot. Anschließend beobachtete Europa interessiert, aber aus sicherer Distanz, wie die Trump-Regierung Indien und China mit heftigen Zöllen drohte, weil sie russisches Öl kauften.

Die Freude über Trumps proukrainische Wende dauerte nicht besonders lang. Genau genommen bis Ende vergangener Woche, als Trumps Sondergesandter Steve Witkoff nach seinem Besuch in Moskau etwas wirr von Putins angeblicher Verhandlungsbereitschaft berichtete. Jetzt schauen alle wieder, trotz der heutigen Unterhaltung in Berlin, sorgenvoll auf das kommende Wochenende in den USA. 

Klar, Europas Situation ist nicht einfach. Die Europäer brauchen die USA – ob mit Trump oder ohne – an ihrer Seite, um die Ukraine mit Waffen zu unterstützen. Und auch, um die Sanktionen gegen Russland aufrechtzuerhalten. Die europäischen Staaten müssen sich auch eingestehen, dass die Interessen der meisten EU-Regierungen in der Ukrainefrage eben nicht mit denen von Trump übereinstimmen. 

Europa muss die drängenden Fragen selbst angehen

Trump träumt weiterhin von einer Normalisierung der Beziehungen mit Russland, von einem Bruch der Allianz zwischen Putin und Chinas Präsident Xi Jinping, und von einem effektvollen Deal für die Ukraine. Trump wird sich auch durch noch mehr devote Zuneigungsbekundungen, noch mehr versprochene Waffendeals und angeblich zugesagte Energiekäufe nicht so umlenken lassen, dass er die Positionen europäischer Staaten, oder gar der Ukraine, zu seinen eigenen macht. 

Stattdessen muss Europa selbst die drängenden Fragen angehen, die eine Friedenslösung in der Ukraine näher bringen. Womit wir wieder bei der EU-Vision wären. 

Bisher besteht diese aus einem losen Katalog moralisch vertretbarer, juristisch einwandfreier, aber wenig konkreter Losungen: keine Verhandlungen ohne einen Waffenstillstand, keine Gebietsabtretungen an Russland, Beibehaltung von Waffen- und Finanzhilfen sowie Sicherheitsgarantien für die Ukraine. Das sind Punkte, die nicht nur demokratische Regierungen begrüßen sollten. 

Dass es in diesen Fragen eine Einigkeit gibt, ist deshalb noch keine allzu große Errungenschaft. Schaut man aber genauer hin, zeigt sich in den wichtigen Details ein doch weiterhin gespaltenes Europa. 

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Emmanuel Macron und Keir Starmer mögen mit Paris schon den Ort für das Hauptquartier einer möglichen Friedenstruppe für die Ukraine bestimmt haben. Woher die Soldaten kommen sollen, und wer noch dabei sein könnte außer den Briten und Franzosen, ist offen. Dass die EU Waffen selbst herstellen und in den USA kaufen will, ist gut und richtig. Die bisherigen Zusagen reichen jedoch bestenfalls, um das aktuelle Niveau auch im kommenden Jahr zu halten. Währenddessen ist der militärische Trend für die ukrainischen Verteidiger schon seit Monaten negativ. Auch beim Thema Sicherheitsgarantien ist nach wie vor unklar, wer sie aussprechen und Präsident Selenskyj so einen Deal mit Russland erleichtern könnte.

Wollen die europäischen Verbündeten der Ukraine tatsächlich am hehren Ziel eines gerechten Friedens festhalten, dann müssen sie viel mehr tun als bislang. Es nützt nichts, sich selbst für die bislang formidable Ausdauer auf die Schulter zu klopfen. Oder sie müssen sich eben eines Tages doch eingestehen, der Ukraine falsche Hoffnungen gemacht zu haben.