In diesen Tagen werden sich unter anderem die letzten Urlauber aus Niedersachsen, Bremen, Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland auf den Heimweg aus den Sommerferien machen müssen, und viele von ihnen werden dabei auch wieder an Frasdorf vorbeikommen. Denn das 3000-Einwohner-Dorf im Landkreis Rosenheim liegt direkt an der A8 zwischen Salzburg und München. Und dieses Mal sollen all die Autofahrer wirklich nur vorbeikommen und nicht wieder mitten hindurchfahren – nicht durch Frasdorf und nicht durch ein knappes Dutzend andere Orte an der A8 und an der Inntalautobahn A93. Das sollen neue Fahrverbote sicherstellen, die das Rosenheimer Landratsamt an diesem Freitag erstmals in Kraft setzt.
Die Autos und Lastwagen ohne Ziel in der Region werden dann zunächst an allen Freitagen, Samstagen und Sonntagen sowie an Feiertagen auf der Autobahn bleiben müssen, selbst wenn der Verkehr dort wieder einmal stockt oder ganz zum Stehen kommt. Abfahrtverbote wie diese hat es an deutschen Autobahnen bisher nicht gegeben. Erst der neue parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Ulrich Lange (CSU), hat auf den wachsenden Druck aus den Gemeinden im Landkreis Rosenheim reagiert. Zur allgemeinen Überraschung hat Lange den bisherigen bundespolitischen Widerwillen und alle rechtlichen Bedenken beiseite gewischt und die Sperren für zulässig erklärt.
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Rein formal ist freilich auch das, was da seit dem Mittwoch entlang der A8 durch entsprechende Verkehrszeichen ausgeschildert wird, kein echtes Abfahrverbot. Denn die lokalen Verkehrsbehörden in Stadt und Landkreis Rosenheim werden gar nicht wirklich die Ausfahrten der Autobahn sperren. Dafür blieben im Zweifel allein der Bund und dessen Autobahngesellschaft zuständig, die dazu entsprechende Hinweistafeln und mobile LED-Anzeigen aufstellen wird. Lokal für den auswärtigen Verkehr gesperrt werden nur die jeweiligen Ortsdurchfahrten auf Staats- und Kreisstraßen. Dadurch wird allerdings jeder Versuch vollends sinnlos, einen Stau auf der Autobahn über mehr oder weniger parallel verlaufende kleinere Straßen umgehen zu wollen.
Wirklich erfolgreich waren solche Versuche, die den Reisenden oft von ihren Navis und Handys vorgeschlagen werden, zuletzt ohnehin kaum. Denn statt nur auf der Autobahn stauten sich die Autos dann eben meistens auch in den Ortschaften. Nur standen sie dort dann zusätzlich noch den Anwohnern und im Notfall auch den örtlichen Rettungsdiensten und Feuerwehren im Weg. Unter anderen Frasdorf war von solchen Blockaden in den vergangene Wochen und Monaten besonders oft betroffen, weil die A8 dort bis heute nur zwei Fahrspuren pro Richtung und keine Standstreifen hat. Deswegen ist sie bei Pannen, Unfällen oder schlicht bei viel Verkehr besonders schnell überlastet. Bauarbeiten an der nahen Autobahnbrücke hatten die Fahrer zusätzlich zum Abfahren animiert.
Die neuen Sperren sollen von der Polizei kontrolliert werden und gelten zunächst nur in der Region Rosenheim und dort konkret in acht Orten entlang der A8 und in zwei Orten an der A93. Zudem gelten sie ausschließlich bei Stau auf der Autobahn und dies jeweils nur von Freitag bis Sonntag und an allen Feiertagen. Ein festes Enddatum für die Regelung nennt das Landratsamt Rosenheim bisher nicht.
Darin unterscheidet sich die neue Regelung von ihren Vorbildern in Tirol und Salzburg im benachbarten Österreich, wo die jeweiligen Landesregierungen schon seit einer Weile saisonale Abfahrverbote von den großen Transitstrecken erlassen. In Bayern und ganz Deutschland könnte die Rosenheimer Regelung zum Vorbild für andere Regionen werden. So verfolgen nicht nur mehrere A8-Anliegergemeinden in den Nachbarlandkreisen Miesbach und Traunstein die Entwicklung in Rosenheim.
Auch anderswo wecken die neuen Regelungen Begehrlichkeiten, so wie an der A7 im Allgäu. Zwischen Kempten und dem Grenzübergang nach Österreich nahe Füssen beschweren sich Anwohner der Anrainergemeinden schon lange über Ausweichverkehr in den Ferien. Sobald es Stau vor dem Grenztunnel oder Blockabfertigung in Österreich gebe, kommen Einheimische in Oy-Mittelberg, Nesselwang oder eben Füssen nicht mehr in ihre Hofeinfahrten wegen des Ausweichverkehrs. Ende September ist ein runder Tisch anberaumt, unter anderem mit Vertretern der betroffenen Orte, Landratsämter, Polizei und Österreichs.
Aus Sicht des Autofahrerklubs ADAC Südbayern sind die neuen Durchfahrtsperren allerdings keine langfristige Lösung, weil sie die eigentlichen Probleme nicht beseitigten. Stattdessen fordert der ADAC „ganzheitliche“ und grenzüberschreitende Lösungsansätze sowie speziell für die A8 den schon seit langer Zeit geplanten Ausbau mit mehr Fahrspuren. Ob die verschiedenen digitalen Navigationssysteme die neuen Sperren aufnehmen, liegt nach Angaben des Rosenheimer Landrats Otto Lederer (CSU) nicht im Einflussbereich seines Landratsamts. Man könne die Firmen nur darum bitten.