Eine Pflegekraft begleitet in einem Pflegezentrum eine Seniorin durch den Flur.

Stand: 14.08.2025 06:12 Uhr

Pflegeheime in Schleswig-Holstein werden längst nicht überall regelmäßig kontrolliert – obwohl das gesetzlich vorgeschrieben ist. Und Daten zeigen: Zwischen den Kreisen gibt es große Unterschiede.

von Natalie Beck

Teambesprechung in der Wohnpflegeaufsicht Schleswig-Flensburg. Lars Lorenzen ist seit Mai in dem neunköpfigen Team dabei – mit mehr Personal soll es nun besser laufen. Denn in den vergangenen zwei Jahren hat die Aufsicht jeweils in nur rund der Hälfte aller Pflegeheime im Kreis eine Regelprüfung durchgeführt.

Vier Personen sitzen an einem Tisch und halten eine Videokonferenz ab.

Das Team der Wohnpflegeaufsicht Schleswig-Flensburg sitzt regelmäßig zusammen.

Dabei sind die jährlichen Kontrollen wichtiger denn je: steigender Pflegebedarf, Personalmangel und wirtschaftliche Probleme der Heime setzen die Versorgungsqualität zunehmend unter Druck. Das zeigt sich nicht nur in Studien, wie dem Pflegeheim Rating Report des RWI Essen, sondern auch im Teamgespräch in Schleswig: „Ich nehme wahr, dass die Fachlichkeit immer weiter nachlässt“, beklagt eine Pflegekraft in der Besprechung. Die Kolleginnen und Kollegen nicken.

Landesrechnungshof: Prüfquoten in Pflegeheimen unzureichend

Der Landesrechnungshof hatte im Frühjahr ermittelt: 2023 fanden in nur 62 Prozent der stationären Pflegeeinrichtungen die jährlich vorgeschriebenen Regelprüfungen statt. Eine aktuelle Abfrage von NDR Schleswig-Holstein zeigt, dass es für 2024 nicht viel besser aussieht. Die Prüfquote im landesweiten Durchschnitt: 72 Prozent. Nur fünf von 15 Kreisen und kreisfreien Städten erfüllten die Vorgabe, jede Einrichtung mindestens ein mal unangekündigt zu prüfen. In Stormarn, Steinburg und Nordfriesland lag die Quote sogar unter 50 Prozent.

Sozialministerium will neue Richtlinie erarbeiten

Ein Mann mit Brille blickt in die Kamera.

Erhard Wollny vom Landesrechnungshof sieht auch das Sozialministerium in der Verantwortung.

Der Rechnungshof sieht auch das Sozialministerium in der Pflicht: Der vom Ministerium vorgegebene 59-seitige Prüfkatalog sei zu umfangreich. Das Ministerium müsse seine Fachaufsicht verbindlicher ausüben, um landesweit einheitliche Standards sicherzustellen. „Zum Schutz der Bewohner halten wir eine jährliche Prüfung für zwingend erforderlich“, so Erhard Wollny vom Landesrechnungshof. Das Sozialministerium erklärt, es wolle 2026 eine neue Richtlinie erarbeiten. Für die Einhaltung der jährlichen Fristen müssten aber die Kreise und kreisfreien Städte die Voraussetzungen schaffen.

Was Wohnpflegeaufsichten tun – und warum sie so unterschiedlich arbeiten

Die kommunalen Wohnpflegeaufsichten sind für die Kontrolle stationärer Pflegeeinrichtungen und Wohngruppen der Eingliederungshilfe zuständig. Sie werden von den Kreisen und kreisfreien Städten finanziert. Es gehe im Kern darum, gefährdende Situationen für die Bewohner zu verhindern: „Wenn Pflegekräfte zum Beispiel Bewohner nicht aktivieren und bewegen, nicht auf die Ernährung oder die Getränke geachtet wird, wenn vermehrt Stürze auftreten oder auch wenn lebenswichtige Medikamente nicht gegeben werden“, erklärt Lars Lorenzen von der Wohnpflegeaufsicht Schleswig-Flensburg.

Wie intensiv geprüft wird, unterscheidet sich im Land allerdings stark, zeigt ebenfalls der Bericht des Landesrechnungshofes und die NDR Abfrage. Manche Aufsichten begutachten bei jeder Prüfung auch einzelne Bewohner, viele nur bei einem konkreten Verdacht. Auch die Personalausstattung der Aufsichten variiert deutlich – von weniger als einem Mitarbeiter pro tausend Pflegeplätze in Lübeck bis zu mehr als drei in Rendsburg-Eckernförde.

Mehr Beschwerden – weniger Zeit für Regelprüfungen in Pflegeheimen

Die Aufsichten müssen nicht nur die jährlichen Regelprüfungen durchführen, sondern auch sogenannten Anlassprüfungen nachgehen – etwa nach Beschwerden von Angehörigen eines Bewohners. Im Kreis Schleswig-Flensburg waren dies allein im Juni und Juli 14 Fälle. Andere Kreise melden auf Anfrage von NDR SH ebenfalls eine Häufung von Beschwerden. Auch wenn einige sich als haltlos herausstellen, binde jede dieser Prüfungen Personal und lasse weniger Zeit für die Routinekontrollen, erklärt Lorenzen von der Wohnpflegeaufsicht Schleswig-Flensburg.

Seniorenrat: Sicherheit darf nicht vom Wohnort abhängen

Heinz Wiegert vom Landesseniorenrat kritisiert die großen Unterschiede zwischen den Kreisen:

Es darf nicht vom Wohnort abhängen, ob Heimbewohner ausreichend geschützt sind.

Heinz Wiegert, Landesseniorenrat

Ein älterer Mann mit Brille blickt in die Kamera.

Heinz Wiegert vom Landesseniorenrat besucht regelmäßig die Bewohnerbeiräte von Pflegeeinrichtungen.

Zwar gebe es viele Einrichtungen, die gute Arbeit leisten, doch längst nicht überall. Viele Bewohnerinnen und Bewohner seien gar nicht in der Lage, sich für ihre eigenen Belange einzusetzen – engmaschige Kontrollen deshalb unverzichtbar. Die Wohnpflegeaufsichten sieht er dabei in einer besonders wichtigen Rolle, denn anders als etwa der Medizinische Dienst, der auch Pflegeheime prüft, können sie ordnungsrechtlich eingreifen, zum Beispiel mit einem Belegungsstopp.

Pfleger: Auch für uns sind die Prüfungen wichtig

Ein Krankenfpfleger lächelt eine Patientin an.

Pfleger Sebastian Blohm weiß: Am Ende geht es um mehr als Prüfrichtlinien und Quoten.

Wie eine Prüfung abläuft, weiß Sebastian Blohm, Pflegedienstleiter im Haus Altenfriede in Reinbek, gut. Hier im Kreis Stormarn wurden 2024 nur 44 Prozent der Heime regulär geprüft – sein Haus gehört dazu. Die Prüfer sahen sich neben der Dokumentation und der Personalplanung auch die Räumlichkeiten und den Pflegezustand einzelner Bewohner an. Er habe stets positive Erfahrungen mit den Prüfungen gemacht: „Man wird mit der Zeit betriebsblind“, erklärt Blohm, „und die Prüfungen sind natürlich gut dafür, dass man einen Hinweis bekommt, worauf man wirklich noch mal gezielter achten muss.“

Eine Frau schiebt einen Rollator über einen Weg.

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Eine alte Frau geht mit ihrem Rollator über einen Flur im Pflegeheim

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