Die künftige Nutzung des Wiesbadener Palasthotels könnte zu einer ernsthaften Belastungsprobe für die Kooperation von SPD, Grünen, Linken und Volt im Stadtparlament werden. Die Zukunft des ehemaligen Grandhotels ist weiterhin ungeklärt, aber nun sind die ersten Flüchtlingsfamilien in das sanierungsbedürftige Gebäude eingezogen, und weitere sollen in den nächsten Wochen folgen. Das hat Sozialdezernentin Patricia Becher (SPD), die zudem Aufsichtsratsvorsitzende der städtischen Eigentümergesellschaft GWW/GWG ist, auf Anfrage bestätigt.
Insgesamt 13 Familien sollen in dem Haus vorerst für ein Jahr untergebracht werden. Trifft das Linksbündnis in diesem Herbst keine Entscheidung über das Gebäude, könnten die Flüchtlingsfamilien dort auch länger wohnen. Es sei aber nicht vorgesehen, das Palasthotel dauerhaft zu einer Flüchtlingsunterkunft zu machen, sagte Becher.
Die Entwicklung rund um das ehemalige Hotel ist nicht ohne Brisanz. Die GWW hatte früheren Mietern der Sozialwohnungen in dem Gebäude neue Wohnungen in Wiesbaden besorgt, damit diese aus dem Haus ausziehen und damit die dringend notwendige Sanierung ermöglichen. So war es gelungen, fast 80 der 85 Wohnungen freizubekommen.
Langfristige Nutzung soll im Herbst entschieden werden
Nun aber stockt eine mögliche Sanierung, und die GWW habe einen „dauerhaften Leerstand“ in der Innenstadt vermeiden wollen, führte Becher weiter aus. Daher habe das Jobcenter die 13 Wohnungen für die Flüchtlinge bis zum Sommer nächsten Jahres befristet gemietet. Nach Auskunft von Ariane Würzberger, Leiterin des Jobcenters, handelt es sich bei den Mietern um Familien, die als anerkannte Flüchtlinge Bürgergeld beziehen und zuvor lange in Unterkünften gelebt haben.
„Es sind alles kleinere Familien und keine Großfamilien“, erläuterte Würzberger und ergänzte: „Eine Familie besteht aus fünf Personen, die anderen haben zwischen zwei und vier Familienmitglieder.“ Die GWW habe die Möglichkeit, diese Mietverträge vorzeitig zu kündigen, wenn die Politik über die Zukunft des Palasthotels entschieden habe.
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Das soll nach Auskunft von Becher noch in diesem Herbst geschehen. Derzeit werde eine Vorlage für die Stadtverordneten erarbeitet. Darin wird es nicht nur um einen möglichen Verkauf, sondern auch um Konzepte gehen, wie das traditionsreiche Haus künftig genutzt werden könnte. Im Erdgeschoss ist noch Einzelhandel und Gastronomie angesiedelt; der Stadtjugendring und das freie Theater „Künstlerhaus43“ zählen ebenfalls zu den Mietern und haben ihre befristeten Mietverträge nun erst einmal verlängert bekommen.
Die Lage ist kompliziert, für einige Wiesbadener sogar verfahren. Das ehemalige Grandhotel am Kochbrunnenplatz gegenüber der Hessischen Staatskanzlei wurde zwischen 1903 und 1905 erbaut. Das Gebäude mit einer Bruttogeschossfläche von rund 7700 Quadratmetern wurde immer wieder umgebaut und muss nun grundlegend saniert werden. GWW/GWG-Geschäftsführer Thomas Keller hatte schon vor rund einem Jahr bestätigt, dass die geschätzten Sanierungskosten von rund 40 Millionen Euro von der Gesellschaft kaum zu tragen seien. Zudem, so Keller weiter, sei es die Aufgabe der GWW/GWG, möglichst vielen Wiesbadenern bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen.
Hotel, Seniorenheim oder bezahlbarer Wohnraum?
Nachdem im vergangenen Jahr bekannt geworden war, dass der Hotelbau dringend saniert werden muss, gab es verschiedene Überlegungen, wie mit dem Haus weiter verfahren werden soll. Die Wiesbadener Politik diskutiert im Aufsichtsrat der GWW/GWG offenbar schon seit mehr als neun Jahren über die Zukunft des imposanten Gebäudes im Herzen der Stadt. Pläne, dort wieder ein Fünfsternehotel zu eröffnen, sind umstritten. Vor allem die SPD hält nichts davon. Während eines Unterbezirksparteitages beschlossen die Sozialdemokraten, dass das Palasthotel im städtischen Eigentum bleiben soll. Ein zuvor interessierter Investor hat mittlerweile abgesagt.
Im Linksbündnis gibt es indes Diskussionsbedarf. Gesine Bonnet, Fraktionsvorsitzende der Grünen, sagte auf Anfrage: „Wir sehen es skeptisch, was den Verbleib des Gebäudes in städtischer Hand angeht.“ Ihrer Meinung nach könne auch ein Verkauf eine gute Option sein, zumal die Sanierungskosten von rund 40 Millionen Euro aufgrund der aktuellen Haushaltssituation sowohl für die Stadt als auch die GWW nicht einfach aufzubringen seien. „Ein Hotel ist nicht die schlechteste Option“, sagte Bonnet weiter. Die Grünen wollen nun erst einmal auf die Vorlage warten und sich dann für eine Variante entscheiden. Bonnet mahnte zudem, dass sich die Politik mit der Entwicklung des Gebäudes nicht mehr allzu viel Zeit lassen solle.
Im Frühjahr hatte die GWW/GWG ein neues Konzept vorgestellt. Demnach sollen in dem Haus Seniorenwohnungen und Businesswohnungen angeboten werden. Die Erlöse aus der Vermietung dieser Businesswohnungen sollen zur Querfinanzierung der Seniorenwohnungen genutzt werden. Diese Lösung könnte jedoch erhebliche Zuschüsse aus dem Haushalt erfordern. Experten sind der Ansicht, dass die Quadratmetermiete rund 30 Euro betragen müsse, um die Sanierungskosten zu refinanzieren. In Wiesbaden gibt es eine Mietpreisbremse.
Sollte sich in absehbarer Zeit keine Lösung für das Palasthotel finden, ist es laut Dezernentin Becher möglich, dass vorübergehend weitere neue Mieter in die leer stehenden Wohnungen einziehen. „Gleichwohl wollen wir wirklich mit einer Entscheidung vorankommen und wünschen uns sehr, dass das noch in diesem Jahr entscheiden wird.“