Interview
Standdatum: 14. August 2025.
Autorinnen und Autoren:
Yae Jun Rhee
Fast die Hälfte der Bevölkerung leidet darunter: Gehirnfrost. Auch der Neurologe Prof. Dr. Thomas Duning hat ihn schon erlebt.
Bild: Gesundheit Nord | Kerstin Hase
Zu schnell Eis gegessen und da ist er: ein kurzer, stechender Kopfschmerz, auch bekannt als Gehirnfrost. Ob er gefährlich ist und warum er entsteht, erklärt ein Bremer Neurologe.
Zuerst ist es einfach nur kalt, im nächsten Moment durchbohrt ein Schmerz den Kopf. Für einen Moment scheint das Gehirn stillzustehen. Und dann, nach ein paar Sekunden, ist alles vorbei. So fühlt sich Gehirnfrost an. Prof. Dr. Thomas Duning, Chefarzt der Klinik für Neurologie am Klinikum Bremen-Ost, erklärt das schmerzhafte Phänomen.
Was ist „Gehirnfrost“ und wie entsteht er?
Gehirnfrost ist ein kälteinduzierter Kopfschmerz mit einem klaren Trigger – also einem Reiz. Das können zum Beispiel das Essen von Eis oder das Trinken von kalten Getränken sein. Wenn ich dem Gaumen plötzlich viel Kälte zuführe, dann führt das zu einer physiologischen Reaktion der Gefäße und die ziehen sich zusammen. Das ist normal. Das haben wir auch im Winter, wenn unsere Finger kalt werden. Warum? Damit unser Körper nicht zu viel Energie durch Wärmeverlust verliert. Das macht noch keinen Schmerz. Aber gleichzeitig kommt es dazu, dass mehr Blut durch die Gefäße gepumpt wird. Es entsteht ein gewisser Druck und die Gefäße entspannen sich wieder. Und das verursacht diesen typischen Schmerz.
Auch sehr kalte Getränke können kurzfristig „Gehirnfrost“ auslösen.
Bild: dpa | Christoph Soeder
Warum spüren wir die Schmerzen an der Schläfe oder hinter der Stirn, obwohl wir das Eis mit dem Mund essen?
Sehr gute Frage. Das ist jetzt so, dass Sie den Trigger durch den sogenannten Trigeminusnerv ans Gehirn weiterleiten. Dort wird das verschaltet und dann ziehen sich die Gefäße zusammen. Aber der Körper schafft es nicht, dass sich nur die Gefäße am Gaumen zusammenziehen, sondern es betrifft fast alle Gefäße in dem Bereich. Und die großen Gefäße versorgen natürlich auch das Gehirn und vor allen Dingen die Hirnhäute mit Blut. Die sind sehr schmerzempfindlich und deswegen strahlt der Schmerz dahin aus und das merken wir.
Ist Gehirnfrost gefährlich oder einfach nur nervig?
Völlig ungefährlich. Das ist ein physiologischer Reiz, den wir setzen. Wahrscheinlich ist es sogar so eine Art Schutzmechanismus. Wenn man ganz viel zu Kaltes zu sich nimmt oder diesen Reiz am Gaumen setzt, dann ist es besser, wenn man sich erstmal davon fernhält. Zu Urzeiten gab es ja noch kein Speiseeis und auch keine eisgekühlten Kaltgetränke. Und deswegen ist es wahrscheinlich ein physiologischer Schutzmechanismus, der jetzt im Industriezeitalter aber leider dazu führt, dass man das ganz kalte Eis nicht mehr so gut essen kann.
Welche Menschen sind stärker betroffen?
Also Männer, Frauen oder Kinder, Erwachsene – die sind eigentlich gleich betroffen. Das haben etwa 30 bis 50 Prozent der Bevölkerung – ich gehöre auch dazu. Das ist also ein sehr häufiges Phänomen. Man vermutet – wie bei fast allem – eine genetische Veranlagung oder Disposition. Das heißt: Einige Patienten reagieren auf diesen Trigger einfach stärker als andere. Aber dazu gibt es keine klare wissenschaftliche Grundlage. Es wurde lange vermutet, dass Patienten, die diesen Kopfschmerz durch einen Kältereiz auslösen können, auch häufiger Migräne oder andere Kopfschmerzarten haben. Aber in den neuesten Studien lässt sich das so nicht belegen. Im Grunde ist das also einfach ein physiologischer Reiz – und er bedingt keine anderen Krankheiten.
Wie kann man Gehirnfrost vermeiden?
Sie haben ja einen Konflikt, den Sie da auslösen. Sie haben dieses total leckere Eis vor sich – und das wollen Sie jetzt gefälligst schlucken! Aber man rät dazu, dass man das Eis vorwärmt. Das heißt: Das Eis zuerst auf der Zunge etwas behalten. Oder wenn man Eis mit dem Löffel isst, erst den Löffel umdrehen und an den Gaumen führen. Dann ist es nicht ganz so kalt oder kommt nicht ganz so kalt an. Wenn dieser Schmerz da ist, dann sollte man den Gaumen schnell wieder erwärmen. Aber meine Erfahrung ist: Bevor man das überhaupt geschafft hat, lässt der Schmerz meistens eh schon wieder nach. Wenn man aber oft starke Schmerzen bekommt, dann sollte man gegebenenfalls auch auf Eiswürfel in den Kaltgetränken verzichten.
Was sollte man tun, wenn der Schmerz nicht weggeht?
Normalerweise dauert Gehirnfrost nur einige Sekunden und ist eindeutig durch Kälte ausgelöst. Halten die Schmerzen aber länger als eine Stunde oder sogar einen Tag an, ist es eigentlich nicht der klassische Kältekopfschmerz. Dann sollte man einen Arzt aufsuchen.
Mehr zum Thema Hitze: