Donald Trump war sauer. Anfang Juli sagte der US-Präsident während einer Kabinettssitzung über den russischen Präsidenten: „Wir bekommen von Putin eine Menge Schwachsinn (engl. „bullshit“) an den Kopf geworfen. Er ist die ganze Zeit sehr nett, aber es stellt sich heraus, dass es bedeutungslos ist.“

Trump sieht sich seit Monaten mit einer frustrierenden Situation konfrontiert. Der selbst ernannte „Dealmaker“ bekommt es einfach nicht hin, ein Abkommen zwischen der Ukraine und dem Aggressor Russland zu vermitteln. Wobei er die Erwartungen im Vorfeld bereits dämpfte. Er werde „keinen Deal“ machen, sagte er zuletzt.

Womöglich spielte da auch seine Erfahrung aus den vergangenen Monaten eine Rolle. Denn egal, wie sehr er schimpfte oder drohte: Der Krieg, von dem er im Wahlkampf 2024 sagte, dass er ihn in einem Tag beenden könne, ging immer weiter.

Dabei ist Trump zunehmend frustriert vom russischen Präsidenten und dessen unnachgiebigen Angriffen. Und auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich bislang nicht von Trump zu Zugeständnissen wie etwa Gebietsabgaben drängen lassen.

Trump wird seit Monaten von Putin vorgeführt

Eines ist dabei auffällig: Trump wird seit Monaten vom russischen Präsidenten getäuscht, hingehalten und über den Tisch gezogen. Zudem sitzt Putin Trumps Drohungen aus, ohne dass er ernsthafte Konsequenzen zu spüren bekommt.

Warum lässt sich Trump, der sonst jede Gelegenheit nutzt, um Härte zu zeigen, derartig vorführen? Warum will er unbedingt einen Deal vermitteln, obwohl es ihm bislang nur Frust und Demütigung beschert hat?

Christian Lammert sieht einen entscheidenden Grund in Trumps persönlichen und politischen Motivationen. „Für Trump steht ein solcher Deal als großer Erfolg in seiner politischen Karriere, der seinen Führungsstil als ,Dealmaker’ bestätigt“, sagt der Professor für Politikwissenschaft am John-F.-Kennedy-Institut der Freien Universität Berlin.

Christian Lammert ist Professor für Politikwissenschaft am John-F.-Kennedy-Institut der FU Berlin und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Amerikastudien (DGfA).

„Die Vorstellung, als Präsident einen historischen Frieden zu vermitteln, passt gut zu seinem Selbstverständnis und seiner politischen Inszenierung. Das Verhandeln eines Abschlusses ermöglicht ihm, ein bleibendes politisches Vermächtnis zu schaffen.“

Doch dass es so kommt, ist mehr als ungewiss. Trump hat im Ukraine-Krieg bislang nicht den Einfluss, den er gerne hätte. Sein Ansatz, die Kämpfe zu beenden, ist entgegen der einhelligen Meinung der westlichen Verbündeten nicht etwa die Aufrüstung der Ukraine, sondern das Verhandeln mit Putin.

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Insbesondere zu Beginn seiner zweiten Amtszeit im Januar war Trump besonders kritisch gegenüber der Ukraine, was in der öffentlichen Demütigung des ukrainischen Präsidenten im Weißen Haus gipfelte. Trump erzwang vielmehr ein Rohstoffabkommen mit der Ukraine, das er als ersten Deal zugunsten der USA verkaufen konnte.

Flankiert von Vize-Präsident J.D. Vance (rechts) ließ Donald Trump das Treffen Ende März mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj eskalieren.

© imago/MediaPunch/Jim LoScalzo

Russland gegenüber zeigte sich Trump aber offen, gegenüber Putin geradezu freundlich. Er rühmt sich für sein vermeintlich gutes Verhältnis zum russischen Präsidenten. Im Februar sagte Trump, er glaube, dass Putin Frieden wolle. „Ich denke, er würde es mir sagen, wenn er es nicht wollte“, sagte Trump.

„Trump hat mehrfach Sympathien für Putin geäußert und sieht in Russland auch potenziell einen Verhandlungspartner, der bei der Konfliktlösung entscheidend sein kann“, sagt Christian Lammert. Auch hier vermutet der US-Experte einen Teil von Trumps Motivation, einen Deal zu schließen. „Gleichzeitig dient seine Beziehung zu Putin oft auch zur Imagepflege, indem er sich als derjenige präsentiert, der trotz westlicher Skepsis Zugang zu den ‚mächtigen Männern‘ dieser Welt hat.“

Je länger der Krieg dauerte, desto frustrierender wurde es

Doch je länger der Krieg dauerte, desto frustrierender wurde es für Trump. Im April schrieb er geradezu verzweifelt auf seinem Social-Media-Kanal Truth Social: „Wladimir, Stopp! Jede Woche sterben 5000 Soldaten. Bringen wir das Friedensabkommen zustande!“

Trump telefoniert mit Putin Jetzt hilft nur noch Druck

Er beraumte mehrere Telefonate mit Putin an, die aber allesamt ergebnislos verliefen. Im Gegenteil: Am Tag vor einem am 19. Mai mit Spannung erwarteten Telefonat zwischen beiden Präsidenten ließ Putin die Ukraine mit dem bis dahin größten Drohnenangriff des Krieges attackieren.

Seine persönliche Überzeugung, den Deal um jeden Preis durchzusetzen, scheint größer zu sein als sein üblicher Drang nach sofortiger Machtdemonstration.

Christian Lammert, Professor für Politikwissenschaft am John-F.-Kennedy-Institut der Freien Universität Berlin

Nach wie vor will Trump jedoch einen Deal schließen. „Dass er dabei erhebliche Demütigungen und Rückschläge in Kauf nimmt, überrascht auf den ersten Blick, da Trump ja sonst meist Konflikt und Frustration durch starken Ausschluss oder Eskalation begegnet. Hier jedoch scheint seine persönliche Überzeugung, den Deal um jeden Preis durchzusetzen, größer zu sein als sein üblicher Drang nach sofortiger Machtdemonstration“, sagt Lammert.

Dies zeige auch eine gewisse Risikobereitschaft, die möglicherweise aus dem zunehmenden Druck resultiere, nach seiner Präsidentschaft politisch relevant zu bleiben.

Denn Trump erhofft sich schon seit Langem, den Friedensnobelpreis zu bekommen, was er immer wieder öffentlich einfordert. Sollte er als US-Präsident den Krieg in der Ukraine beenden, käme er seinem Ziel natürlich ein ganzes Stück näher.

Im Laufe der vergangenen Wochen wurde er immer kritischer gegenüber Putin und schien zu dem Schluss zu kommen, dass bei Putin nur Druck hilft.

Die Gefahr ist groß, dass Trump Putin bei seinen Gebietsforderungen weit entgegenkommt oder einem Formelkompromiss zustimmt, der den eigentlichen Konflikt nicht löst.

Jasper Trautsch, außerplanmäßiger Professor und im Nordamerikastudienprogramm der Universität Bonn

Mitte Juli hatte Trump dem russischen Präsidenten damit gedroht, in 50 Tagen Zölle in Höhe von etwa 100 Prozent für Russlands Handelspartner zu erheben, sollte es bis dahin kein Abkommen über einen Frieden in der Ukraine geben. Später verkürzte er diese Frist auf zehn Tage. Diese verstrich ohne Folgen. Stattdessen nun der Gipfel in Alaska am Freitag.

Mit Blick auf das Treffen sieht Jasper Trautsch deshalb auch eine Gefahr hinsichtlich Trumps Motivation für einen Deal. „Der andauernde Krieg in der Ukraine stellt eine schwere Hypothek für Trump dar“, sagt der außerplanmäßige Professor im Nordamerikastudienprogramm der Universität Bonn.

Jasper Trautsch ist außerplanmäßiger Professor und im Nordamerikastudienprogramm der Universität Bonn tätig.

„Ein Sieg Russlands, der infolge einer Einstellung amerikanischer Waffenlieferungen wahrscheinlicher würde, ließe ihn schwach erscheinen. Gleichzeitig ist der Druck vonseiten seiner Maga-Basis (nach Trumps Wahlspruch „Make America Great Again“) groß, kein Geld mehr in einen Konflikt fern von der Heimat zu stecken.“

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Tatsächlich hat Trump unter anderem mit einem Rückzug aus den internationalen Konflikten Wahlkampf gemacht und sich damit gebrüstet, den Ukraine-Krieg schnell beenden zu können.

„Seine großspurigen Versprechen aus dem Wahlkampf holen ihn ein. Deshalb ist die Gefahr so groß, dass er Putin bei seinen Gebietsforderungen weit entgegenkommt oder einem Formelkompromiss zustimmt, der den eigentlichen Konflikt nicht löst“, sagt Jasper Trautsch. „Trump muss hoffen, einigermaßen gesichtswahrend aus dieser Situation herauszukommen.“