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Kindheitstraumata könnten das Demenz-Risiko erhöhen. Eine Studie der Charité zeigt unerwartete Zusammenhänge. Die Forschung steht aber erst am Anfang.

Berlin/Fulda – Eine der heimtückischsten Erkrankungen, die vor allem im höheren Alter auftritt, ist die Demenz. Weltweit untersuchen Wissenschaftler die Ursachen dieser Krankheit, um wirksame Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Ein bedeutender Faktor wurde dabei bisher allerdings nicht berücksichtigt.

Traumata in der Kindheit erhöhen das Risiko für Demenz-Erkrankungen

Zwar kann neben den bekannten Risikofaktoren beispielsweise auch der Konsum von Alkohol – insbesondere ab einem bestimmten Alter – das Risiko für Demenz erhöhen. Doch der Grundstein für ein erhöhtes Risiko könnte bei vielen Menschen in Deutschland bereits in der Kindheit gelegt worden sein, wie fr.de berichtet.

Stressige und belastende Kindheitserfahrungen wirken sich nachweislich negativ auf die Gesundheit im Erwachsenenalter aus. Betroffene erkranken häufiger und leiden beispielsweise an Depressionen, Angststörungen, Herz-Kreislauf- oder Stoffwechselerkrankungen. Laut Wissenschaftlern der Charité Berlin könnten Stresserfahrungen in der Kindheit auch das Risiko für Demenz erhöhen.

„Stress und Trauma während der Kindheit wie etwa Misshandlung oder Vernachlässigung, häusliche Gewalt, Substanzmissbrauch oder Kriminalität in der Familie oder der Verlust eines Elternteils – Erfahrungen dieser Art betreffen tatsächlich nicht wenige Menschen in unserer Gesellschaft“, erklärt Prof. Christine Heim, Direktorin des Instituts für Medizinische Psychologie der Charité.

Illustration - Gewalt an KindernKinder, die Opfer von Misshandlung, Gewalt oder Vernachlässigung werden, haben Forschern zufolge ein erhöhtes Risiko später an Demenz zu erkranken. (Symbolbild) © Annette Riedl/dpa

Solche Belastungen können molekulare und neurobiologische Spuren hinterlassen und sowohl das Hormon- als auch das Immunsystem beeinflussen, was das Risiko für verschiedene Krankheiten, einschließlich Demenz, erheblich erhöht, heißt es weiter. Bis zu 40 Prozent der deutschen Bevölkerung soll demnach solche Erfahrungen gemacht haben.

An der Studie, die in enger Kooperation mit der Klinik für Neurologie der Charité durchgeführt wurde, nahmen 179 Frauen im Alter zwischen 30 und 60 Jahren teil. Da Frauen ein erhöhtes Risiko für neurodegenerative Erkrankungen haben, legten die Wissenschaftler den Fokus ihrer Forschungsarbeit auf diese Hochrisikogruppe.

„Zunächst haben wir klinische Interviews durchgeführt, um das Ausmaß stressreicher und hochbelastender Erfahrungen in der Kindheit – noch vor Einsetzen der Pubertät – zu erfassen“, sagt Lara Fleck, Doktorandin am Institut für Medizinische Psychologie der Charité und Erstautorin der Arbeit. Anschließend wurden Blutproben der Teilnehmerinnen auf Biomarker untersucht, die spezifische Entzündungsprozesse und das Absterben von Nervenzellen anzeigen.

Belastende Kindheitserfahrungen können das Hirn stärker altern lassen 

Zudem erstellten die Wissenschaftler Hirn-Scans und ermittelten die kognitive Leistung der Teilnehmerinnen mit einem standardisierten und international anerkannten Testverfahren. Die Ergebnisse waren auf allen drei Untersuchungsebenen eindeutig: Frauen, die in ihrer Kindheit viel Stress oder Traumata erlebt hatten, wiesen mehr Biomarker für Entzündungen und Neurodegeneration im Blut auf, hatten ein geringeres Hirnvolumen und mehr kognitive Probleme, heißt es in der Mitteilung der Charité.

„Die Ergebnisse unserer Studie zeigen einen sehr deutlichen Zusammenhang zwischen frühen psychosozialen oder sozio-emotionalen Stresserfahrungen und verstärkter Hirnalterung bei Frauen. Frühe belastende Lebenserfahrungen scheinen also tatsächlich das Risiko für die Entwicklung neurodegenerativer Erkrankungen zu erhöhen“, schließt Prof. Heim.

Wie hoch Ihr Demenz-Risiko ist: Zehn Lebensumstände tragen zu einer Erkrankung beiFrau sitzt traurig auf dem BettFotostrecke ansehen

Die Studie konzentrierte sich auf Demenz bei Frauen, da sie häufiger betroffen sind als Männer. Dennoch nimmt die Krankheit insgesamt zu. Prof. Matthias Endres, Direktor der Klinik für Neurologie der Charité, betonts, dass man besser verstehen lernen müsse, welche Risikofaktoren eine Rolle spielen. „Unsere Erkenntnisse werfen Licht auf bislang unerkannte, aber umso wichtigere Zusammenhänge“.

Es bleibt jedoch unklar, ob Frauen mit frühen Stresserfahrungen stärker gefährdet sein könnten als Männer mit ähnlichen Erlebnissen. Und es sei wichtig, darauf hinzuweisen, dass es Menschen gibt, die widerstandsfähiger sind und Lebenskrisen besser bewältigen können, so dass ihr Risiko geringer ist. „Viele Menschen besitzen ein hohes Maß an Resilienz, also Widerstandskraft, mit der sie schwere Lebenskrisen überstehen, ohne größeren Schaden zu nehmen.“ Wie Resilienz nach frühen belastenden Erfahrungen in der Kindheit gezielt gefördert werden kann, sei daher eine wichtige Frage für weiterführende Studien.

Resilienz: Nicht jeder Betroffene entwickelt später Demenz

Auch eine japanische Studie zeigte vor wenigen Jahren einen Zusammenhang zwischen drei oder mehr negativen Kindheitserfahrungen und Demenzerkrankungen bei älteren japanischen Erwachsenen. „Durch soziale Beziehungen und einen gesunden Lebensstil wurde dieser Zusammenhang jedoch etwas abgemildert, was auf die schützende Wirkung dieser Faktoren hindeutet“, schreibt das Digitale Demenzregister Bayern (digiDEM Bayern) auf seiner Website.

Unstrittig ist unter Experten indes die Rolle der Ernährung in der Demenz-Prävention. Eine Wissenschaftlerin nennt acht Lebensmittel, die wöchentlich mehrfach auf den Teller kommen sollten. Eine stark schützende Wirkung geht laut Forschern auch von einem bestimmten Getränk aus.

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