Stimmungsvolles Food-Rescue-Dinner in der Tübinger Straße. Foto: Jan Sellner
Das Team der Lebensmittelretter und Foodsharer um die Bürgerstiftung hat Großes vor. Dazu zählt die Gründung einer gemeinnützigen GmbH, um mehr bewirken zu können.
Ein Fünf-Gänge-Menü ist an sich schon etwas Besonderes. Vor allem wenn es sich so liest, wie das Menü, das am Mittwochabend an zwei langen Tafeln im Hof des Delis Claus in der Tübinger Straße von Koch Julian Schaber und seinem Team serviert wurde: Entrée aus Pflaume, Karotte und Cranberry, ein Zucchini-Meerrettich-Süppchen, dann Blumenkohl und Zitrone an Sesamsaat, Serviettenknödeln und Pilzen und zum krönenden Abschluss ein Apfel-Sonnenblumenkern-Dessert.
Der eigentliche Besonderheitsfaktor bestand jedoch in der Natur der 144 Kilo Lebensmittel, aus denen das Menü für die rund 70 Stuttgarter Gäste gezaubert wurde. Der Name Food-Rescue-Dinner deutete es an: Zu 91 Prozent handelte es sich um Lebensmittel, die sonst im Müll gelandet wären. Entweder, weil sie falsch verpackt waren, Druckstellen aufwiesen oder der Hersteller das Logo gewechselt hat.
Die neue gemeinnützige GmbH soll „Harrys Ernte“ heißen
Der Anlass für dieses von der Bürgerstiftung ausgerichtete Food-Rescue-Dinner war ein doppelter: zum einen, um das fünfjährige Bestehen von Harrys Bude zu feiern, die von Lebensmittelretter Harry Pfau und einem rund 50-köpfigen Team von Freiwilligen betrieben wird. Zum anderen informierte die Bürgerstiftung mit dem Freiluftdinner über ihr künftiges „Engagement für Lebensmittelgerechtigkeit“ in Stuttgart, das über ihr Projekt „Supp-Optimal – Essen für alle“ eng mit Harrys Bude verzahnt ist.
Bestandteile des Food-Rescue-Dinners Foto: Jan Sellner
Bisher kocht die Bürgerstiftung an mehreren Standorten in der Stadt Essen, das dann kostenlos verteilt wird. Nun will die Stiftung „den nächsten Schritt gehen“, wie Projektleiter Johannes Nöldeke beim Food-Rescue-Dinner ankündigte. Ziel sei es, die Aktivitäten an einem Standort (der allerdings noch gefunden werden muss) zu bündeln. Dort sollen gerettete Lebensmittel zentral gelagert und verarbeitet werden, um sie dann dezentral auszugeben. Um nicht mehr nur auf Spenden angewiesen zu sein, sondern künftig einzelne Leistungen, wie Firmen-Catering, auch bepreisen zu können, gibt die Bürgerstiftung dem Ganzen den rechtlichen Rahmen einer gemeinnützigen GmbH. Sie soll in den nächsten Monaten unter Namen „Harrys Ernte“ gegründet werden. Alleiniger Gesellschafter werde die Bürgerstiftung sein, hieß es.
Das notwendige Startkapital von 25 000 Euro hofft die Stiftung, über Spenden aufzubringen – auch zu diesem Zweck diente das von Jazzmusik umrahmte und in Kerzenlicht getauchte Food-Rescue-Dinner am Mittwochabend, zu dem Förderer, Unterstützer sowie Vertreter von Unternehmen, Kirchen, der Stadt, und der Politik geladen waren.
„Mit der Gründung von ,Harrys Ernte’ beginnt für uns ein neues Kapitel“, sagte Irene Armbruster, Geschäftsführerin der Bürgerstiftung. Projektleiter Nöldecke kündigte an, doppelt so viele Lebensmittel wie bisher – nämlich 30 000 Tonnen – retten zu wollen. Damit würde in Stuttgart ökologisch wie sozial noch mehr bewegt werden. Ziel sei es auch, „noch mehr Leute ins Engagement zu bringen“.
Lob vom Bezirksvorsteher: „Ihr seid wichtig!“
Schon das bisher Erreichte nötigte den Gästen Respekt ab. Bernhard Straub,
Geschäftsführer der Robert-Bosch-Stiftung, zeigte sich beeindruckt, „von dem, was möglich ist, wenn sich verschiedene Leute hinter eine Idee klemmen!“ Und auch der Bezirksvorsitzende von Stuttgart-Süd, Jonathan Makurath, lobte: „Ihr seid wichtig! Was Ihr tut, hat Strahlkraft in die gesamte Stadtgesellschaft hinein.“ Diese Art von Engagement brauche es im öffentlichen Raum.
Harry Pfau, der sich wünscht, „in jedem Stadtteil“ eine Bude einrichten zu können, an der gerettete Lebensmittel kostenlos ausgegeben werden, wird es gerne gehört haben. Ebenso wie die auf Anfrage unserer Zeitung erfolgte Auskunft der Stadt: „Es ist grundsätzlich möglich, einen Antrag zur Aufstellung eines mobilen Stands auf öffentlicher Verkehrsfläche zu stellen.“ Der Antrag würde dann verkehrs- und straßenrechtlich sowie gegebenenfalls baurechtlich geprüft. Bei Harrys Bude war das nicht so einfach. Er war in der Tübinger Straße daher auf kirchlichen Grund ausgewichen.