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Haben gemeinsam ein Stück Rockgeschichte nach Hofgeismar geholt: Gabriele von Pappenheim (von links), Evelyn Adam und Kurator Gerd Coordes vor ikonischen Stones-Motiven.Haben ein Stück Rockgeschichte nach Hofgeismar geholt: Gabriele von Pappenheim (von links), Evelyn Adam und Kurator Gerd Coordes vor ikonischen Stones-Motiven im Stadtmuseum. © Hoffmann, Sascha

Bis Mitte Oktober gibt es eine besondere Schau im Stadtmuseum Hofgeismar: Sie gibt Einblicke in das Wirken der legendären Rolling Stones.

Glanzstück der Ausstellung: Gerd Coordes mit der signierten „Satisfaction“-Single, die Gabriele von Pappenheim bei ihrem Treffen mit Jagger & Co. erhielt. Auf dem Foto des unvergesslichen Tages (rechts) ist es ebenfalls zu sehen – da noch ohne die wertvollen Unterschriften.Glanzstück der Ausstellung: Gerd Coordes mit der signierten „Satisfaction“-Single. © Hoffmann, Sascha

11. September 1965. Rote Tinte, hastig aufs Papier gekritzelt, der Puls zwischen Herz und Trommelfell: „Mick Jagger wollte mich küssen und ich habe es nicht gemacht – ich doofes, doofes Aas.“ Evelyn Adam (78) lacht, als sie diese Zeilen heute wieder liest. Es ist ihr Tagebuch, das seit Samstag als Teil der Sonderausstellung „Privataudienz bei den Rolling Stones“ im Hofgeismarer Stadtmuseum in einer Vitrine liegt, flankiert von vergilbten Tourplakaten und goldenen Schallplatten, bewundert von zahlreichen Eröffnungsgästen.

„Ich doofes, doofes Aas“: Der Tagebucheintrag, über den Evelyn Adam noch heute schmunzeln muss.„Ich doofes, doofes Aas“: Der Tagebucheintrag, über den Evelyn Adam noch heute schmunzeln muss. © Temme, Tanja

Auf einem Schwarz-Weiß-Foto: Adam und Freundin Gabriele von Pappenheim – keine Fans in der Menge, sondern direkt neben den Stones am Abend ihres ersten Deutschlandkonzerts in Münster. Dorthin führte sie kein Zufall, sondern ein Plan, so kühn wie simpel: selbstgebastelte Presseausweise, geliehene Kamera, Notizblock. Erst tricksten die ehemaligen Abiturientinnen der Albert-Schweitzer-Schule einen älteren Ordner aus, dann passierten sie deutsche und britische Polizei – immer mit derselben Geschichte: angehende Journalistinnen auf der Jagd nach der Chance ihres Lebens.

Verwandelt ihre Vitrinen mit allerlei Stones-Raritäten in ein Schaufenster der Rockgeschichte: Museumskoordinatorin Katharina Zeller.Rockgeschichte: Museumskoordinatorin Katharina Zeller holte Stones-Raritäten nach Hofgeismar. © Hoffmann, SaschaAuf einmal waren sie backstage

„Plötzlich ging die Tür auf“, erinnert sich die heute in Bremen lebende von Pappenheim (79). Drinnen: Keith Richards auf einer Holzbank, Mick Jagger in Flirtlaune und Bill Wyman mit einem zweideutigen Gedicht. „Wir haben uns extra nicht wie kreischende Fans benommen – ganz cool bleiben, das war die beste Taktik.“

Selbstgemachter Türöffner: Der Presseausweis, mit dem Evelyn Adam und Gabriele von Pappenheim 1965 zu den Stones gelangten.Selbstgemachter Türöffner: Der Presseausweis, mit dem Evelyn Adam und Gabriele von Pappenheim 1965 zu den Stones gelangten. © Hoffmann, Sascha

Bekannt blieb die unglaubliche Geschichte dank eines Artikels im Magazin Musikparade. Darin: ein Foto von „Evelyn und Gabi aus Hofgeismar“. Stones-Fan Gerd Coordes suchte die beiden jahrzehntelang, fand sie 2012 und interviewte sie für eines seiner Bücher über die Stones. „Da wusste ich: Die Story stimmt, und sie ist zu gut, um im Archiv zu verstauben.“ Heute steht er mitten in der von ihm kurierten Ausstellung, zwischen Raritäten aus seiner eigenen Sammlung und den Schätzen der Zeitzeuginnen – allen voran das signierte „Satisfaction“-Cover, das von Pappenheim in der Garderobe bekam und erst kürzlich wiederfand.

Evelyn Adam (links) und Gabriele von Pappenheim mit dem signierten Konzertplakat – genau jenem, das vor 60 Jahren am Ort ihres legendären Treffens mit den Rolling Stones hing.Evelyn Adam (links) und Gabriele von Pappenheim mit dem signierten Konzertplakat – genau jenem, das vor 60 Jahren am Ort ihres legendären Treffens mit den Rolling Stones hing. © Temme, Tanja

Und die Frage, die einfach gestellt werden muss: Warum sind sie keine Groupies geworden? Von Pappenheim lacht. „Wir wurden gefragt, ob wir mit nach Essen ins Hotel kommen.“ Adam, heute 78 und bei Göttingen zu Hause, schüttelt entschieden den Kopf. „Wir mussten am nächsten Tag in die Schule. Außerdem habe ich Jungs immer erst nach vier Wochen geküsst.“ Mick Jagger musste sich mit einem Wangenkuss begnügen. Hat sie es bereut? „Nein, auf keinen Fall.“ Und doch wird ihre Stimme leiser, als sie die Zeile aus ihrem Tagebuch wiederholt: „Ich doofes, doofes Aas.“