Die Liste der Japaner ist lang – Takahara, Inamoto, Inui, Hasebe und Kamada: Einen dermaßen offensiven Fußballprofi wie Ritsu Doan hat die Eintracht jedoch noch nie verpflichtet. Zumindest verbal.
Der 27 Jahre alte offensive Mittelfeldspieler sagte am Mittwoch bei seiner Vorstellungs-Pressekonferenz: „In der Champions League zu spielen, war mein großes Ziel. Aber wir dürfen nicht mit dem Gefühl des Herausforderers antreten, wir müssen mental einen Schritt weiter sein.“ Wenn schon Königsklasse, dann aber richtig.
Doan gehört zu den Japanern, die sich nicht dem traditionellen Erziehungsprinzip unterworfen haben, das Bescheidenheit, Höflichkeit und Zurückhaltung in einem Maß favorisiert, das für manche Westeuropäer an Unterwürfigkeit grenzt. Der Fußballprofi besitzt ein gesundes Selbstbewusstsein, mit dem er nicht hinter dem Berg hält.
Extrovertierte Persönlichkeit mit vielen Interessen
So machte er in Asien Schlagzeilen, als er in einem Interview anlässlich eines WM-Qualifikationsspiels betonte: „Japan ist stark genug, um Weltmeister zu werden.“ Auch sonst spricht der offensive Mittelfeldspieler unumwunden von seinen Ansichten, Vorlieben und Stärken. Dabei wird eine extrovertierte Persönlichkeit mit vielen Interessen erkennbar.
Er erzählt gerne von seinem persönlichen Koch, der täglich sein Abendessen zubereitet, er bezeichnet sich als Mode-verrückt und Galoppsport-begeistert, kürzlich hat er ein Donut-Restaurant eröffnet. Seine Hochzeitsfeier vor einigen Wochen war ein gesellschaftliches Ereignis in Japan, auch durch die Gästeliste, auf der sich Schauspieler und andere Personen des öffentlichen Lebens befanden.
Das Glamourhafte findet sich in Doans Einstellung zum Fußball nur in Spurenelementen. Ja, seine Dribbelfähigkeit, seine Ballbehandlung und Körperbeherrschung können Fans in Verzückung versetzen. Aber Grundlage seines Spiels sind Ehrgeiz, harte Arbeit und Sinn für das Kollektiv. „Doan ist ein sehr schlauer Fußballer, ruhig, verlässlich, einer, der andere Spieler besser macht“, lobte Trainer Mark van Bommel, als der Japaner sein Spieler beim PSV Eindhoven war.
Diese Mischung aus individueller Klasse und bereitwilliger Unterwerfung in den Gruppenzwang, gepaart mit riesigem Ehrgeiz, großer Widerstandsfähigkeit und einer verblüffenden Konstanz in seinen Leistungen machen Doan zu einer völlig risikolosen Neuverpflichtung. Mit der Eintracht war sich der Flügelspieler schon lange einig, die Verhandlungen um die Ablösesumme zogen sich jedoch lange hin. Der SC Freiburg hätte Doan gerne nach England verkauft, da wäre mehr Geld drin gewesen. Aber der Japaner wollte unbedingt nach Frankfurt und so einigte man sich doch auf einen für alle Seiten annehmbaren Kompromiss von circa 21 Millionen Euro.
Den ersten Kontakt zu Doan hatte Sportvorstand Markus Krösche schon vor einem Jahr hergestellt. Damals signalisierten die Freiburger noch ein klares Nein nach Frankfurt und gegenüber ihrem Spieler. „Das habe ich respektiert, aber hinterlegt, ein Jahr später wechseln zu wollen.“ Noch länger war ein Wechsel zur Eintracht zwischen ihm und Mario Götze ein Thema. Die beiden spielten vor vier Jahren gemeinsam in Eindhoven, dann trennten sich ihre Wege. „Mario schrieb mir immer wieder – komm nach Frankfurt, ich warte auf dich, wann unterschreibst du endlich“, berichtete Doan am Mittwoch. „Auch das hat mir gezeigt, sie wollen dich unbedingt.“ Je länger der Kontakt bestand, je intensiver die Gespräche verliefen, desto überzeugter wurde der Flügelspieler von Frankfurt.
Als die Eintracht im Entscheidungsspiel um den Einzug in die Champions League am letzten Spieltag gegen den SC Freiburg antrat, war seine Wechselabsicht kein Geheimnis mehr. Er sei von einem Frankfurter Gegenspieler fünf Minuten vor dem Abpfiff beim Stand von 3:1 für die Eintracht gefragt worden, na, dann kommst du jetzt zu uns. „Ich war noch so gefangen im Spiel, ich habe nur gedacht, was erzählt er für einen Quatsch.“ Wie ernst er seine letzte Aufgabe für seinen alten Klub genommen hatte, spiegelte sich allein in seinem Führungstreffer für die Freiburger. Mit etwas Abstand war Doan jedoch froh, verloren zu haben. „Es war am besten so, wie es gekommen ist.“
Bei der Eintracht möchte er die Rolle spielen, die er in Freiburg hatte: „Dort hat man das Spiel auf mich zugeschnitten, die Mitspieler haben mir vertraut. Aber das hat drei Jahre gedauert.“ Er erwartet nicht, dass ihm das in Frankfurt auf Anhieb gelingen werde. „Aber wir versuchen es, und natürlich bin ich auch bereit, mich meinen Mitspielern anzupassen. Wir müssen einfach ausprobieren, wie es am besten passt.“