Der Neuzuschnitt der Wahlkreise im Bezirk Friedrichshain-Kreuzburg hat großen Unmut ausgelöst. CDU, SPD und Linke werfen den Grünen und insbesondere der Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann (Grüne) vor, aufgrund parteipolitischer Motive einen Vorschlag des Fachamts ignoriert zu haben.

Anfang Juni hatte das Abgeordnetenhaus die Anzahl der 78 Wahlkreise neu verteilt. Seitdem war klar, dass Friedrichshain-Kreuzberg künftig einen Wahlkreis weniger haben würde – statt sechs nur noch fünf. Die Verteilung ist nach dem Landeswahlgesetz durch den Senat so zu bestimmen, dass auf alle Wahlkreise eine möglichst gleich große Anzahl von Wahlberechtigten entfällt.

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In den vergangenen Wochen erarbeitete das zuständige Fachamt im Bezirk nach übereinstimmenden Berichten zwei Vorschläge. Doch die Grünen hatten andere Vorstellungen – und erarbeiteten eine eigene Neuaufteilung.

Am Dienstag kam es zur finalen Abstimmung. Die drei Stadträte von Linken, SPD und CDU votierten für einen der Vorschläge des Wahlamts. Die zwei Stadträte der Grünen und Bezirksbürgermeisterin Herrmann hingegen stimmten für ihren eigenen Entwurf. Da bei einem Patt die Stimme der Bezirksbürgermeisterin entscheidend ist, setzten sich die Grünen durch.

Die anderen Parteien werfen der Partei vor, die Wahlkreise so zugeschnitten zu haben, dass bei kommenden Wahlen die Grünen bessere Chancen auf ein gutes Ergebnis haben.

In der Tat zeigt sich beim Vergleich der Karten, dass zum Beispiel nun der Bereich um die Markthalle Neun in Kreuzberg dem neu gezeichneten Wahlkreis 4 zugeschlagen wurde. In diesem Bereich holten die Grünen bei der Abgeordnetenhauswahl 2023 die meisten Stimmen.

© Tagesspiegel I Stand: 14. August 2025 I Rita Boettcher

„Wenn Wahlkreiszuschnitte aus Geschäftsstellen von Parteien kommen und nicht den Vorschlag von Fachämtern aufgreifen und folgen, schadet das nicht nur dem Ansehen des Bezirksamtes, sondern der Demokratie im Ganzen“, sagte CDU-Bezirksstadtrat Max Kindler.

Die SPD-Friedrichshain spricht gar von „Gerrymandering auf grüne Art“. Als Gerrymandering wird die Verschiebung von Wahlkreisgrenzen durch Parteien oder Akteure bezeichnet, die sich dadurch höhere Erfolgschancen ausrechnen. Das Verfahren ist vor allem aus den USA bekannt.

© Tagesspiegel I Stand: 14. August 2025 I Rita Boettcher

Bezirksamt gibt keine Auskunft zu Gründen

„Es ist erschreckend, wie wenig Wert die Grünen auf die gewachsenen Strukturen unserer Kieze legen“, sagte Cornelius Brandmiller, Co-Vorsitzender der SPD Friedrichshain-Kreuzberg. Die beschlossenen Zuschnitte gingen völlig an der Lebensrealität der Menschen vor Ort vorbei.

„Besonders bemerkenswert ist, dass ein vom Bezirksamt erarbeiteter Vorschlag, der die Zustimmung des gesamten demokratischen Spektrums von CDU bis Linke gefunden hätte, von den Grünen nicht einmal als Diskussionsgrundlage akzeptiert wurde.“ Brandmillers Co-Vorsitzende Sevim Aydin sagte: „Dieses Verhalten erinnert an politische Praktiken, die wir sonst eher aus den USA kennen.“

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„Ganz offensichtlich und schamlos wurden hier die Wahlkreisgrenzen nach politischem Interesse verschoben“, sagte auch Damiano Valgolio, stellvertretender Bezirksvorsitzender der Linken im Bezirk – und direkt gewählter Abgeordneter für den bisherigen Wahlkreis 4. Er halte das Vorgehen für „respektlos den Wählern gegenüber.“ Offensichtlich bestehe bei den Grünen Panik, sagte er.

Ein Sprecher des Bezirksamts erklärte knapp, es sei „übliche Praxis seit Jahren“, dass die Parteien sich zu Wahlkreiszuschnitten verständigten. „Wir mussten im Bezirksamt feststellen, dass in diesem Jahr keine Verständigung erzielt wurde.“ Vom Bezirkswahlleiter seien beide Varianten als rechtlich zulässig erklärt worden. Zu weiteren Gründen für die Entscheidung wollte sich das Bezirksamt nicht äußern.