Es ist ein Wettlauf mit der Zeit. Nachdem beim Start des Ocean Race Europe in Kiel die Rennyachten Allagrande Mapei und Holcim PRB zusammengestoßen sind, sind beide Teams unter Hochdruck dabei, die Schäden an ihren Imocas zu fixen. Der Zeitdruck ist deshalb so hoch, weil schon am Sonntag die zweite Etappe von Portsmouth in England nach Cartagena in Spanien startet. Die fünf Teams im Rennen werden heute, in der Nacht zum Donnerstag, bereits im Ziel in Portsmouth erwartet. Zwischen den Legs gibt es nur wenige Ruhetage. Holcim PRB und Allagrande Mapei müssen also, um beim Start dabei zu sein, die Yachten bis Sonntagmorgen dorthin verbringen.
Rosalin Kuiper, Franck Cammas und die Riggerin begutachten das neue Teil © PolaRYSE
Doch vorher muss Holcim PRB den Rumpfschaden repariert haben. Schon am Sonntag nach dem Crash beim Start ging das Boot abends zur Knierim-Werft im Kielkanal. Das Schweizer Team um Skipperin Rosalin Kuiper kann von Glück sagen, dass es eine Werft gibt, die bestens auf diese Art Schäden eingerichtet ist. Es sind nur wenige in Deutschland, die in kurzer Zeit einen Carbonrumpf wieder segeltüchtig machen können.
Dafür braucht es als Erstes einen Ultraschall-Scan. Mit ihm können die Komposit-Techniker erkennen, was im Inneren der Struktur beschädigt ist. Sind Haarrisse und Weißbruch im Laminat, muss es repariert werden. Der Ultraschall, das sogenannte „NDT Nondistructing Scanning“, wird bei Knierim vom Subunternehmer Carbon Globe ausgeführt. Doch offenbar ist nichts weiter an der tragenden Struktur beschädigt. So besteht für Holcim PRB die Chance, wieder ins Rennen einzusteigen. Das Rennteam hatte also Glück im Unglück. Denn wäre die Wantenbefestigung betroffen, wäre dies so schnell nicht zu reparieren und das Rennen definitiv vorbei gewesen.
Das Timing ist tight
Trotzdem bleibt es ein sehr enger Zeittakt. Designer Guillaume Verdier hat die Bauform und CAD-Zeichnungen an die Werft weitergegeben, damit die Techniker genau bestimmen konnten, wie der Laminierplan an der Schadensstelle des Rumpfs aussieht, um die Struktur exakt so wieder aufzubauen. Das ist für die Struktur des Rumpfes, der bei hoher Geschwindigkeit großen Kräften ausgesetzt ist, absolut notwendig.
Das neue Rumpsfstück wird in den Rumpf geklebt und fixiert © PolaRYSE
Dazu wurde zuerst ein Schaumkern für die innere Struktur des Kohlefaserrumpfs gefräst und genau in die offene Stelle eingepasst. Im Anschluss wurden Prepac-Karbonfasermatten – die schon mit Harz getränkt und gekühlt sind – auf den Schaumkern aufgelegt und im Vakuumverfahren ausgehärtet. Das Verfahren dauert viele Stunden. In der Werft wurde deshalb fast rund um die Uhr gearbeitet. Doch nun scheint das Wesentliche getan zu sein. Das Team von Holcim PRB gab heute Mittag bekannt, dass die Arbeiten am Rumpf gut vorankommen.
Nicolas Lunven prüft das neue Bauteil © PolaRYSE
Parallel zu den Arbeiten wird ein Teil des Holcim-PRB-Teams mit der Reparatur der durch die Kollision verursachten Schäden am Outrigger beginnen. Insbesondere soll die Auslegerstrebe ersetzt werden. Ein Rigg-Experte wird dabei unterstützen. Das Team von Holcim PRB ist zuversichtlich, dass auch diese Reparaturen in den nächsten Tagen abgeschlossen sein werden. Danach absolviert das Boot mehrere Sicherheitstests, bevor es wieder als seetüchtig gilt. Werft und Team sind vorsichtig optimistisch, dass sie sich in den kommenden Tagen auf den Weg nach Portsmouth machen können.
Allagrande Mapei arbeitet am Rigg
Währenddessen liegt das Boot des anderen Havaristen, dem Team Allagrande Mapei, im Sporthafen Seeburg in Kiel. Das Großsegel, dass beim Crash einen Riss erlitt, ist repariert. Doch das Vorsegel – Code Zero – ist irreparabel kaputt. Offensichtlich hat das Team ein solches Segeltuch in Auftrag gegeben. Doch es wird kaum bis zum Start in Portsmouth fertig sein, geschweige denn ein Branding haben. Thomas Ruyant hat sicher noch einen älteren Code Zero. Doch ist der noch einsatzfähig?
Das Rigger-Team von Allagrande Mapei bei der Arbeit © Vincent Curutchet / The Ocean Race Europe 2025
Der neue Outrigger für die Mapei, der bei der Kollision Schaden nahm, ist bereits mit dem Transporter aus Lorient angekommen, auch die Want – D0 – ist dabei. Doch es scheint, als wäre auch die Aufnahme des D0 beschädigt. Ambrogio Beccario schreibt auf Instagram: „Es sind nicht nur Kratzer, etwas ziemlich Wichtiges ist kaputt gegangen. Das ist nichts, was man mit Klebeband reparieren kann. Wir wissen nicht, ob wir es rechtzeitig zurück schaffen, aber glaubt mir – sie versuchen alles, damit wir ins Rennen zurückkehren können.“
Mit der Rennyacht durch den Kanal
Der schnellste Weg nach Portsmouth führt unter Motor durch den Nordostseekanal. So sparen die Teams mindestens einen Tag und müssen nicht um Dänemark segeln. Mit Lotsen können die Imocas sogar nachts fahren. Sie brauchen in der Schleuse Brunsbüttel aber ein Schlauchboot, das sie sichert und auch anschieben kann. Denn die Dieseltanks auf einer Rennyacht fassen nur zwischen 35 und 80 Liter an Bord.
Mit dem Beiboot können sie also auch nachtanken. In acht Stunden könnten die Racer so an der Elbmündung sein. Wenn sie am Freitag auf die Nordsee rausfahren, könnten sie es mit dem Nordwind, der für Freitag angekündigt ist, noch rechtzeitig nach Portsmouth zum Start schaffen. Es bleibt also spannend!