Es war knapp. Das Luv-Foil von Holcim PRB, hoch in die Luft ragend, schlitzte die Genua von Allagrande Mapei Racing auf, deren Leefoil wurde vermutlich nur nicht beschädigt, weil der Kiel von Holcim PRC in der Mitte oder sogar in Lee stand. Bei einer Berührung wäre dieser Foil wohl gebrochen. Das hätte leicht das Aus bedeuten können. Denn zum einen dauert das Anfertigen eines Foilpaares wegen der aufwändigen Fertigungsweise bis zu einem Dreivierteljahr. Bis zu 300 Kohlefaserschichten werden dafür übereinander gelegt, laminiert und verdichtet. Alle drei Lagen muss das Bauteil getempert werden. Außerdem schlagen die Kosten mit 700.000 bis 800.000 Euro zu Buche. Und man kann sich nicht mal eben ein Ersatzfoil von einem anderen Team borgen. Aus zwei Gründen:
Foils sind selten kompatibel
Das Foil des einen Teams passt selten in den Rumpf eines anderen Bootes. Die Auslegung des Einzieh- und Neigemechanismus, die Flügel können bis zu fünf Grad im Anstellwinkel variiert werden, ist von Designer zu Designer unterschiedlich und variiert auch nach dem Alter der Boote. Ein Ersatzfoil wäre nur von einem echten Schwesterschioff möglich, doch auch dann müsste es erst bei diesem ausgebaut, transportiert und neu eingebaut werden. Das würde viel Zeit und Geld verschlingen.
Unterschiedliche Foils sind verboten
Selbst wenn das Foil eines anderen Teams passen sollte, muss es dem anderen eingesetzten Foil gleichen. Flügel mit unterschiedlichen Eigenschaften, wie Profil, Spannweite oder Eintauchtiefe, sind verboten. Dieses Verbot hat unterschiedliche Gründe. Es wäre einfacher, schnellere Technologiefortschritte zu erzielen, wenn man etwa im Training, mit zwei unterschiedlichen Foils fahren dürfte. Dann ließen sich die Performance-Werte des Bootes bei denselben Bedingungen mit jeweils einem anderen Foil direkt vergleichen und die Designer wüssten sofort, welches Foil besser performt.
Wenn dagegen immer nur gleiche Foils eingesetzt werden, können zwar auch Performance-Daten erhoben und mit anderen Sessions, bei denen andere Foils eingesetzt werden, verglichen werden. Nur sind die Bedingungen beim Segeln nie gleich und bei dieser Methode muss mehr interpoliert werden, was die Ergebnisse immer verfälscht.
Verschiedene Foils wären sinnvoll
Ein weiterer Aspekt für das Verbot unterschiedlicher Foils ist, die Chancengleichheit zu wahren. So könnten besser finanzierte Teams spezielle Foils für definierte Kurse bauen. Dann könnte etwa für lange Raumwindpassagen im Southern Ocean auf der einen Seite ein spezielles Raumwindfoil eingebaut werden, auf der anderen ein Amwindfoil für den Teil, wenn es nach dem Kap Hoorn wieder nach Norden geht.
Beide Verbote haben letztlich das Ziel, die Kosten für einen Imoca nicht weiter explodieren zu lassen und auch ältere Boote konkurrenzfähig zu halten.
Das Foil-Handling ist entscheidend
Ebenso wichtig wie das richtige Foil ist dessen richtiger Einsatz. Das demonstrierte Paul Meilhat mit “Biotherm” direkt nach dem Start eindrucksvoll. Das Team segelte seinen Imoca im kompletten Foilmodus, der Rumpf berührte das Wasser nicht, oder nur sehr geringfügig ganz achtern. Das schien lange unmöglich, da so genannte Elevatoren verboten sind. Dabei handelt es sich um T-Ruder, normale Ruderblätter, die aber über einen verstellbaren Querflügel an der Spitze verfügen. Dieser würde das Heck aus dem Wasser haben. Solche Ruder werden beim America’s Cup, SailGP oder in der Moth-Klasse eingesetzt. Eigentlich überall dort, wo gefoilt wird. Nur nicht bei den Imocas.
Das verbietet eine Klassenregel und hat wieder den Hintergrund, Kosten im Zaum und ältere Boote konkurrenzfähig zu halten. Eigentlich liegen die Imocas deswegen auch im Foilmodus immer mit dem Heck noch leicht im Wasser. Dass es dem “Biotherm”-Team dennoch gelungen ist, einen 100-Prozent-Flugmodus zu halten, war eine Meisterleistung. Dazu brauchte es relativ ruhiges Wasser, aber vor allem perfekt eingestellte Foils und Segel. Das Boot befand sich so in einer austarierten Waage, deren Achse das Leefoil im Zusammenspiel mit der Kielfinne bildete. Ein äußerst filigranes Gebilde, das jedoch mit dem Enteilen des Bootes vor der Konkurrenz zeigte, welches Potenzial noch in den Booten steckt.
Ob künftig Elevatoren freigegeben werden, welche noch einmal einen deutlichen Leistungssprung bedeuten würden, ist jedoch ungewiss. Neben den erwähnten Kosten- und Fairnessaspekten kommt bei der Erwägung auch die Sicherheit noch deutlicher ins Spiel. Denn ein dauerhaft fliegendes Boot könnte so schnell werden, dass die Folgen, wenn es in eine schwere See kracht, weder berechenbar noch abzuschätzen wären.
Warum es unterschiedliche Foils gibt
Die Unterschiede der Profilformen sind noch immer groß, was am Alter und Entwicklungszeitpunkt einer Tragfläche, aber auch an unterschiedlichen Philosophien der Designer liegt. So gibt es Foils, die tiefer im Wasser liegen und die Boote schon früh ziemlich hoch aus dem Wasser pressen. Zum einen sind diese Profile weniger anfällig für Ventilation, weil sie weniger Luft ziehen. Zum anderen ist ein Foil dadurch besser vor Kollisionen mit Treibgut an der Wasseroberfläche geschützt. Andere, schmalere und zugleich ausladendere Foils, die dichter unter der Wasseroberfläche liegen, können dagegen weniger Widerstand erzeugen.
Viele Top-Teams haben für ihre aktuelle Kampagne mindestens zwei Foil-Versionen entwickelt, manche, wie Mitfavorit Jérémie Beyou von „Charal“, sogar noch eine dritte. Das war teils nötig, weil die Profile einen weiteren technologischen Sprung gemacht haben. Erstmals sind sie bei dieser Vendée auch in der Längsachse um fünf Grad verstellbar. Das heißt, sie können im Winkel, in dem sie sich ins Wasser pressen, angestellt werden – ähnlich einer Landeklappe beim Flugzeug. Das war 2016 noch verboten.
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