Lange hatten russische und amerikanische Medien über ein mögliches Treffen zwischen Donald Trump und Wladimir Putin spekuliert – nun soll es tatsächlich stattfinden: An diesem Freitag wollen der US-Präsident und sein russischer Amtskollege in Alaska zusammenkommen, um über eine Waffenruhe im Ukraine-Krieg zu beraten.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach bereits vorab von einem „Täuschungsversuch“ durch den Aggressor Russland, auch europäische Verbündete zeigten sich besorgt. Was ist bislang bekannt über den mit Spannung erwarteten Gipfel?

Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wo und wann treffen sich die Staatschefs?

Der erste Besuch von Putin auf US-Boden seit 2015 soll in Anchorage stattfinden, der größten Stadt im nördlichsten Bundesstaat der Vereinigten Staaten.

Laut Kreml-Angaben soll das Treffen gegen 11.30 Uhr Ortszeit auf der US-Militärbasis Elmendorf-Richardson beginnen.

Da die Zeitverschiebung zwischen Berlin und Anchorage zehn Stunden beträgt, ist davon auszugehen, dass erste Ergebnisse am späten Freitagabend oder sogar erst in der Nacht zum Samstag deutscher Zeit bekannt werden.

Trumps Sprecherin Karoline Leavitt kündigte an, der US-Präsident werde am Freitagmorgen Richtung Anchorage aufbrechen. Putin wiederum muss vom östlichen Rand seines Riesenreiches nur die Beringsee mit dem Flugzeug überqueren – dann ist er in Alaska.

Auch die Geschichte verbindet Russland mit der dünn besiedelten und ölreichen Region: Bis 1867 gehörte Alaska zum russischen Zarenreich, dann verkaufte Moskau das rund 1,6 Millionen Quadratkilometer große Gebiet für etwas mehr als sieben Millionen Dollar an die USA.

Was macht den Gipfel so historisch?

Es handelt sich um das erste persönliche Aufeinandertreffen der beiden Präsidenten seit sechs Jahren. Insgesamt sahen sie sich während Trumps erster Amtszeit sechsmal, zuletzt 2019 beim G20-Gipfel im japanischen Osaka. Seit dem Beginn von Trumps zweiter Amtszeit im Januar haben er und Putin bislang lediglich miteinander telefoniert.

Donald Trump (links) und Wladimir Putin bei einem ihrer letzten Treffen 2018 in Helsinki.

© imago/ITAR-TASS/Alexei Nikolsky

Zum Ärger vieler Ukrainer ist ihr Land, um das es bei dem Treffen gehen soll, selbst nicht in Anchorage vertreten. Staatschef Selenskyj sprach in den vergangenen Tagen zwar mehrfach mit Trump und soll auch nach dem Gipfel direkt vom US-Präsidenten angerufen werden. Nach Alaska eingeladen wurde er aber nicht.

Zu erwarten sind große Gesten und Worte sowie starke Bilder, die um die Welt gehen und Macht demonstrieren sollen.

Gwendolyn Sasse, Leiterin des Zentrums für Osteuropa- und internationale Studien in Berlin

In Russland verglichen einige Kommentatoren den Gipfel deshalb bereits im Vorfeld mit der Konferenz von Jalta 1945, bei der Amerikaner, Briten und Sowjets die Machtverteilung in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg besprachen.

Zwischen Washington und Moskau Fünf Treffen, die die Welt verändert haben

Dass Russland von Trump offenbar auch heute noch als Weltmacht angesehen wird und über die Köpfe der Ukrainer hinweg über Krieg und Frieden in Europa verhandeln darf, gefällt den Hardlinern in Moskau.

„Zu erwarten sind große Gesten und Worte sowie starke Bilder, die um die Welt gehen und Macht demonstrieren sollen“, sagt Gwendolyn Sasse dem Tagesspiegel. Sie leitet das Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien in Berlin. „Für Putin ist bereits das Treffen mit Trump auf Augenhöhe in den USA ein Erfolg.“

Was kann das Treffen bringen?

Trumps Sprecherin bezeichnete das bevorstehende Gespräch vor einigen Tagen als „listening exercise“, als „Übung im Zuhören“ für ihren Präsidenten. Der wolle ein besseres Verständnis dafür bekommen, wie der Krieg in der Ukraine beendet werden könne.

Der Republikaner selbst wiederum drohte Putin mit „sehr schwerwiegenden Konsequenzen“, falls der Kremlchef nach mehr als dreieinhalb Jahren Angriffskrieg auch dieses Mal keine ernsthafte Friedensabsicht durchblicken lassen sollte.

Wolodymyr Selenskyj und Donald Trump während ihres historischen Streits Ende Februar im Weißen Haus. In den vergangenen Monaten versuchte der US-Staatschef es mal mit Druck auf den Aggressor – mal auf das Opfer.

© Imago/CNP/AdMedia/Pool/Jim LoScalzo

Allein: Trumps Glaubwürdigkeit ist beschädigt. Der Gipfel in Alaska ist das Ergebnis eines langen Schlingerkurses des US-Präsidenten, der unbedingt als Friedensstifter in die Geschichte eingehen möchte.

In den ersten Monaten seiner Amtszeit versuchte er es mit Anbiederung an Moskau, dann mit Druck – nun sucht er doch wieder den Dialog mit dem Aggressor. Von weitreichenden Handelssanktionen, die er schon vor rund einer Woche umgesetzt haben wollte, ist längst keine Rede mehr.

Selbst wenn sich Trump und Putin auf Gebietsabtritte der Ukraine verständigen, wird daraus weder ein abgesicherter Waffenstillstand noch ein dauerhafter Frieden.

Gwendolyn Sasse, Leiterin des Zentrums für Osteuropa- und internationale Studien in Berlin

In US-Medien kursierten Gerüchte, wonach Putin in Anchorage möglicherweise ein Aussetzen von Luftangriffen anbieten könnte, um Trump zu beschwichtigen. Das wäre allerdings deutlich weniger als die bedingungslose, umfassende Waffenruhe, die Kiew schon vor mehreren Wochen angeboten hat.

Gwendolyn Sasse ist wissenschaftliche Direktorin des Zentrums für Osteuropa- und internationale Studien sowie Einstein-Professorin für Vergleichende Demokratie- und Autoritarismusforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin.

Nennenswerte Resultate seien kaum zu erwarten, sagt Politologin Sasse. „Das Ergebnis dieses Treffens kann in Abwesenheit des ukrainischen Präsidenten lediglich eine Deklaration sein, für deren Umsetzung die Grundlage fehlt“, meint sie. „Selbst wenn sich Trump und Putin auf Gebietsabtritte der Ukraine verständigen, wird daraus weder ein abgesicherter Waffenstillstand noch ein dauerhafter Frieden.“

Es bestehe allerdings die Gefahr, dass Trump mit Putin eine entsprechende Vereinbarung treffe und sie dann indirekt durchzudrücken versuche, indem er die US-Militärhilfe für die Ukraine dauerhaft zurückfahre.

Was fordert Putin?

Der Kreml beteuert zwar immer, an Frieden interessiert zu sein – beharrt jedoch auf seinen maximalen Kriegszielen. Diese sehen unter anderem eine vollständige Eroberung der ukrainischen Regionen Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja sowie eine politische und militärische Entmachtung des Nachbarlandes vor.

Nach einem Besuch des US-Sondergesandten Steve Witkoff am 6. August in Moskau gab es kurzzeitig Hoffnung, dass sich daran etwas geändert haben könnte: In einem ersten Telefonat mit europäischen Politikern sprach die US-Seite von einem „Gebietstausch“, den der Kremlchef angeblich gegenüber Witkoff in Aussicht gestellt habe.

Wenig später stellte sich jedoch heraus, dass das offenbar ein Missverständnis gewesen war. Putin – so erfuhren es US-Journalisten – sei keinesfalls zur Aufgabe von besetztem Territorium bereit. Stattdessen soll der Kremlchef einen kompletten Rückzug der ukrainischen Armee aus Luhansk und Donezk als Bedingung für eine umfassende Waffenruhe gefordert haben. In Cherson und Saporischschja will er die Front demnach zunächst einfrieren.

Wie lautet die ukrainische Position?

Selenskyj bezeichnete den russischen Vorschlag als Versuch, Trump zu täuschen und Friedenswillen nur vorzugaukeln. Tatsächlich würde die Umsetzung dieses Plans bedeuten, dass die Ukraine noch mehr Land verliert als ohnehin schon, Russland hingegen nichts aufgeben muss. Ohne verlässliche Sicherheitsgarantien wäre die Ukraine Russland in Zukunft zudem weitgehend schutzlos ausgeliefert.

Letzte Abstimmung unter Verbündeten: Wolodymyr Selenskyj (rechts) am Mittwoch an der Seite von Bundeskanzler Friedrich Merz in Berlin.

© Imago/dts Nachrichtenagentur

Vor diesem Hintergrund bekräftigte auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) am Mittwoch, dass die Ukraine bei einem Friedensschluss ausreichend gegen mögliche weitere Angriffe abgesichert sein müsse.

An der Seite von Selenskyj, der für mehrere Telefonate – unter anderem mit Trump – extra nach Berlin gereist war, stellte Merz fünf Kernforderungen der Europäer vor. Dazu zählen neben den Sicherheitsgarantien auch eine bedingungslose Feuerpause als erster Schritt und Grundlage für Verhandlungen.

Eine Anerkennung neuer Grenzen würde das völkerrechtliche Grundverständnis unterminieren.

Gwendolyn Sasse, Leiterin des Zentrums für Osteuropa- und internationale Studien in Berlin

Außerdem sagte der Kanzler: „Die Ukraine ist zu Verhandlungen über territoriale Fragen bereit. Dann muss aber die sogenannte Kontaktlinie der Ausgangspunkt sein, und eine rechtliche Anerkennung russischer Besetzungen steht nicht zur Debatte.“

Mit anderen Worten: Die Ukraine ist offen für eine sofortige Waffenruhe – und damit zumindest vorübergehend auch für eine faktische Anerkennung der russischen Besatzung, die derzeit rund ein Fünftel ihres Staatsgebiets umfasst. Ein weiterer Truppenrückzug ist aber ebenso inakzeptabel wie eine juristische Anerkennung der betroffenen Gebiete als russisch.

„Zwischen rechtlich und politisch besteht ein großer Unterschied“, betont auch Gwendolyn Sasse. „Eine Anerkennung neuer Grenzen wäre innenpolitisch in der Ukraine nicht tragfähig und würde das völkerrechtliche Grundverständnis unterminieren.“

Wie ist die Lage an der Front?

Das aktuelle Frontgeschehen spielt Putin in die Hände. Ausgerechnet im Gebiet Donezk, wo der Kreml einen ukrainischen Truppenrückzug erzwingen will, stießen russische Soldaten in den vergangenen Tagen vereinzelt kilometerweit hinter die ukrainische Verteidigungslinie vor.

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Zwar ist es Putins Kämpfern bislang nicht gelungen, Verstärkung zu organisieren, weshalb viele Militärexperten noch nicht von einem richtigen Frontdurchbruch sprechen. Dennoch schwächt der russische Erfolg zumindest für den Moment die ukrainische Verhandlungsposition.