Estland will für Rüstungsbeschaffungen bis zu 3,6 Milliarden Euro an Krediten aus dem EU-Programm Security Action for Europe (SAFE) aufnehmen. Nach Angaben des estnischen Finanzministeriums sollen damit Flugabwehr-Lenkwaffen mittlerer und kurzer Reichweite, Artilleriemunition, Schützenpanzer und weitere Ausrüstung finanziert werden. Insgesamt will der baltische Staat nach einer Entscheidung vom letzten Monat zwischen 2026 und 2029 zehn Milliarden Euro für den Ausbau seiner Verteidigungsfähigkeiten ausgeben.
Das Programm umfasst im Luftverteidigungsbereich den Erwerb von Flugabwehrsystemen des deutschen Typs IRIS-T SLM mittlerer Reichweite sowie französischer Mistral und polnischer Piorun für den Nächstbereich. Auch eine Marktsichtung von Abwehrsystemen gegen ballistische Flugkörper soll stattfinden. Zudem will Estland eine neue Flugabwehr-Brigade aufstellen und die Mittel für seine Freiwilligenorganisation zur Territorialverteidigung von 240 auf über 314 Millionen Euro erhöhen, um Infrastruktur und Training zu verbessern. Allein ein Viertel der Investitionen ist für Munitionsbeschaffungen vorgesehen.
Streitkräfte Estlands sind klein, aber aufwuchsfähig
Das estnische Heer umfasst derzeit ein Divisionskommando mit zwei teilaktiven Infanteriebrigaden. Die Luftwaffe besteht aus einem Radarüberwachungs- und einem Flugabwehrraketen-Geschwader sowie einem weiteren Verband, der vor allem die für das NATO Air Policing genutzte Luftwaffenbasis Ämari, aber auch je zwei tschechische Jettrainer Aero L-39 und leichte Transportflugzeuge des polnischen Typs PZL M28 betreibt. Die Marine verfügt über eine Minenkampf- und eine Patrouillenabteilung mit je vier Schiffen beziehungsweise Booten sowie je eine landgestützte Küstenverteidigungs- und Kampfunterstützungsabteilung. Hinzu kommt die Marineschule.
Zu den teilstreitkraftgemeinsamen Unterstützungskräften gehören das Spezialkräfte-, das Cyber- und das Unterstützungskommando, die Militärpolizei mit Wachbataillon und die Militärakademie mit Offiziers- und Unteroffiziersschule. Die Territorialverteidigungsorganisation Kaitseliit bildet im Kriegsfall einen Verband von Bataillonsgröße in jedem der vier Verteidigungsbezirke. Der Friedensumfang der Gesamtstreitkräfte beträgt 7.700 Mann, davon 3.500 Wehrpflichtige mit einer Dienstzeit von acht bis elf Monaten. Knapp 39.000 Reservisten könnten sofort einberufen werden, insgesamt rechnet man mit einem Reservepool von 230.000 Männern und Frauen.
Das EU-Programm SAFE stellt den Mitgliedstaaten Kredite von insgesamt 150 Milliarden Euro zu durch die Gemeinschaftsaufnahme günstigen Zinssätzen für bestimmte Felder wie Flug- und Raketenabwehr, Artillerie, Lenkwaffen, Drohnen und Cyber-Kriegführung bereit. Zuletzt war bekannt geworden, dass Italien bis zu 20 Milliarden Euro aus dem Programm aufnehmen könnte.
Stefan Axel Boes