Strahlend, gut gelaunt, in der ganzen Stadt unterwegs. So zeigt sich Raed Saleh in einem Video, das er oben in seinem Instagram-Profil gepinnt hat. „Ein Großteil der Politik besteht aus Kommunikation. (…) Am Ende kommt’s drauf an, was man macht“, hört man den Berliner SPD-Fraktionschef aus dem Off sagen. Im Gespräch mit den Berlinern, immer in Aktion: So sieht er sich. Und so will er, dass ihn andere sehen.
Dabei widerfuhr ihm vor fast einem Jahr in der SPD eine große Schmach: Gerade einmal 15,7 Prozent der Stimmen holte Saleh am 20. April 2024 in einer parteiinternen Abstimmung um den Parteivorsitz. Gemeinsam mit seiner Mit-Kandidatin landete Saleh – seit 2006 im Abgeordnetenhaus, seit 2011 Fraktionsvorsitzender, zwischenzeitlich SPD-Landeschef – weit abgeschlagen auf Platz drei, hinter den zwei anderen Kandidatenpaaren.
Er war geschwächt, getroffen, gedemütigt. Doch Saleh berappelte sich in Windeseile. Ein Jahr später scheint er gut gelaunt wie nie zu sein, ist politisch so stark wie kaum zuvor – und im Gespräch als SPD-Spitzenkandidat für die Abgeordnetenhauswahl im kommenden Jahr.
„Keeping up with Raed“ und Fotos vom Sporttraining
In der Partei wird wahrgenommen, wie Saleh seine Social-Media-Aktivitäten seit vergangenem Sommer hochgefahren hat. Fast jede Woche postet er auf Instagram unter dem Titel „Keeping up with Raed“ eine Zusammenfassung seiner Woche. Etwa zeitgleich begann Saleh auch, Bilder von seinem Sporttraining zu posten.
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Trotz oder vielleicht gerade wegen seiner Niederlage lud Saleh auch zu mehreren Terminen einer von ihm organisierten „Senats-Tour“ mit Mitgliedern des Senats. Einfach so, um eigene Akzente zu setzen. Seit wenigen Wochen leitet Saleh auch zum ersten Mal ein parlamentarisches Gremium: die von ihm initiierte Enquete-Kommission mit dem langen Titel „Für gesellschaftlichen Zusammenhalt, gegen Antisemitismus, Rassismus, Muslimfeindlichkeit und jede Form von Diskriminierung“.
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Selbst hohe SPD-Funktionäre, die Salehs Arbeit kritisch sehen, erkennen an: Er ist fleißig und umtriebig wie nur wenige in seinem Landesverband.
Lücken im SPD-Machtapparat
Dass der Berliner SPD ein eindeutiges Machtzentrum seit dem Mitgliederentscheid zur Parteispitze fehlt, ist ein Vorteil für ihn. Mögliche Lücken füllt einfach er. Er weiß, wie das geht. Den neuen Landesvorsitzenden Nicola Böcker-Giannini und Martin Hikel fehlt die Mehrheit im eigenen geschäftsführenden Landesvorstand. Drei Mitglieder stehen ihnen nah, drei weitere gehören zum dezidiert linken Flügel – und das vierte Mitglied ist Cansel Kiziltepe, Sozialsenatorin und enge Vertraute von Saleh. So kann er auch dort über Umwege Einfluss ausüben.
Landesspitze ohne eigene Mehrheit in ihrem Landesvorstand: die Vorsitzenden der SPD Berlin, Martin Hikel (SPD) und Nicola Böcker-Giannini (SPD).
© dpa/Jörg Carstensen
In der Koalition unkte die CDU, man habe es mit Blick auf Parteispitze, Fraktion und Senatsmitglieder der SPD mit drei Koalitionspartnern zu tun. Doch nach kurzer Unsicherheit rund um den Mitgliederentscheid heißt es dort schon lange wieder: Wenn es um wichtige Themen gehe, sei Saleh derjenige, dessen Wort gelte.
In der Fraktion sitzt Saleh fest im Sattel. Nach seiner Niederlage im Kampf um die Parteispitze hatte er die Wahl zum Fraktionsvorsitz kurzfristig anberaumt und gewonnen. Seine sieben Kritiker in der Fraktion werden ihm nicht gefährlich.
Bei der Listenaufstellung für die Bundestagskandidaten der Partei setzte sich die Parteilinke in einem von vielen als brutal angesehenen Manöver durch – mit entscheidender Hilfe aus Spandau, Salehs Kreisverband. Um vier linke Kandidaten auf den ersten Listenplätzen durchzusetzen, wurde ein links-linkes Bündnis geschmiedet: Linke Parteifunktionäre, die eigentlich nicht mehr auf Saleh angewiesen sein wollten, arbeiteten dafür wieder mit ihm zusammen.
Alte Niederlagen nähren Zweifel
Und nun also Spitzenkandidat für 2026? Viele in der Partei halten es für nicht ausgeschlossen, dass er den Schritt wagen könnte. Andere wiederum verweisen auf den ersten Versuch Salehs: Im parteiinternen Wettkampf um die Nachfolge von Klaus Wowereit 2014 unterlag Saleh Michael Müller und landete mit nur 18,6 Prozent auf Platz drei. Wer parteiinterne Abstimmungen so deutlich verliert, könne wohl kaum eine Berliner Wahl gewinnen, heißt es da.
Andererseits drängt sich aktuell keine klare Spitzenkandidatin, kein klarer Spitzenkandidat für 2026 auf. Dem Parteichef Martin Hikel wurden immer wieder Ambitionen nachgesagt, aber selbst Unterstützer sind der Meinung, dass sein Auftritt an der Landesspitze bislang eher schwach ist. Jüngstes Beispiel: ein Statement zum am vergangenen Mittwoch ausgehandelten Koalitionsvertrag im Bund verschickte die Parteispitze mit zwei Tagen Verspätung, als alle anderen Akteure ihre Einschätzung längst in die Welt gebracht hatten.
Innerparteiliche Konkurrenz
Sozialsenatorin Kiziltepe galt zu Beginn der schwarz-roten Koalition als mögliche Kandidatin. Schon länger gibt es aber Zweifel an ihrer Eignung für das Amt der Regierenden. Und Franziska Giffey, die Saleh einst nach Berlin holte? Sie selbst dürfte weiterhin Ambitionen haben, doch auch Unterstützer in der Partei halten eine erneute Kandidatur für unwahrscheinlich.
Berlins ehemalige Regierende Bürgermeisterin und aktuelle Wirtschaftssenatorin: Franziska Giffey (SPD).
© dpa/Sebastian Gollnow
Manche Sozialdemokraten hoffen auch auf eine starke Persönlichkeit von außen, die der SPD einen Booster und Erlösung aus ihrer schwierigen Lage bringen könnte.
Saleh wiederum hat noch einen Vorteil: Er kann mit der CDU koalieren. In der Vergangenheit zeigte er aber glaubwürdig, dass seine Wunschkoalition eher links ist. Mit einer deutlich erstarkten Linkspartei in Berlin, mit der es die SPD aufnehmen muss, könnte diese Anschlussfähigkeit nach beiden Seiten ein Vorteil für ihn sein.
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Saleh selbst hält sich bedeckt: „Selbstverständlich beteilige ich mich nicht an Personalspekulationen, zumal im Nachrichtenloch über Ostern“, sagte er dem Tagesspiegel. Entscheidungen zur Spitzenkandidatur „werden wir gemeinsam und im Übrigen zu gegebener Zeit treffen“.
Die gegebene Zeit dürfte im Herbst kommen. Als mögliche Daten für die Entscheidung gelten der Abschluss des SPD-Zukunftsprogramms im September und der Landesparteitag im November.