Klimakrise

„Dürre ist kein Hitzethema“
Von Caroline Becker
15. August 2025




15.08.2025 · Hitzerekorde, Gießverbote und Ernteausfälle – in Teilen Europas ist das Wasser knapp. Inwieweit das mit Dürre zusammenhängt, wann Dürre ein Problem ist und wie Europa damit umgehen sollte.








Dürrefrühwarnindikator in Europa, zum Stand Juli 2025. Die drei Farbstufen (Gelb, Orange, Rot) stehen für drei Dürreklassen: Beobachtung, Warnung und Alarm.

Quelle: European Drought Observatory / F.A.Z.-Grafik: jpg.


Was als Dürre zählt, ist Definitionssache. Zunächst einmal ist Dürre laut Deutschem Wetterdienst ein natürliches Phänomen, das durch geringere Niederschläge, verstärkt durch hohe Temperaturen und geringe Bodenfeuchte entsteht. Dies kann sporadisch durch das längere Auftreten bestimmter Wetterlagen verursacht werden. Forscher untersuchen demnach primär den Grundwasserstand und die Bodenfeuchte.   












Das Baitings Reservoir im Norden Englands hat einen niedrigen Wasserstand.




Das Baitings Reservoir im Norden Englands hat einen niedrigen Wasserstand.Foto dpa



Laut Deutschem Wetterdienst gibt es derzeit in Europa eine markante längerfristige Dürresituation –insbesondere Teilen von Frankreich, der Türkei sowie im nördlichen und südlichen europäischen Russland. Das bedeutet, es gab in den vergangenen Wochen hohe Niederschlagsdefizite und/oder geringe Bodenfeuchte. Sehr trocken sind die Böden zurzeit auch in Großbritannien, Polen, Teilen der Balkanhalbinsel und in der östlichen Ukraine. Ein starkes Niederschlagsdefizit gibt es seit Mai auch in Spanien. Aufgrund der hohen Niederschläge Anfang des Jahres hat dies jedoch noch nicht zu Dürre geführt. 

„Dürre und Hitze werden in der Bevölkerung immer miteinander verbunden“, sagt Andreas Marx, der Leiter des Deutschen Dürremonitors. Aber Dürre kann auch im Winter auftreten. Das spiele für die Vegetation zwar keine so große Rolle, aber für die Wasserversorgung durchaus. „Dürre ist kein Hitzethema“, sagt Marx. Und, Dürre sei trotz Klimakrise kein neuer schlimmer Normalzustand – zumindest nicht überall in Europa. Die Themen Hitze, Waldbrandrisiko und Dürre müssten getrennt voneinander betrachtet werden. 

Weltweit verursacht die Klimakrise mehr Regen

Durch die Klimakrise und die damit einhergehende Erderwärmung verdunstet weltweit mehr Wasser über den Ozeanen. Das bedeutet, dass es insgesamt mehr Niederschlag gibt. Das Problem ist laut Marx jedoch die Verteilung: In extrem trockenen Regionen nehme die Niederschlagsmenge eher ab, in eher nassen Regionen dagegen zu. Das zeige sich auch in Europa deutlich. Der Mittelmeerraum werde noch heißer und noch trockener, während im relativ kühlen und nassen Skandinavien zwar die Temperatur steigen, aber auch der Niederschlag zunehmen wird. Marx zufolge liegt Deutschland irgendwo dazwischen. Dreiviertel der Klimasimulationen prognostizierten einen leichten Anstieg des Jahresniederschlags. Fast alle gingen laut Marx davon aus, dass der Grundwasserspiegel künftig im Winter stärker ansteigen und im Sommer stärker fallen wird. 












Trockene Felder in der Nähe des Dorfes Sineu auf Mallorca.




Trockene Felder in der Nähe des Dorfes Sineu auf Mallorca.Foto dpa



Dennoch: Auch Deutschland leidet unter Dürre. Allein die Dürrejahre 2018 und 2019 hätten einen gesamtwirtschaftlichen Schaden von 35 Milliarden Euro verursacht, so Marx. „Waldbrand ist im Vergleich zu Dürre zumindest in Deutschland ein überschätztes Problem“, sagt Marx. Zur Einordnung: Deutschland hätte dieses Jahr bislang etwas über 5000 Hektar durch Waldbrände verloren. 2018 bis 2020 sind in Deutschland zum Vergleich mehr als eine halbe Million Hektar Wald wegen Dürre verloren gegangen.  

Dürre treffe unterschiedliche Sektoren unterschiedlich stark und zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Insbesondere die Land- und Forstwirtschaft seien stark betroffen, aber auch die Binnenschifffahrt und somit die Werke, die von diesem Transportmittel abhängig sind. Und auch innerhalb der Sektoren gebe es regionale Unterschiede. Einzelne Landwirte, die große Ernteausfälle haben, gebe es immer. „Aber auch länger anhaltende Trockenheit über Deutschland bedeutet nicht zwingend, dass es Vegetationsschäden gibt“, sagt Marx.  

Wie Europa beim Umgang mit Dürre voneinander lernen kann

Beim Umgang mit Dürre können die Europäer laut Marx voneinander lernen. In Frankreich würden Hartweizenfelder beispielsweise mit Walnussbäumen umrahmt, die Wind abfangen und Schatten spenden, was dem Wasserhaushalt zugutekommt. „Temperaturanstieg und dadurch Dürre, Hitze, Grundwasserstress, aber auch Starkregen und Überschwemmungen zwingen bei städtischen Planungen zum radikalen Umdenken“, sagt der Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) Alexander Bonde. Bei einem von der Stiftung geförderten Projekt in einem Wohnquartier in Mannheim sei es gelungen, durch Regenwassernutzung und Wasserreinigungsanlagen den Frischwasserbedarf um 40 Prozent zu senken.  












Neu-Ulm versucht bei Bauprojekten dafür zu sorgen, dass das Regenwasser von versiegelten Flächen möglichst nah im Grundboden versickert.




Neu-Ulm versucht bei Bauprojekten dafür zu sorgen, dass das Regenwasser von versiegelten Flächen möglichst nah im Grundboden versickert.Foto dpa



Laut DBU müsste das Konzept der wasserbewussten Stadt – der sogenannten Schwammstadt – das Leitbild für die Stadtplanung werden. Europaweit, wenn nicht weltweit, gelte Kopenhagen hier als vorbildlich. Städtische Grünflächen können wie ein Schwamm Wasser aufnehmen, sodass es bei starkem Niederschlag nicht zu Überschwemmungen kommt. Bei Trockenheit und Hitze können sie Wasser und Kühle abgeben. Dafür sind Fassaden-, Dach- und Straßenbegrünung, wasserdurchlässige Oberflächen und unterirdische Auffangbehälter, Wasserangebote wie Brunnen und multifunktionale Flächen nötig. „Der Schutz der Wasserversorgung ist auch eine Sicherheitsfrage“, sagt der DBU-Generalsekretär. Die sichere Verfügbarkeit von Trinkwasser müsse ein zentrales Element militärisch-politischer Strategien werden. Daher müssten Städte und Kommunen ihre Wasserplanungen so schnell wie möglich zukunftsfest machen. 

Weniger Streit, mehr Dürremanagement

„Mit Dürre kommen wir leider nicht immer klar“, sagt Marx. Es brauche europaweit ein vernünftiges Dürremanagement. „Auch in europäischen Staaten, die stark betroffen sind, ist das noch nicht gut ausgeprägt.“ Da wo Wasser knapp ist, beispielsweise in Spanien, streite man sich jedes Jahr aufs Neue um die Verteilung des knappen Guts. „Die Beschränkungen, etwa Gießverbote, die wir heute haben, sind im Kern meist ungerecht“, sagt Marx. Häufig treffe es private Nutzer und nicht die Industriebetriebe. Ein echtes Dürremanagement bedeute, dass man auch überlege, wann genau der Beginn eines Dürreereignisses ist und welche Maßnahmen dann regional beschlossen werden können – also bei welchen Wassernutzern man mit geringen Auswirkungen die Wassernutzung einschränken könne. 

Zunächst müsse dafür laut Marx die Datenlage verbessert werden. Auch in Deutschland wisse man nicht, wie viel Grundwasser wo und durch wen genutzt wird. Das sei jedoch wichtig, um die Wassernutzung besser steuern zu können. In Deutschland gäbe es zwar eine nationale Wasserstrategie, allerdings sei der Bund für viele Aspekte gar nicht zuständig. Der Rahmen für Wasserrechte werde in den Bundesländern gesetzt. Die hätten zwar alle eine Wasserstrategie, aber ein Dürremanagement fehle.  

Zusätzlich müsse das Problem noch stärker auf Europäischer Ebene angegangen werden. Viele politische Akteure hätten Dürre lange nicht als Problem erkannt. Inzwischen habe sich jedoch auch die öffentliche Wahrnehmung stark geändert. Was jetzt fehle sei eine europäische Dürrerichtlinie. „Es gibt eine Hochwasserrichtlinie, eine Wasserrahmenrichtlinie und genauso sollte es auch eine Dürrerichtlinie geben“, sagt Marx.  





Dürre kann wirtschaftliche Ungleichheit verschärfen

Dürreperioden haben nicht nur kurzfristige Auswirkungen, sondern können die Wirtschaftskraft ganzer Regionen in Europa auch noch Jahre später deutlich schwächen. Besonders schwer betroffen sind Regionen mit geringem Einkommen oder mit ohnehin hohen Temperaturen wie Italien und Spanien. Das ist das Ergebnis einer Studie der Wirtschaftswissenschaftlerin Sehrish Usman von der Universität Mannheim und von Ökonomen der Europäischen Zentralbank. 

Besonders nach Dürren und Überschwemmungen zeigt sich laut Studie ein Rückgang der Arbeitsproduktivität. Das könnte darin liegen, dass mehr in Anpassung, etwa Klimaanlagen oder Hochwasserschutz, investiert wird. Die Studienautoren betonen, es sei wichtig, für die europäischen Regionen individuelle Strategien zu entwickeln. Ohne gezielte Maßnahmen zum Umgang mit Dürre würde sich die wirtschaftliche Ungleichheit innerhalb Europas weiter verschärfen.