1. Startseite
  2. Region
  3. Heusenstamm

DruckenTeilen

Der Heusenstammer Verein Tiernothilfe Ukraine fährt an die Front und sammelt Straßenhunde und -katzen auf, um sie zu kastrieren und zu impfen.

Heusenstamm (Kreis Offenbach) – Wenn sie in Dörfer und Städte nahe der Front fahren, nehmen sie so viel mit, wie ins Auto passt: Tierfutter, Käfige, Geschirre, Medikamente, Spielzeug und einiges mehr verstauen Markus Hegen und die Ukrainerin Ludmilla Juraschko in Bananenkisten in ihrem Transporter.

bof130825Tiernothilfe Ukraine Hunde.JPGMehr als 200 000 Streuner haben in der Ukraine bereits vor dem Krieg auf der Straße gelebt und waren Hunger, Krankheit und Wetter ausgesetzt.Foto: privatMehr als 200 000 Streuner haben in der Ukraine bereits vor dem Krieg auf der Straße gelebt und waren Hunger, Krankheit und Wetter ausgesetzt. © privat

In wenigen Tagen geht es für den Vorsitzenden und die Schriftführerin der Tiernothilfe Ukraine wieder ins Kriegsgebiet. Zwischen Zubehör für Katzen und Hunden immer im Gepäck dabei: eine kugelsichere Weste, ein Helm und ein Erste-Hilfe-Set.

Tierschutz nahe der Front: Heusenstammer Verein hilft Streunern in der Ukraine

Etwa vier Mal im Jahr begeben sich Hegen und Juraschko in Lebensgefahr. Von Heusenstamm geht es in die Ostukraine. Dort sammeln die beiden Ehrenamtler von morgens bis abends streunende Hunde und Katzen ein, bringen sie zu Tierärzten und lassen sie impfen und kastrieren. Am Samstag (16.) fahren die beiden für zwei Wochen in die Stadt Lyman.

„Wenn man an der Front ist, ist es total krass“, berichtet Hegen. „Aber ich bin so auf meine Aufgabe fokussiert, dass ich alles ausblende.“ Zu Kriegsbeginn, als russische Truppen Ende Februar 2022 in die Ukraine einmarschierten, sei besonders vor Artillerie gewarnt worden, berichtet Hegen. Mittlerweile gehe die größte Gefahr von Drohnen aus.

bof120825Tiernothilfe.jpgMarkus Hegen und Ludmilla Juraschko fahren am Samstag erneut in die Ukraine, um Straßenhunde und -katzen zu kastrieren und impfen.Mit einem vollgepackten Transporter fahren Markus Hegen und Ludmilla Juraschko erneut in die Ukraine. © Geldt, Kristina

Hegen engagiert sich bereits vor Kriegsausbruch für Tiere in der Ukraine. „Eigentlich hat alles mit Tschernobyl begonnen“, sagt Markus Hegen. Zu dieser Zeit reist er als Hobbyfotograf durch Europa. Sein Ziel: verlassene Orte, sogenannte Lost Places. 2016 ist er das erste Mal in der Ukraine. „Tschernobyl ist die Mutter aller Lost Places“, sagt Hegen. Dort begegnete er Juraschko, damals Tourführerin in der Stadt. Wenig später erkannte er, dass es in der Ukraine schon vor dem Krieg viele Straßenhunde gegeben hat. Der Tierschutzorganisation Vier Pfoten zufolge lebten vor Kriegsausbruch schätzungsweise bis zu 200 000 streunende Hunde und noch mehr Katzen auf der Straße.

Vom Hobbyfotograf zum Tierschützer: Vorsitzender und Mitstreiter wollen vor Ort etwas bewirken

Hegen beschließt zu helfen. Mit einer Kastrationsaktion zum Beispiel. Zunächst 2017 in einer losen Gruppierung, 2020 dann als eingetragener Verein, reisen Hegen und zwölf aktive Mitglieder sowie fünf bis sechs freiwillige Mitstreiter in unterschiedliche ukrainische Städte und Dörfer, um Straßenhunde und -katzen zu fangen und kastrieren zu lassen.

Der Krieg hat ihn in seiner Bestrebung nicht aufgehalten. „Viele Menschen fliehen, werden evakuiert oder leben nicht mehr und lassen ihre Haustiere zurück“, sagt Juraschko. Die Tiere hungerten, manche infizierten sich mit Tollwut. In den Dörfern gebe es nur wenige Tierärzte, die Kastrationen vornehmen, wenn überhaupt. In den Städten seien die Eingriffe sehr teuer und viele Menschen hegten zudem Vorurteile gegenüber Kastrationen, berichtet sie. Das sei gefährlich für die Tiere, aber auch die Menschen.

Finden die Ehrenamtlichen einen Streuner, der ihnen ans Herz wächst, nehmen sie das Tier mit nach Heusenstamm. Wie etwa die Hündin Molly. Das Tier fanden die beiden Tierschützer mit einem handballgroßen Tumor auf dem Rücken, berichten sie. Vermittelt werden die Tiere von ihnen in Deutschland nicht, stattdessen kommen sie bei Hegen, Freunden und Vereinsmitgliedern unter. „Wir wollen so viel wie möglich lokal verändern, das Problem an der Wurzel packen“, sagt Hegen. Deshalb fahren sie in Dörfer und klären neben dem Impfen und Kastrieren auch auf – dies würden sie in Zukunft gern intensivieren.

Auch in Obertshausen wird aktuell über eine Katzenschutzverordnung und die Kastration der Tiere diskutiert.