Statt 45-Minuten-Einheiten und Klassenzimmern gibt es am Gymnasium Mainz Mombach Lernpfade am Tablet, gemütliche Sitzkissen und Gemeinschaftsräume. Einige der Ideen des neuen Konzepts dieser Schule können sich Eltern und Kinder abgucken – für einen entspannten Start ins neue Schuljahr.

Auf einem Sitzkissen am Boden eines Gemeinschaftsraumes, Tablet in der Hand, lernt es sich gleich ganz anders. Das ist zumindest der Gedanke hinter dem Raumkonzept am Gymnasium Mainz Mombach. Hier gibt es für jedes Kind einen eigenen Arbeitsplatz, an dem Stille angesagt ist, und viele große Gemeinschaftsräume, in denen unterschiedliche Sitzmöglichkeiten stehen. Dort ist Partnerarbeit und Austausch ausdrücklich erwünscht. „Nicht jedes Kind lernt in der gleichen Sitzposition, zur gleichen Zeit, gleich gut“, beschreibt Mareike Rudolf die Ausgangslage. Sie ist Lehrerin am Gymnasium Mainz Mombach, hat das Konzept mitentwickelt.

Schule in Deutschland: Dieses Gymnasium macht alles anders | Doku

Schulentwicklungsprozess in Rheinland-Pfalz „Schule der Zukunft“

Das Gymnasium Mainz Mombach wurde 2023 neu gegründet. Die Schule gehört zu einer von 97 Schulen in Rheinland-Pfalz, die im Rahmen der Initiative „Schule der Zukunft“ neue Konzepte ausprobiert und den Schulalltag weiterentwickeln soll. Mit dem Projekt „Schule der Zukunft“ hat sich Rheinland-Pfalz dazu entschieden, Veränderungen im Schulalltag nicht „von oben“ vorzugeben, sondern aus den Schulen heraus („bottom up“) entwickeln zu lassen.

Am Gymnasium Mainz Mombach dürfen Lernende selbst entscheiden, welche Aufgaben sie wann bearbeiten wollen. Der Lernstoff liegt als digitaler Lernpfad am Tablet vor. Viele Kompetenzen aus einzelnen Fächern sind anhand eines Themas vernetzt aufbereitet. Zum Beispiel lernen die Kinder am Thema „Bauernhof“ in Erdkunde die konventionelle und ökologische Tierhaltung kennen, in Englisch den Wortschatz, schreiben in Deutsch eine Tierbeschreibung und diskutieren in Ethik Fragen der Tierhaltung.

Ziel des Gymnasiums Mainz Mombach ist es, das Kind in den Mittelpunkt zu stellen. Das ist gleichzeitig auch der große Wunsch von Lehrerin Mareike Rudolf. „Ich möchte meinen Schülerinnen und Schülern gerecht werden“, erzählte sie 2023 vor der Eröffnungsfeier. Das gelingt ihr an dieser Schule auch durch ein wöchentliches Einzelgespräch mit ihren Lernenden. „Jeden Freitag gehe ich gut gelaunt aus der Schule“, strahlt sie, denn sie habe dann zehn bis 15 Minuten mit jedem Kind aus ihrer Bezugslerngruppe gesprochen. In dem Gespräch gehe es nicht um Noten, sondern darum, wie das Kind in seinem Lernen vorankommt und sich weiterentwickelt. Auch persönliche Probleme und organisatorische Fragen können Gesprächsgegenstand sein. Die Mentoring-Gespräche kommen bei vielen Schülerinnen und Schülern gut an. „Die fordern das richtig ein“, berichtet Lehrer Felix Prier.

Unabhängig davon auf welche Schule ein Kind geht, lassen sich Ideen aus dem pädagogischen Konzept des Gymnasiums Mainz Mombach adaptieren und zuhause anwenden. Hier folgen vier Impulse:

Auch wenn ein Mentoring-Gespräch an vielen Schulen nicht stattfindet, könnten doch aber Eltern und Kinder zuhause einmal pro Woche besprechen, was schulisch ansteht. So behalten alle den Überblick über anstehende Projekte und Klassenarbeiten und können Schwierigkeiten früher absehen und angehen. Lehrerin Mareike Rudolf empfiehlt, das Kind im Gespräch zum Reflektieren einzuladen. Das gelinge durch Fragen, wie: Wo läuft dein Lernen gerade gut? Wo brauchst du Hilfe? Welches Ziel setzt du dir für diese Woche und wie kommst du dahin?

Lernschwierigkeiten sind für Lehrerin Mareike Rudolf nichts Ungewöhnliches. Diese Haltung sollten Eltern ihrem Kind am besten auch vermitteln. „Wenn du das jetzt nicht kannst, ist das ein ‚du kannst es NOCH nicht‘“, wäre Mareike Rudolfs Formulierungsvorschlag. Im ersten Schritt empfiehlt sie, das Kind zu bestärken, das Problem selbst anzugehen, in dem es auf seine Lehrkraft zukommt. Wichtig sei es, laut Mareike Rudolf, die Rolle eines Lehrers als Lernhelfer zu verstehen, nicht als reinen Notengeber. Die Lehrkraft sei dazu da, das Kind beim Lernen zu unterstützen. Kindern sollte vermittelt werden, sich zu trauen, Schwierigkeiten bei ihren Lehrern anzusprechen. Dadurch erfahre das Kind auch Selbstwirksamkeit, weil es sich eben selbst Hilfe holen kann. Nachfragen beim Lehrer sei in vielen Köpfen mit Scheitern verbunden, erzählt Mareike Rudolf. „Das ist es gerade nicht. Man darf etwas nicht verstehen und sich Hilfe suchen.“

Mareike Rudolf hat die Erfahrung gemacht, dass sich Lernende selbst den Ort schaffen, an dem sie gut lernen können. Egal, ob das auf der Treppenstufe sei oder in einer selbstgebauten Höhle. Die Freiheit, sich den Lernort selbst auszusuchen, sollten Eltern ihrem Kind lassen. „Wichtig ist, dass Kinder merken, was sie für ihre Konzentration brauchen.“ Dafür sollten so wenig Umgebungsreize wie möglich vorhanden sein. Manchmal könne es auch hilfreich sein, das Lernen interessanter zu gestalten. Wenn Mathe sowie schon ein unangenehmes Fach ist und das Papier zu langweilig, könne man zum Beispiel zu (unbedingt wasserlöslichen!) Fensterschreibern greifen und die Aufgaben am Fenster bearbeiten.

„Noten entscheiden über vieles und machen deshalb nervös“, sagt Mareike Rudolf. Sie würde allerdings am liebsten keine Noten mehr, sondern Kompetenzen verteilen. Noten würden nur abbilden, was ein Kind zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer Prüfungssituation zu einer bestimmten Fragestellung abrufen konnte. Sie betont deshalb immer: „Du bist mehr als Noten. Noten sind Zahlen. Das heißt aber nicht, dass das ist, was du kannst und was du bist.“ Deshalb empfiehlt die Lehrerin einen gelassenen Umgang mit Noten. Gerade beim Schulwechsel von der Grundschule auf die weiterführende Schule sei es oft der Fall, dass Noten sich ein wenig nach unten verändern. „Die kommen aus der Grundschule und haben dort 1er und 2er. Und dann haben die auf dem Gymnasium plötzlich eine 3.“ Hier sei Entspannung angebracht und Vertrauen ins eigene Kind, dass es die Herausforderung meistern kann.