Sep Ruf: Das können wir aus den Bauten des Architekten lernen.

Donald Trump, wahrlich nicht bescheiden, wenn es ums Bauen geht, lässt gerade einen 200 Millionen Dollar teuren, 8.400 Quadratmeter großen Ballsaal ans Weiße Haus anschrauben, ein kleines Versailles, komplett mit goldenen Kronleuchtern, Balustern und Ornamenten. Welches Bild der Weltmacht ein solcher Ort vermittelt, wie ihn der Präsident von seiner subtropischen Residenz Mar-a-Lago kennt, kann sich jede(r) selbst ausmalen. Bauen für die Demokratie jedenfalls sieht anders aus. So etwa: transparent und klar, offen und einladend. Ein Traum? Nicht ganz. 1963 entstand am Rhein eine Ikone der Moderne, der Bonner Kanzlerbungalow des Ausnahmearchitekten Sep Ruf, mit fließenden Raumzuschnitten, mobilen Wänden und einem winzigen Swimmingpool in einem der beiden Innenhöfe. Sechs Kanzler haben das Mid-Century-Wohngefühl aus bodentiefen Fenstern, Einbauschränken, Eames-Chair und Herman-Miller-Möbeln nicht abgewohnt, auch wenn sich Helmut Kohl mächtig ins Zeug legte, mit Orienteppich und Leuchtenhimmel dem für seinen Geschmack zu nüchternen Diensthäuschen etwas mehr Gemütlichkeit zu verpassen.

Schaltzentrale der Macht: Der Schreibtisch, auf dem ein halbes Dutzend Kanzler Platz nahmen, wenn sie in Ruhe Weltpolitik machen wollten.

Axel Thünker_Haus der Geschichte

Zum Abtauchen: Privater Pool im kleineren der beiden Atrien.

Axel Thünker_Haus der GeschichteSo sieht es im Kanzlerbungalow aus

1963 erhielt Sep Ruf, der gefeierte Baumeister des Weltausstellungspavillons von Brüssel, den wohl exklusivsten Auftrag seiner Karriere. Der Münchner hatte zuvor bereits das Audimax der Universität Speyer geplant, die Neue Maxburg in München, deren filigrane Fassade noch heute einen wohltuenden Kontrast bietet zum neobarocken Justizpalast, in dem die Weiße Rose in einem der Schauprozess der Nazis abgeurteilt wurde, sowie die schwebend-leichte Nürnberger Akademie der Schönen Künste. Ein Haus für den Kanzler war jedoch nicht dabei. Ruf schuf auf kaum 1000 Quadratmetern so etwas wie die Essenz der Moderne: zukunftsgewandt, elegant und schwebend. Er verschmolz zwei Kuben, einen privaten (20 mal 20 Meter) sowie einen öffentlichen (24 mal 24 Meter). Ersterer bestand weitgehend aus Klinker, der andere, höhere Pavillon, scheinbar nur aus Licht und Luft – perfekt für Empfänge. Hier traf sich Helmut Schmidts Krisenkabinett im „Deutschen Herbst“, hier versuchten Michael Gorbatschow und Helmut Kohl erste Schritte in Richtung Vereinigung zweier Staaten; neben dem Parlament, dem Herz der alten Bundesrepublik, lag hier seine Machtzentrale. Auf etwas Stahlbeton und leichten Stahlstützen schwebte ein über zwei Meter auskragendes Dach, das ohne die raumsprengenden Ikonen von Mies van der Rohe wohl nicht denkbar wäre. Zwei Eiskuben im Grünen, nicht mehr, aber auch nicht weniger.