Halle. Die Stimmung in der Stadt unter den Geschäftsleuten ist angespannt. Niemand, der sich gerade keine Gedanken macht. Allein die wenigen Monate, in denen die Rosenstraße jetzt gesperrt ist, haben eben gezeigt, wie rasant sich die Situation ändern kann. Wie plötzlich die Kunden ausbleiben. Wie krass der Umsatz zurückgeht. Wie schnell die Existenz in Gefahr ist. Dabei startet die große Baustelle, also die abschnittsweise Sperrung der Langen Straße, erst am 25. August. (Ursprünglich sollte sie ja bereits am Montag beginnen, jetzt startet sie eine Woche später als geplant.)

Mein Kollege Tobias Barrelmeyer hat es in dieser Woche noch einmal zusammengefasst: Eineinhalb Jahre etwa werden die Haller Geschäfte weiterhin erreichbar sein, natürlich. Aber eineinhalb Jahre wird es für die Kundinnen und Kunden aus Halle und mehr noch für die aus den Nachbarkommunen Werther, Steinhagen, Borgholzhausen oder Bielefeld eben auch nicht sonderlich komfortabel, ihr Ziel zu erreichen. Da gibt es auch nichts schönzureden.

Die Stadt Halle unternimmt dabei wirklich alles, um zu unterstützen. Frank Hofen, früherer Innenstadtmanager, kümmert sich vor Ort und koordiniert die Beteiligten. Leitsysteme führen durch die Baustellen, groß angelegte Werbekampagnen sind geplant, es gibt temporäre Sonderregelungen für Parkflächen und Lieferverkehre. Und auch viele Veranstaltungen, die Menschen in die Innenstadt ziehen, laufen weiter. Timo Klack als Sprecher der Stadt leistet hier zusammen mit seinem Team besondere Kommunikation. Mehr geht nicht. Wird dieses außergewöhnliche Engagement reichen? Nein.

Geschäftsleute in Halle brauchen jetzt die Treue ihrer Kunden

Ab Montag (25. August) ist es auch mit der einspurigen Durchfahrt auf der Langen Straße vorbei. Dann wird hier abschnittsweise bis Ende 2026 gesperrt. - © Nicole Donath

Ab Montag (25. August) ist es auch mit der einspurigen Durchfahrt auf der Langen Straße vorbei. Dann wird hier abschnittsweise bis Ende 2026 gesperrt.
(© Nicole Donath)

Es wird auch nicht reichen, dass der Haupt- und Finanzausschuss auf seiner Sondersitzung am Mittwochabend die Einrichtung eines Härtefallfonds im Umfang von 100.000 Euro beschlossen hat. Ein Topf, aus dem einige Einzelhändler der Stadt je nach Höhe des Umsatzausfalls einmalig entweder 3.000 oder 5.000 Euro bekommen. Wenn es hart auf hart kommt, ist diese Summe ein Tropfen auf den heißen Stein und wird im Kampf ums Überleben nicht helfen, dafür dauert der Ausnahmezustand zu lange. Wobei jene Geschäftsleute, die unter der Baustelle zwar ebenso leiden, aber den Bagger nicht gerade direkt vor der Tür haben, sogar ganz leer ausgehen. Was es jetzt braucht? Die Antwort ist ebenso einfach wie schwierig: unsere Solidarität.

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Die Stadt Halle mit ihren kleinen Einzelhändlern und den etwas größeren Geschäften braucht jetzt mehr denn je die Treue ihrer Kundinnen und Kunden. Die feste Entschlossenheit, Umwege in Kauf zu nehmen – mal eine längere Anfahrtszeit, mal kleinere Unannehmlichkeiten. Aber wer möchte, dass es nach Ende der Baumaßnahmen noch das Schuhgeschäft oder den Kosmetiksalon, die Pizzeria oder die Boutique gibt, der muss Halle gerade jetzt seine Verbundenheit beweisen.

Haller Einzelhändler sind Jahre, Jahrzehnte in Vorleistung getreten

Julia Westphal in ihrem Blumenladen Edel & Kraut am Haller Ronchin-Platz. - © Uwe Pollmeier

Julia Westphal in ihrem Blumenladen Edel & Kraut am Haller Ronchin-Platz.
(© Uwe Pollmeier)

Einzelhändler wie Jasmin Fischer, die die Bücherstube Elsner übernommen hat und am Montag (18. August) den Laden unter dem Namen „Die Buchfischerei“ neu eröffnet, treten dabei in Vorleistung. Es ist ja nicht so, dass es Buchhändler in Zeiten des Online-Handels nicht ohnehin schon schwer genug hätten. Nein, die Unternehmerin hat obendrein noch mit Liebe zum Detail renoviert und kommt nun mit einem neuen Angebot um die Ecke. Wie mutig ist das bitte?!

Ihr Vorgänger Wolfgang Elsner wiederum könnte sich zur Ruhe setzen – macht er aber nicht. Stattdessen bezieht er ein Ladenlokal am Ronchin-Platz und bietet das Rahmen von Bildern an. Von diesen Beispielen gibt es natürlich noch einige mehr. Und dann sind da noch die vielen übrigen Haller Geschäftsleute, die uns all die Jahre oder Jahrzehnte immer bestens versorgt haben: mit Blumen, Kaffee und Accessoires. Mit Düften, Cremes und Wimperntusche. Mit Schuhen, Shirts und Sportartikeln. Mit Pizza, Schmuck und Innenausstattung. Jetzt ist es an uns allen, sie durch die schwere Zeit zu tragen. Das Engagement wird sich am Ende für uns alle lohnen.

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