Stand: 16.08.2025 10:46 Uhr

Die deutschen Hockey-Frauen sind ins EM-Finale eingezogen – ein Erfolg für das junge Team, mit dem nach der Vorrunde kaum jemand mehr gerechnet hatte.

Von Christina Schröder, Mönchengladbach

Nach dem gewonnenen Halbfinale hatte Ines Wanner nur ein Problem – ihre Stimme: „Ich höre mich nicht immer so an, ich habe ein bisschen viel geschrien“, krächzte die Torschützin. Nach dem Sieg im Penaltyshootout gegen Belgien war bei den deutschen Frauen im ganzen Stadion die Erleichterung zu spüren: Jubelschreie, eine hüpfende Spielerinnen-Traube und glückliche Gesichter. Der Finaleinzug ist für das junge deutsche Team keine Selbstverständlichkeit.

„Man hat gesehen, dass da wirklich viel von uns abgefallen ist. Wir haben die ganze Spielzeit über nur gekämpft und geackert. Dann stellen wir uns nach so einem Spiel hin und machen unsere Penalties rein — davor hab ich einfach nur größten Respekt“, sagte Torhüterin Julia Sonntag.

Deutschlands Sophia Schwabe und Torhüterin Julia Sonntag bejubeln den Sieg über Belgien

Sonntag ist mit 33 Jahren die Älteste bei den „Danas“ und gehört zu der Hälfte im deutschen Team mit Erfahrung. Die andere Hälfte spielt in Mönchengladbach zum ersten Mal ein großes internationales Turnier. Und das wurde in der Gruppenphase deutlich.

Klatsche gegen die Niederlande

Deutschland war zunächst vielversprechend gestartet, war beim Auftaktsieg gegen Frankreich selbstbewusst aufgetreten, hatte kreativ und mutig gespielt. Davon war gegen den Topfavoriten Niederlande aber nichts mehr zu sehen. Die DHB-Auswahl war komplett eingeschüchtert, bekam bei der 1:5-Klatsche in Spiel Nummer zwei gegen die Olympiasiegerinnen keinen Fuß auf den Boden.

Das sei Kinder- gegen Erwachsenenhockey gewesen, hatte Bundestrainerin Janneke Schopman nach der Partie gesagt. Auch sie ist neu dabei, erst seit neun Monaten bekleidet die gebürtige Niederländerin das Amt. Ihr Team hatte sich auch im letzten Gruppenspiel gegen Irland schwergetan: Die deutschen Hockeyspielerinnen wirkten eingeschüchtert und ideenlos, brachten ein torloses Unentschieden über die Zeit und sicherten sich damit das Halbfinale.

Insgesamt nur durchwachsene Vorrunde

Nach dieser durchwachsenen Vorrunde hatten die wenigsten auf die deutschen Hockey-Frauen als Finalteilnehmer gesetzt. Denn Belgien zählt als Angstgegner Deutschlands, das Halbfinale bei der Heim-EM vor zwei Jahren verlor das deutsche Team damals knapp.

Umso überzeugender der deutsche Auftritt gegen Belgien gleich zu Beginn: Schon nach drei Minuten führte Deutschland, EM-Debütantin Wanner verwandelte eine Strafecke. In einer ausgeglichenen Partie schaffte Belgien zehn Minuten vor Schluss aber noch den Ausgleich, das Penaltyshootout folgte und die Spannung stieg.

„Genau das war unser Plan“

Deutschlands Schützinnen und allen voran Torhüterin Julia Sonntag zeigten kaum Nerven. Nach dem entscheidenden belgischen Versuch bewahrte Sonntag einen kühlen Kopf, nahm den Videobeweis und bekam Recht: Das belgische Tor war ungültig und Deutschland damit für das Finale qualifiziert. Die Erfahrung der Torhüterin machte in dieser Situation den Unterschied.

Dabei hatte die Routiniere die zweite Halbzeit pausiert, um für ein mögliches Shootout fit zu sein: „Genau das war unser Plan, dass man nochmal ausgeruhter ins Penaltyschießen geht, ohne die Emotionen aus dem Spiel.“

Deutschlands Ines Wanner verfolgt das Spielgeschehen

Der Plan ging auf – auch, wenn Ines Wanner das schon vorab klar war: „Ich wusste schon morgens: Wir holen uns das Finale – egal, ob im regulären Spiel oder im Penaltyshootout.“ Dieses Selbstbewusstsein braucht das deutsche Team gegen Topfavoriten Niederlande im Finale.

Niederlande sind das Non-Plus-Ultra

Der Titelverteidiger, Weltmeister und Olympiasieger ist das Non-Plus-Ultra im Frauen-Hockey. Bei dieser EM haben die Niederländerinnen bisher keinen Punkt liegen gelassen. „Wir dürfen sie nicht ins Spiel kommen lassen“, sagte Sonntag – im Gruppenspiel lag Deutschland nach dem ersten Viertel bereits 0:3 zurück: „Wir müssen direkt Feuer geben, sie immer weiter nerven.“

Die deutschen Spiele bis zum Finaleinzug waren teilweise wackelig, die DHB-Frauen sind noch in der Findungsphase. Vor Turnierstart stand vor allem die Entwicklung im Fokus – jetzt im heimischen Hockeypark das Finale gegen den Erzrivalen zu spielen, verführt aber zum Träumen: „Die Kulisse war schon beim Halbfinale der Wahnsinn, wie das Stadion gebebt hat. Das wird uns Sonntag den Rücken stärken und beflügeln. Wir haben nichts zu verlieren“, sagte Sonntag, gebürtige Mönchengladbacherin.

Für Bundestrainerin Schopman und ihr Team ist das Turnier mit dem Finaleinzug schon jetzt ein kleiner Erfolg. Wenn die DHB-Frauen aber an der Weltspitze wie der Niederlande oder Argentinien dranbleiben wollen, muss vor allem in der Konstanz, Spielidee und körperlichen Präsenz noch einiges draufgelegt werden. Doch erstmal gilt es, die Niederländerinnen im EM-Endspiel „zu nerven“, so Sonntag – und vielleicht klappt es dann ja auch mit der Sensation, den EM-Titel im heimischen Stadion zu holen.