Die deutsche Regierung von Kanzler Merz hat die Kontrollen an der Grenze verschärft. Sie weist seit drei Monaten auch Asylsuchende ab. Allerdings mit bescheidenem Erfolg, wie ein Blick auf die Schweizer Grenze zeigt.
Sie kontrollieren verdächtige Fahrzeuge: Deutsche Bundespolizisten an der Grenze in Weil am Rhein.
Dlovan Shaheri / CH Media
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) ist mit grossen Versprechen angetreten. Eine Migrationswende hat er angekündigt. Inzwischen ist die Regierung 100 Tage im Amt, und Merz sieht sein Land auf Kurs. «Wir haben die Migrationspolitik der vergangenen Jahre korrigiert», verkündete er diese Woche. «Der Anfang ist gemacht.»
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Ähnlich zuversichtlich ist der Innenminister Alexander Dobrindt (CSU). «Die Migrationswende wirkt», sagte er in einem Video anlässlich der ersten 100 Amtstage. Es sei richtig, dass Deutschland beim Kampf gegen die illegale Migration «nicht mehr im Bremserhäuschen» Europas sitze, «sondern in der Lokomotive». Die Willkommenskultur von Angela Merkel: Sie ist endgültig Geschichte.
Ganz so einfach ist die angekündigte Migrationswende allerdings nicht. Die Regierung Merz ist zwar ehrgeizig gestartet. Direkt nach dem Amtsantritt im Mai hat sie intensivere Kontrollen an den Grenzen angeordnet. Und sie hat mit einem Tabu gebrochen: Seit dem 8. Mai 2025 weist die deutsche Bundespolizei auch Asylsuchende an der Grenze zurück. Ausgenommen sind schwangere Frauen und Kinder.
Doch nun zeigt sich: Die Massnahme entfaltet bislang wenig Wirkung. Zwischen dem 8. Mai und dem 31. Juli 2025 wies die deutsche Bundespolizei 1760 Personen an der Schweizer Grenze zurück. Die Betroffenen hatten etwa keine Papiere dabei oder ein ungültiges Visum. Nur 88 Personen waren Asylsuchende, die in Deutschland ein Asylgesuch stellen wollten. Das geht aus Zahlen der Bundespolizeidirektion Stuttgart hervor.
88 zurückgewiesene Asylsuchende in drei Monaten sind nicht besonders viele. Bei der deutschen Bundespolizei zeigt man sich dennoch zufrieden. «Jede Zurückweisung ist ein Erfolg für uns», sagt Friedrich Blaschke, der Sprecher der Bundespolizeiinspektion Weil am Rhein. Die Bundespolizisten würden weiter täglich Fernbusse, Trams und Züge kontrollieren, solange der Auftrag aus Berlin bestehe.
Wo sind die 88 Asylsuchenden?
In der Schweiz hat man von den 88 Asylsuchenden nichts mitbekommen. Die Zollbehörden hätten «keine Hinweise» darauf, dass sich unter den Zurückgewiesenen auch Personen befinden, die in Deutschland ein Asylgesuch stellen wollten, schreibt das Staatssekretariat für Migration (SEM).
Das könnte damit zu tun haben, dass die deutschen Bundespolizisten die Asylsuchenden nicht physisch an die Schweizer Kollegen übergeben müssen. Die Beamten können sie auch unbegleitet in Weil am Rhein über die nächste Brücke nach Basel schicken. Was dann mit den meist jungen Männern geschieht, weiss niemand. Vielleicht tauchen sie in der Schweiz unter. Vielleicht nehmen sie einen neuen Anlauf, um an den deutschen Polizeibeamten vorbeizukommen.
Die Schweizer Regierung hat die deutsche Praxisänderung von Beginn weg kritisiert. «Die Schweiz akzeptiert Rückweisungen von Asylsuchenden nicht», hatte Bundesrat Beat Jans (SP) bereits im Mai erklärt. Man erwarte von Deutschland, dass es sich an das geltende Recht halte.
Rechtsexperten sagen, Deutschland müsste gemäss den Regeln des Dublin-Systems prüfen, welches Land für einen Asylbewerber zuständig sei. Es könne sich nicht weigern, auf die Asylgesuche einzutreten.
Trotzdem hat der Bundesrat bis heute keine Gegenmassnahmen angekündigt. Das dürfte auch damit zu tun haben, dass die Schweiz die verschärften Grenzkontrollen bislang kaum spürt. Seit der angekündigten Praxisänderung der deutschen Regierung hätten die Behörden «keine grundlegenden Änderungen» festgestellt, schreibt das Staatssekretariat für Migration. So habe sich zum Beispiel die Zahl der neu eintretenden Asylsuchenden in den grenznahen Bundesasylzentren nicht verändert.
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