Kinderfreie Hotels und Ferienresorts sind im traditionell kinderfreundlichen Frankreich mit drei bis fünf Prozent des Gesamtmarkts eigentlich selten, schreibt die britische Tageszeitung „Guardian“ – dennoch und vielleicht auch gerade deswegen hat die Debatte über den Sommer an Fahrt aufgenommen. Bisher hatte Frankreich eine der höchsten Geburtenraten, doch seitdem diese auch sinkt, ist das Thema Kinder bzw. Kinderhaben in der Politik des Landes verstärkt angekommen.
Zu Beginn des Sommers ließen zwei Politikerinnen, die Hohe Kommissarin für Kinder, Sarah El Hairy, und die frühere Familienministerin und nunmehrige Senatorin Laurence Rossignol mit dem Vorschlag aufhorchen, Kinderverbote in Hotels oder Restaurants untersagen zu wollen. El Hairy argumentierte, dass ein solches Verbot zu Gewalt gegen Kinder beitrage. „Wir institutionalisieren die Idee, dass Ruhe ein Luxus ist und damit auch die Abwesenheit von Kindern.“
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Nicht alle Menschen können oder wollen sich neben Kindern entspannen
„Wer keine Kinder mag, mag die Menschheit nicht“
Ihr gehe es dabei nicht um Paare, die keine Kinder haben, sondern um jene Menschen, die nicht von den Kindern anderer Menschen gestört werden möchten, etwa in Zügen. Das erhöhe nämlich den Druck auf die jeweiligen Eltern, die daraufhin ihre Kinder mit Zeichentrickserien ruhigstellen würden, so die Politikerin. Sie lobte über den Sommer einen Preis für die kinderfreundlichsten Orte (Hotels, Museen, Restaurants usw.) aus, die Preisverleihung ist Anfang Oktober geplant.
Rossignol geht laut „Guardian“ nun noch einen Schritt weiter und fordert von der französischen Regierung ein grundsätzliches Verbot für Kinderverbote. Kinderfreie Zonen würden laut Rossignol die Intoleranz fördern und legitimieren. Es sei nicht akzeptierbar, wenn Menschen sagen „Ich mag keine Kinder und will sie nicht sehen“, denn „wer keine Kinder mag, mag die Menschheit nicht“, argumentierte sie.
Kinderfreie Hotels weltweit im Kommen
Kinderfreie Hotels und Ferienresorts haben in den vergangenen Jahren weltweit deutlich zugelegt. In Frankreichs Nachbarland Belgien, so die die britische Tageszeitung „Times“, sind in jedem zehnten Restaurant Kinder nicht willkommen. Laut den Anbietern steigt gerade seit den CoV-Lockdowns auch die Nachfrage danach. Allerdings gibt es kinderfreie Resorts schon seit Jahrzehnten, etwa in Griechenland, Mexikco und Thailand.
Kinderfreie Hotels seien in Frankreich im Vergleich zu anderen touristischen Angeboten „extrem selten“, erklärte auch eine Vertreterin der Gewerkschaft UMIH gegenüber dem „Guardian“. Es gebe einen klar definierten Markt, und die Hotels würden einfach den Wünschen des Marktes folgen: „Wenn Menschen nicht finden, was sie suchen, weil es verboten ist, werden sie auf andere Länder ausweichen.“
„Pause von der Familie“
Für Vincent Lagarde von der Universität Limoges hat der Wunsch nach Ruhe nichts mit Kinderhass zu tun, sondern einfach mit dem Wunsch nach Ruhe – selbst bei Eltern, Lehrern und Erziehern. Untersuchungen würden zeigen, dass ein Drittel der Menschen, die bewusst in kinderfreie Hotels fahren, erschöpfte Eltern sind. „Das sind keine Menschen, die Kinder nicht mögen. Sie sind einfach erschöpft und brauchen eine Pause von ihrer Familie“, so Lagarde.
Ein anderer Grund, kinderfreie Hotels oder Restaurants zu wählen, sei der Wunsch, bewusst Zeit als Paar oder mit Freunden zu verbringen. Im Gegenzug würden Hotels dann auch zum Teil mehr Geld verlangen, was den Eindruck des „Luxus“ einer kinderfreien Zone verstärken könne. Bisher sei aber noch keine Familie gerichtlich dagegen vorgegangen, wenn Kinder an einem Ort nicht erlaubt waren.