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Bis zu 1500 Menschen zelten im Frankfurter Grüneburgpark und diskutieren über den Kapitalismus. Mit dem Motto des Camps erinnern die Veranstalter an ein Idol der 68er-Bewegung.
Frankfurt – Klimaschutz, Militarismus, Grundlagen des Anarchismus, Eigentumskritik – bei rund 300 Workshops, Lesungen und Vorträgen kommen von Donnerstag an bis zu 1500 Menschen im Grüneburgpark in Frankfurt zusammen. Das System Change Camp läuft noch bis bis zum 26. August und steht unter dem Motto „Geschichte ist machbar – System Change auch“. Mit „Geschichte ist machbar“ bezieht sich das Camp auf ein gleichnamiges Buch von Rudi Dutschke, der als Wortführer der 68er-Studentenbewegung gilt.
Zum ersten Mal trifft sich die Szene aus überwiegend jungen Leuten in Frankfurt, aber es ist nicht das erste Camp dieser Art in Deutschland, sondern laut Pressemitteilung der Veranstalter:innen bereits das dritte. Voriges Jahr kamen in Erfurt demnach ebenfalls 1500 Menschen zusammen, davor war Hannover der Austragungsort.
Camp im Grüneburgpark in Frankfurt soll vorrangig der Vernetzung dienen
Das Camp stehe in der Tradition der Klimacamps von Lützerath, sagt Pressesprecher Sebastian Blessing in einem Gespräch. Dort hatten bis Anfang 2023 Tausende Menschen gegen den Braunkohletagebau Garzweiler und den damit verbundenen Abriss des Örtchens protestiert.
Im Grüneburgpark in Frankfurt werden Bauzäune aufgestellt. Das System Change Camp wird auf dem südlichen Teil der Grünfläche stattfinden, zum Schutz von Bäumen und Anlagen werden Absperrungen errichtet. © Renate Hoyer 60316 Frankfurt/Renate Hoyer
Das jetzige Camp unterscheidet sich jedoch nicht nur in der inhaltlich weitergehenden Ausrichtung von seinen Vorgängern. „Es gibt keine Aktionen des zivilen Ungehorsams mehr“, sagt Blessing. „Der Schwerpunkt liegt auf der Vernetzung.“ Man wolle einen linken Diskursraum eröffnen, die „Gesellschaft ins Solidarische verändern“.
Programm auf dem Camp im Grüneburgpark von mehreren Akteuren gestemmt
Und so lauten die Schlagworte „antikapitalistisch, antikolonial, antiautoritär, antiableistisch und antipatriarchal“, wie es auf der Website heißt. Man wolle sich den drängenden Fragen der Zeit widmen, betont Blessing. Etwa derjenigen, dass massiv Umwelt und Lebenswelten indigener Völker zerstört würden.
Das Programm ist ein Gemeinschaftswerk: Die unterschiedlichen Angebote wurden von den jeweiligen Gruppen, Initiativen oder Einzelpersonen – auch aus Frankfurt – eingereicht, es waren mehr Angebote, als letztlich Platz gefunden haben. Auch das Campleben soll selbst organisiert sein, selbst verwaltet.
Teilnahme am Camp im Grüneburgpark kostenlos
Ein Programmpunkt, der immer wieder auftaucht, ist deshalb „Repro“. Darunter fallen die sogenannten reproduktiven Maßnahmen wie Spülen, Toiletten säubern, Essen kochen; jede und jeder darf und sollte sich dabei einbringen. „Wir leben gemeinsam auf dem Camp eine kleine Utopie, in der wir uns umeinander kümmern und füreinander Verantwortung übernehmen“, zitiert die Pressemitteilung Leo Schwarz, einen weiteren Pressesprecher. „Zusammen probieren wir aus, wie anders leben geht.“ So gebe es auch Assistenz für Menschen mit Behinderung oder Kinderbetreuung.
Wer dabei sein will, kann sein Zelt im Grüneburgpark aufbauen. Wer nicht oder nicht mehr auf dem Boden schlafen könne oder für wen aus sonstigen Gründen die Übernachtung im Zelt nicht angezeigt sei, für den gebe es eine Bettenbörse, berichtet Blessing.
Das Programm
Offiziell beginnt das System Change Camp am heutigen Donnerstag, 14. August, im südlichen Grüneburgpark. In den ersten zwei Tagen wird aufgebaut, das eigentliche Programm geht am Sonntag, 17. August, los und geht bis zum Abbau am 25. August.
Abends gibt es Konzerte, vom 17. bis zum 22. August um 18 Uhr Führungen durch das Camp, am 23. August um 12 Uhr. Eine Demonstration gegen Investitionen in fossile Energien und Militär organisiert ein Bündnis aus lokalen Gruppen für Freitag, 22. August, um 18.30 Uhr am Willy-Brandt-Platz.
Das Programm gibt es unter https://www.system-change-camp.org.
Veranstalter hoffen auf angeregte Diskussionen
Die Mitcamper:innen wollen explizit nicht unter sich bleiben. „Das Camp und seine Teilnehmer:innen freuen sich auch über spontanen Besuch“, heißt es in der Pressemitteilung. „Es wird immer Möglichkeiten geben, ins Gespräch mit uns zu kommen, gemeinsam zu essen und mitzumachen.“
Eine Abschlusserklärung oder eine Resolution soll es nicht geben. Blessing: „Das würde dem Charakter des Camps widersprechen.“ Und der widersetzt sich einer einstimmigen Meinung. Strittiges wird erwartet und erhofft. Utopien lassen sich nicht einfangen, wohl aber beschreiben. Blessing: „Was ist die Zukunft, in die wir gehen wollen?“ (Petra Zeichner)
Ein Thema rund um den Grüneburgpark bleibt unterdessen der Korea-Garten, der nach der Brandserie 2017 noch immer nicht wiederhergestellt ist.