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Zweitliga-Aufsteiger Arminia Bielefeld ist das beste Beispiel, wie Erfolge im DFB-Pokal neue Entwicklungssprünge ermöglichen.
Bielefeld – Noch immer warten viele Anhänger von Arminia Bielefeld auf Post. Oder besser gesagt auf das Willkommenspaket, das der Verein allen Neumitgliedern versprochen hat. Bloß: Der Zweitliga-Aufsteiger ist von der Nachfrage überrollt worden. „Aufgrund zahlreicher paralleler Aufgaben kommen wir derzeit schrittweise dazu, auch die zuletzt eingegangenen Anträge zu bearbeiten“, hieß es Anfang Juni auf der Homepage. Der Einzug ins DFB-Pokalfinale, im Sog dieses Siegeszugs auch der (noch wichtigere) Aufstieg in die zweite Bundesliga: Es hat in Ostwestfalen Boom gemacht.
Einer der kernigen Kerle von der Alm: Arminia-Stürmer Joel Grodowski. © IMAGO/kolbert-press/Marc Niemeyer
Der Verein vermeldet überall Rekorde: Inzwischen sind es mehr als 27.000 Mitglieder – ungefähr so viele wie beim etablierten Erstligist FC Augsburg, mehr als doppelt so viele wie bei der TSG Hoffenheim. Leere Plätze wird es auf der Alm kaum mehr geben: Alle verfügbaren 17 000 Dauerkarten waren in Windeseile vergriffen. Und weil der DSC gerade auf einer Welle surft, erwartet man nach Auftaktsiegen gegen Fortuna Düsseldorf (5:1) und Holstein Kiel (2:0) nun als Zweitliga-Spitzenreiter den Bundesligisten SV Werder in der ersten DFB-Pokalrunde (Freitag 20.45 Uhr). Es ist eine prickelnde Paarung, die sich das ZDF als Rechteinhaber fast logischerweise für eine Live-Übertragung krallte.
Nur die Bayern fremdeln ein bisschen
Die Bremer blamierten sich in diesem Jahr bereits im Viertelfinale in Bielefeld, danach scheiterte im Halbfinale auch Titelverteidiger Bayer Leverkusen. Dabei nehmen Bundesligisten – vielleicht mit Ausnahme des FC Bayern, der letztmals vor fünf Jahren in Berlin vorspielte – den Wettbewerb sehr ernst, der den kürzesten Weg nach Europa verspricht.
Ohne die Europa-League-Qualifikation als Pokalsieger könnte der VfB Stuttgart im Gezerre um Nick Woltemade nicht so standhaft bleiben, ohne den Pokalcoup 2018 hätte sich Eintracht Frankfurt eher nicht zum Spitzenklub mit internationalen Ambitionen gemausert. Der einzige Cup-Wettbewerb in Deutschland ist Türöffner für die Großen und Kleinen. Gerade Zweit- und Drittligisten lechzen nach dem finanziellen Zubrot, das von Runde zu Runde enorm steigt.
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Insgesamt sind 75 Millionen Euro im Topf – noch ein bisschen mehr als im Vorjahr. 211 886 Euro gibt es für die 64 Teilnehmer der ersten Runde, danach verdoppeln sich die Beträge bis zum Halbfinale. Das Viertelfinale spült bereits knapp 1,7 Millionen Euro in die Kasse. Allein 9,4 Millionen Euro an Pokalprämien ermöglichten beispielsweise in Bielefeld die Tilgung aller kurzfristigen Verbindlichkeiten.
Man sei dadurch wieder in die Lage gekommen, „nachzudenken, wo wir investieren wollen, um auch Wachstum zu generieren, sowohl im wirtschaftlichen als auch im sportlichen Bereich“, erklärte der kaufmännische Geschäftsführer Christoph Ortmann. Vielleicht ist auch die Blickrichtung Bundesliga mal wieder drin. Bis auf Louis Oppie (FC St. Pauli) und Marius Wörl (Hannover 96) blieben die Pokalhelden zusammen, Zugänge wie Tim Handwerker (Jahn Regensburg) und Marvin Mehlem (früher Darmstadt 98) heben das spielerische Niveau. Und kämpferisch und läuferisch wirkt die Arminia fast schon wieder erstklassig.
In Bremen hakt es noch an vielen Stellen
Der Pokal hat das Erweckungserlebnis für eine ganze Region möglich gemacht. Jeder Coup hat das Umfeld mehr angezündet – und den anfangs gar nicht unumstrittenen Trainer Mitch Kniat gestärkt. Inzwischen geht der bisweilen hemdsärmelige Übungsleiter mit den kräftigen Oberarmen in seine dritte Saison. Und bereitet mit breitem Grinsen den nächsten Knalleffekt vor, weil „wir an einem sehr guten Tag gegen jede Mannschaft in Deutschland die Möglichkeit haben zu gewinnen.“
An der Weser hakt es unter Neu-Trainer Horst Steffen an vielen Stellen, die Vorbereitung lief reichlich unrund. Das Spiel sei „sicherlich eine gute Herausforderung, gegen einen Gegner, der uns fordern wird“, betonte der von der SV Elversberg gekommene Nachfolger von Ole Werner. „Ich bin gespannt, wie stark und wehrhaft wir dort sind.“
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Sein Gegenüber ist da ein Stück weiter. „Der Bann Arminia hat viele gefangen“, beteuerte Kniat, „und wir haben den Vorteil, dass wir schon zwei Pflichtspiele absolviert haben.“ Der Erfolgscoach hat die Erinnerungsstücke einer märchenhaften Spielzeit bei seiner Mama deponiert. Sicher ist sicher. Denn es soll ja legendäre Pokalpartys im „Café Europa“ im Herzen der Stadt gegeben haben, nach denen der eine oder andere am nächsten Tag nicht so recht wusste, wo oben oder unten ist.